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Aichach-Friedberg: "Licca liber" befreit den Lech – in einem 130 Meter breiten Flussbett

Aichach-Friedberg

"Licca liber" befreit den Lech – in einem 130 Meter breiten Flussbett

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    Simone Winter vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth und andere Fachleute erklärten Interessierten vor Ort am Mandichosee, wie "Licca liber" den Lech befreien soll.
    Simone Winter vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth und andere Fachleute erklärten Interessierten vor Ort am Mandichosee, wie "Licca liber" den Lech befreien soll. Foto: Edigna Menhard

    In seinem Betonkorsett eingezwängt ist der Lech ein toter Fluss – so drastisch sieht Günther Groß die Lage. Der Sprecher der

    Viele Leute verstehen gar nicht, warum die Welt rund um den Lech nicht in Ordnung ist, meinte Groß. Ursprünglich war das Gewässer der reißendste nordalpine Alpenfluss, teilweise ein Kilometer breit mit vielen Nebenarmen. Nach jedem Hochwasser bahnte er sich neue Wege. Vor 100 Jahren begann man ihn zu zügeln. Auslöser war ein verheerendes

    Am Mandichosee zwischen Mering und Königsbrunn wurden die Pläne für die Lech-Renaturierung "Licca liber" erläutert.
    Am Mandichosee zwischen Mering und Königsbrunn wurden die Pläne für die Lech-Renaturierung "Licca liber" erläutert. Foto: Edigna Menahrd

    Das hat verheerende Auswirkungen. Um diese einordnen zu können, müsse man sich damit auseinandersetzen, welche Aufgaben der Lech ursprünglich erfüllte, meinte Groß: Er muss große Wassermassen aus den Alpen abtransportieren. Dafür hatte er früher genug Platz, nun nicht mehr. Folge: Der Fluss tiefte sich ein, der Grundwasserspiegel sackte ab. „Seine zweite Aufgabe war der Kiestransport. Alles was an Felsen und Geröll aus den

    „Die Aue wurde durch die Verbauung vom Fluss getrennt. Das ist der Tod einer jeden Aue“, kritisierte Eberhard Pfeuffer, der die Folgen der Begradigung darlegte. Der Naturfreund, der vier Bücher über den Lech geschrieben hat, bedauert, dass die Artenvielfalt verloren gegangen ist: „Früher war hier der Himmel voll mit Vögeln“, sagte er und deutete noch oben, wo kaum ein Vogel zu sehen war. Weil der Kies nicht mehr transportiert werde, sind alle Lechkiesbrüter bis auf Flussuferläufer und Flussregenpfeifer ausgestorben. Das gelte auch für die Fische: „Kieslaicher“ wie Huchen, Nase und Äsche sind kaum mehr zu finden. „Früher habe die Augsburger jedes Jahr 40.000 bis 50.000 Nasen gefangen, ohne dass es den Beständen etwas ausgemacht hat“, sagte der Lechexperte.

    "Licca liber" bedeutet "freier Lech" - zumindest ab dem Mandichosee

    Wenigstens für den Abschnitt ab der Lechstaustufe 23 bis zur Mündung in die Donau soll der Lech wieder ein Stück seiner Natürlichkeit bekommen, so der Plan des Projekts "Licca liber", was übersetzt „freier Lech“ bedeutet. „Wir sind nicht so illusionistisch, dass wir glauben, den alten Lech wieder zurückbekommen zu können. Die Zivilisation hat mittlerweile ihre Pflöcke geschlagen. Wir wollen aber wieder einen natürlichen Lech“, räumte Günther Groß ein.

    Das Projekt ist die derzeit größte Flussbaumaßnahme Bayerns, für das vermutlich ein Investitionsvolumen von 60 Millionen Euro benötigt wird. Die Planungen ziehen sich schon über Jahre und sind sehr schwierig, berichtete Projektleiterin Simone Winter vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth. So dürfen die Grundwasserstände in den benachbarten Siedlungen nicht zu hoch werden. Außerdem müssen Trinkwasserschutzgebiete, Bannwald und Naturschutzgebiete erhalten bleiben. Ebenso muss gewährleistet werden, dass das Gebiet weiter zur Naherholung und Wasserkraftgewinnung genutzt werden kann. Dazu engen die nahen Wohngebiete den Handlungsspielraum ein. „Es ist schwierig, dem Lech Raum zu geben“, sagte die Expertin.

    So könnte der renaturierte Lech in Zukunft aussehen.
    So könnte der renaturierte Lech in Zukunft aussehen. Foto: SKI, Revital, Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung

    Doch die Planungen sind nun konkreter: Gestartet wird mit weichen Ufern, sprich der Lech darf aus seinem Korsett. Auf rund vier Kilometer wird die Ufersicherung entfernt. Der Fluss soll sich dann auf meist 130 Meter ausweiten dürfen – damit kann er sich fast verdoppeln. „Die Idee ist: Der Lech soll selber viel machen. Wir hoffen, dass er sich nach und nach das Ufer selber legt. Das ist naturnäher“, erklärte Winter.

    Einzigartig macht das Projekt auch die Sekundärauen, also Auen auf einem tieferen Niveau. 95 Hektar Platz werden diese bekommen. „Das entspricht dreimal dem Weitmannsee. Ich kenne aktuell kein Projekt, das so eine Ausdehnung hat“, zeigte sich Winter begeistert. Die

    Lech-Deiche in Aichach-Friedberg werden zurückverlegt

    Wegen der Sekundärauen müssen die Deiche zurückverlegt werden. Man habe allerdings herausgefunden, dass die angrenzenden Gelände in weiten Bereichen so hoch liegen, dass teilweise auf einen Deich verzichten werden könne. Der Hochwasserschutz sei gewährleistet. Einzigartig an dem Konzept ist zudem, dass dem Lech regelmäßig Kies zugegeben wird. Im Mittelwert werden jährlich 4000 Kubikmeter benötigt. Damit soll es wieder wandernde Kiesbänke geben - und damit verbunden unterschiedliche Fließgeschwindigkeit. Im Gegensatz zum jetzigen monotonen Gerinne sei das für die Wasserlebewesen wichtig, so Winter.

    Totholz im Fluss schafft Lebensraum für Fische, hier im Lech im Stadtgebiet Augsburg.
    Totholz im Fluss schafft Lebensraum für Fische, hier im Lech im Stadtgebiet Augsburg. Foto: Wasserwirtschaftsamt

    Allerdings stehen große Eingriffe bevor. Für die Sekundärauen werden zig Kubikmeter Erde abgegraben. Viele Bäume müssen gefällt werden, wobei einzelne, die für den Artenschutz wichtig sind, stehen bleiben. Man hofft, dass sich später Arten wieder ansiedeln, die ursprünglich in die Auen gehören. Bis der Lech dann seine volle neue Schönheit zeigen wird, braucht es Geduld. „Der Prozess wird nicht in fünf Jahren abgeschlossen sein. Wir müssen schon mit 20 bis 25 Jahren rechnen.“ Bis die Bagger kommen, wird es noch dauern. Im nächsten Schritt geht es erst einmal an die Feinplanung, die das Wasserwirtschaftsamt bis Ende des Jahres durchführen möchte. 2023 soll dann das Wasserrechtsverfahren beginnen.

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