Im März 2020 musste es schnell gehen: soweit es ging, wurden alle Angestellten ins Homeoffice geschickt. Während sich über den Sommer die Lage etwas entspannte, sind spätestens seit Januar die Büros heimischer Unternehmen leergefegt. Wie die Stimmung ist und ob das Homeoffice mehr Vorteile oder doch Nachteile mit sich bringt, berichten Geschäftsführer und Angestellte heimischer Unternehmen.
"Insgesamt klappt es ganz gut würde ich sagen", meint Isabelle Fetzer, Pressesprecherin der Forum Media Group in Merching. Bereits vergangenes Frühjahr stellte das Unternehmen auf Homeoffice um. Den Mitarbeitern wurden Firmenlaptops zur Verfügung gestellt oder die Nutzung des eigenen Computers durch VPN-Verbindung ermöglicht. Aber nicht alle können von zu Hause aus arbeiten, wie etwa die Marketing oder IT-Abteilung. Deshalb wurden die vor Ort genutzten Arbeitsflächen entzerrt.
Für die Kommunikation wird ein Video-Chat-Programm genutzt, aber "es fehlt der persönliche Kontakt: mal eben über den Gang gehen, um etwas zu besprechen", sagt Fetzer. Einige der Angestellten seien sehr gerne im Homeoffice. Gerade Eltern, die aktuell keine Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder haben oder diejenigen, die eine weite Anfahrt haben, profitieren. Andere klagen, dass sie sich im Büro besser konzentrieren könnten, erzählt Fetzer.
Video-Besprechungen einer Friedberger Firma sind besser vorbereitet
Ähnliches berichtet auch Christian Egger, Geschäftsführer von AUTEFA Solutions in Friedberg. Als vergangenes Jahr der plötzliche Umstieg auf Homeoffice begann, "hatten wir nicht genügend Laptops und als wir welche besorgen wollten, waren schon alle ausverkauft", erzählt Christian Egger. So mussten laut dem Geschäftsführer einige Angestellte ihren Computer am Arbeitsplatz abbauen und zu Hause wieder aufbauen. Nach Anlaufschwierigkeiten läuft das Homeoffice inzwischen gut, berichtet Egger. Sogar die regelmäßigen Besprechungen per Video-Chat-Programm wären besser vorbereitet und strukturierter als vor der Pandemie.
Fünf Tipps für ortsunabhängiges Arbeiten
Psyche Um „immer genug“ zu erledigen, geraten Mitarbeiter oft über den Punkt der optimalen Produktivität hinaus. Zudem ist der Arbeitsalltag zunächst von Einsamkeit geprägt, Arbeitnehmer sind scheinbar auf sich selbst gestellt. Um möglichst kreativ und effektiv zu sein, muss daher jeder auf sich selbst hören.
Organisation Mitarbeiter sollten in die Geschehnisse und Planungen eingebunden sein. Es bedarf daher eines Programms, in dem alle Tätigkeiten inklusive Deadlines und Zuständigkeiten aufgeführt sind, sodass alle stets den Überblick haben. Trotz allem ist es wichtig, sich auch persönlich und direkt kennenzulernen, um eine bessere Verbindung aufzubauen und als Ganzes zu funktionieren.
Selbstständigkeit Da man die Angestellten nicht die ganze Zeit im Blick haben kann, braucht es Vertrauen. Das wirkt sich oft auch positiv auf die Arbeitseinstellung aus. Wenn Mitarbeiter etwa ihre Zeit frei einteilen können, sind viele produktiver.
Neue Mitarbeiter Gerade zu Beginn ist es wichtig, neue Mitarbeiter zu integrieren, damit sie ein gutes Gefühl bekommen und dem Unternehmen treu bleiben. Sie sollten eingebunden werden und Erklärungen erhalten: Wie läuft der Tag ab? Welcher Kollege ist für welchen Bereich zuständig? Idealerweise wird dem neuen Mitarbeiter ein Mentor zur Seite gestellt, an den er sich jederzeit mit seinen Fragen wenden kann.
Schreiben Körpersprache und Ton fallen in der digitalen Kommunikation oft weg. Deshalb muss man besonders darauf achten, wie die Worte wirken.
Diese Tipps stammen von Amir Salihefendic. Er hat das Unternehmen Doist auf dieser Basis gegründet. Doist bietet eine App zur besseren Zusammenarbeit sowie eine Team-Kommunikationsplattform an. (AZ)
Homeoffice werde bei AUTEFA Solutions positiv angenommen: es kamen bereits Nachfragen, ob man das nach der Pandemie nicht beibehalten könnte. Christian Egger kann das verstehen, denn die Zeit, die mit der Anfahrt ins Büro eingespart wird, kann in Freizeit und Hobbys investiert werden. "In Zukunft möchten wir nicht 100 Prozent Homeoffice anbieten, aber sind offen dafür, das ein- bis zweimal die Woche zu ermöglichen", sagt der Geschäftsführer. Trotzdem fehle der soziale Kontakt mit Kollegen. Auch das Arbeiten am heimischen Schreibtisch sei nicht immer einfach, weil dort manchmal die Konzentration abnehme.
Dass es auch ohne Homeoffice geht, zeigt die Steuerkanzlei von Richard Becker aus Mering. Im ersten Lockdown wurde den Mitarbeitenden freigestellt, von zu Hause aus zu arbeiten. "Eine hat das gemacht, kam aber nach kurzer Zeit reumütig zurück", erzählt Ehefrau Ute Becker, die auch in der Kanzlei arbeitet. Die Angestellten würden es schätzen, die eigenen vier Wände zu verlassen, um ins Büro kommen zu können. Jeder Mitarbeiter der Steuerkanzlei hat sein eigenes Büro, wodurch der Sicherheitsabstand eingehalten werden kann. Auf den Fluren und im Treppenhaus werden FFP2-Masken getragen.
Homeoffice hilft Personalerin aus Derching beim Homeschooling
Positiv über das Homeoffice berichtet Eva Thiel, Personalerin beim Derchinger Unternehmen flytech: "Im Zusammenhang mit Corona ist das Homeoffice eine sehr gute Möglichkeit, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen." Durch die vielfältigen digitalen Angebote, die ihre IT-Firma nutzt, werde ihr das Homeoffice sehr erleichtert. "Es ist natürlich von Vorteil, dass ich einen eigenen Raum habe, wo ich mal die Tür zumachen kann", so die Personalerin.
Thiel ist dankbar, denn neben dem Job muss sie auch ihre Tochter im Grundschulalter im Homeschooling unterrichten. Ihr Mann und ihre Mutter sind ihr im Alltag eine große Hilfe, sowie die Flexibilität, die sie vom Arbeitgeber bekommt. Trotzdem sei die Koordination von Familie und Beruf zu Hause nicht immer leicht. Die Kollegen hätten aber Verständnis, wenn ihre Tochter mal in eine Videokonferenz reinplatzt.
Bereits vor dem Lockdown im vergangenen Jahr gab es bei flytech einige Homeoffice-Testtage. Hierbei wurde festgestellt, was individuell angepasst werden muss für die Angestellten. Hier hätten sich die Vorteile der IT-Branche ausgezahlt. Die technische Ausstattung war gegeben, sowie der Umgang mit vielfältigen digitalen Programmen, die gemeinsame Arbeiten auf Entfernung möglich machen, so Eva Thiel. Sogar die Teilnahme an Kommunikationsworkshops wurde den Angestellten angeboten. Tipps für die Arbeit im Homeoffice kamen von einem Coach.
Vom Arbeitgeber digital gut unterstützt, fühlt sich auch Julia Richter, Inside Sales Managerin bei flytech. Da sie und ihr Mann beide im Homeoffice tätig sind, muss jeden Tag neu geklärt werden, wer im Büro arbeitet und wer am Esstisch. Das Arbeiten ohne richtigen Schreibtisch und passendem Stuhl, sowie das täglich Auf-und Abbauen des Monitors, erschweren Richter den Arbeitstag. "Die Vorteile sind, dass man keinen Fahrtweg hat. Ich fahre sonst eine halbe Stunde ins Büro, diese Zeit kann man jetzt für andere Dinge nutzen." Auch wenn die Kommunikation per Videotelefonat gut funktioniere, fehle der soziale Kontakt. "Wenn man nur im Homeoffice ist, kommt man nicht mehr raus. Man hat nicht das Gefühl, dass man an der Gesellschaft teilnimmt", erklärt die Mutter von zwei Kindern.
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