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Interview: Experte zu Treffen von AfD und Identitären: Diktatorisches Regime als Ziel

Interview

Experte zu Treffen von AfD und Identitären: Diktatorisches Regime als Ziel

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    Bei der Kundgebung  „Demokratie verteidigen – Friedberg gegen rechts“ wandten sich Teilnehmer gegen Rechtsextremismus. Welche Ziele dieser hat, erklärt der Experte Cemal Bozoglu im Interview.
    Bei der Kundgebung „Demokratie verteidigen – Friedberg gegen rechts“ wandten sich Teilnehmer gegen Rechtsextremismus. Welche Ziele dieser hat, erklärt der Experte Cemal Bozoglu im Interview. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Herr Bozoglu, Sie beschäftigen sich seit den 1990er-Jahren mit Rechtsextremismus. Wie beurteilen Sie das Treffen von Mitgliedern der AfD und der Identitären Bewegung in Dasing?
    CEMAL BOZOGLU: Wir wussten, dass es eine Vernetzung gibt. Der Abgeordnete Christoph Maier (Memmingen) hat zum Beispiel sehr enge Verbindungen ins identitäre Umfeld. Bereits die "Wannsee-Lightversion"-Konferenz in Potsdam hat mich schockiert. Dass jetzt ein Treffen von Identitären und AfD in unserer Region stattfindet, hat eine neue Qualität. 

    Wie sehen Sie die rechtsextreme Szene in der Region, speziell im Landkreis Aichach-Friedberg?
    BOZOGLU: Die AfD-Hochburgen in Bayern liegen vor allem in Niederbayern sowie im Raum Wunsiedel. In Schwaben sind es der Raum Memmingen/Mindelheim sowie Donauwörth/Dillingen und auch Günzburg/Krumbach. Aichach-Friedberg hat die Besonderheit, dass hier auf Landesebene agierende Anhänger von Björn Höcke in der AfD aktiv sind. Dazu zählt Kreisvorsitzender Paul Traxl, der zu den Erstunterzeichnern der Gruppierung "Der Flügel" gehörte. Es wurden auch schon hiesige AfD-Politiker vom Verfassungsschutz beobachtet.

    Wie wollen Sie auf politischer Ebene mit diesem Treffen umgehen?
    BOZOGLU: Erstmals habe ich von dem Treffen in der "Aktuellen Stunde" im Landtags-Plenum von Innenminister Herrmann gehört, dann folgte gleich die umfassende Berichterstattung vor allem Ihrer Redaktion. Ich bereite eine Anfrage zu ausführlichen Informationen vor. Die Frage ist: Wer war dort? Waren andere Akteure dabei, zum Beispiel aus der Werteunion oder Reichsbürger-Szene? Und auch: Fanden solche Treffen in mehreren Orten in Deutschland statt und wie gehen die Beteiligten vor?

    Cemal Bozoglu ist Betreuungsabgeordneter der Grünen für den Landkreis Aichach-Friedberg und Experte für Rechtsextremismus.
    Cemal Bozoglu ist Betreuungsabgeordneter der Grünen für den Landkreis Aichach-Friedberg und Experte für Rechtsextremismus. Foto: Silvio Wyszengrad

    Sie sind als Jugendlicher aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Wie trifft Sie die Idee der sogenannten Remigration persönlich?
    BOZOGLU: Schon in den 1990er-Jahren, als in Deutschland Häuser brannten, habe ich mich gefragt: Haben wir hier eine Zukunft? Doch ich musste schon einmal meine Heimat auch aus politischen Gründen verlassen und habe beschlossen: Ich werde alles tun, damit das nicht noch einmal passiert. Die Kundgebungen gegen Rechtsextremismus geben mir Zuversicht, dass 70 Prozent der Menschen gegen diese Ideen sind und es auch zeigen. Ich selber bin robust, doch ich spüre, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund wahnsinnig bestürzt sind. 

    Die Stimmanteile der AfD steigen auch im Wittelsbacher Land. 
    BOZOGLU: Es ist zu beobachten, dass auch auf dem Land, wo der Anteil von Migranten niedrig ist und es den Menschen gut geht, die Zugänglichkeit für die AfD zunimmt. Es sind alte Hochburgen, in denen starker Konservatismus herrscht. In Krisenzeiten reichen den Menschen die Antworten der CSU dann nicht mehr. Das war auch in den 1990er.-Jahren im Hinblick auf die Republikaner so. 

    Aber die Wählerinnen und Wähler der AfD sind bei weitem nicht alle rechtsextrem. 
    BOZOGLU: Natürlich! Und wenn die Menschen wüssten, wen sie da wählen, würden sie sie nicht wählen. Grund ist oft Unzufriedenheit. Doch die gesellschaftlichen Vorstellungen, die Ziele der Hardliner in der AfD sind ganz andere. Sie arbeiten auf ein diktatorisches Regime hin, wozu sie die Mittel der Demokratie nutzen. Ich glaube, ab einem Anteil von 15 Prozent ist die Partei eine Gefährdung für die demokratische Grundordnung. 

    Mittlerweile bestätigte die AfD-Fraktion im Landtag, dass zwei ihrer Mitglieder an dem Treffen der Rechtsextremisten in Dasing teilgenommen haben. Sie sind seit 2018 Abgeordneter und Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen-Fraktion. Wie erleben Sie die AfD?
    BOZOGLU: Es war schon in der letzten Wahlperiode bekannt, dass es auf Abgeordnetenebene Kontakte in die rechtsextreme Szene gibt. Damals war die Fraktion gespalten, es gab Austritte. Bei der Wahl 2023 hat sich der rechtsextreme Flügel deutlich stärker durchgesetzt. Zwei Drittel haben Kontakte in die rechtsextreme Szene, das Verhalten im Landtag hat sich geändert. Es kommen nur plakative, provokante Äußerungen - keine Arbeitsleistung. Als Wähler muss ich mich fragen: Wen finanziere ich da mit meinen Steuergeldern? 

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    Eine bunt gemischte Menge schließt sich auf dem Oberen Stadtplatz der Aktion "Aichach bleibt bunt!" an. Mit Applaus, Trillerpfeifen und Plakaten zeigen sie ihre Haltung.

    Hat die Politik Mitschuld, wenn sich rechtsextremes Gedankengut verbreitet?
    BOZOGLU: Wir brauchen demokratische Geschlossenheit, das haben uns die Menschen auf der Straße gezeigt. Das lief während der Landtagswahl nicht gut. Doch nun müssen wir zusammenrücken. Die Menschen, die aktuell demonstrieren, verpflichten uns dazu. Dass wir trotz aller unserer unterschiedlichen Standpunkte zusammenstehen können, wenn es um ganz elementare Grundfesten der Demokratie geht: Das muss im Parlament und auch darüber hinaus gelten. Das erwarte ich auch von Markus Söder und Hubert Aiwanger. 

    Aber ist es nicht gefährlich, eine Partei, die bei der Landtagswahl auf fast 15 Prozent der Stimmen kam, in eine Ecke zu stellen?
    BOZOGLU: Die AfD hat sich schon immer als unbescholten und in der Opferrolle dargestellt. Aber nun wissen wir, dass sie Deportations-Pläne verfolgt. Sie pflegt Kontakte zu Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung, der eine Geldspende des rassistischen Christchurch-Attentäters erhalten hat. Wir müssen die AfD entlarven. Mittlerweile brauchen wir uns nicht mehr bemühen - sie entlarvt sich selber.

    Zur Person

    Cemal Bozoglu, 1961 geboren, kam nach seinem Abitur in Istanbul nach Augsburg. Er ist seit 2018 Landtagsabgeordneter der Grünen und seit der Landtagswahl 2023 Betreuungsabgeordneter für den Landkreis Aichach-Friedberg. Bozoglu gehört dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten an und ist Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus seiner Fraktion.

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