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Virus: Corona bringt Musiker in Existenznot

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Corona bringt Musiker in Existenznot

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    Reinhard Schelzig, Gitarrenlehrer aus Mering, unterrichtet per Interface von zuhause aus.  	
Foto: Wertvoll Fotografie
    Reinhard Schelzig, Gitarrenlehrer aus Mering, unterrichtet per Interface von zuhause aus. Foto: Wertvoll Fotografie

    Menschenansammlungen und soziale Kontakte sollen im Zuge der Corona-Pandemie vermieden werden. Deswegen werden Konzerte abgesagt und Musikschulen müssen schließen. Für freiberufliche Künstler im Wittelsbacher Land ist das existenzbedrohend. „Das ist der bisher größte spürbare Einschnitt“, erzählt Harry Alt. Er unterrichtet als selbstständiger Musiklehrer an der Friedberger Schule für Musik und hat eine eigene Band. Konzerte, zum Beispiel eines im Kurhaus Göggingen mit dem Entertainer Chris Kolonko, musste der Schlagzeuger erst einmal absagen.

    Auch für seine Band Harrycane Orchestra sei es bitter, berichtet Alt. Gerade erst hätten sie eine neue CD eingespielt. Die Präsentation soll nun verschoben werden. Für seine freischaffende Lehrtätigkeit versucht Alt den Schlagzeugunterricht nun online per Skype anzubieten. „Man wird sehen, ob das angenommen wird.“

    Ganz ähnlich ist die Situation bei Isabella Selder, die mit ihrem Kollegen Santiago Molina Gimberna das Gitarrenstudio Friedberg betreibt. Auch sie seien vorerst auf virtuellen Unterricht umgestiegen, berichtet Selder. Das Feedback von Eltern sei bisher sehr positiv. Selder, die als Künstlerin sowohl solo als auch im Duo unterwegs ist, hat alle eigenen Proben ebenfalls erst einmal gestrichen. „Ob die geplanten Konzerte im Mai und Juni stattfinden können, steht noch in den Sternen.“ Verbände wie der Tonkünstlerverband seien nun das Sprachrohr für freiberufliche Musikpädagogen und private Musikinstitute. Neben ihrer Selbstständigkeit ist Selder angestellt tätig. Das fange bei ihr die größten finanziellen Unsicherheiten vorerst ab.

    Darauf kann Stephanie Knauer, die in Friedberg Klavierunterricht gibt, nicht vertrauen. Ihr Lehrauftrag an der Universität Augsburg im Sommersemester steht noch infrage. Die Pianistin hat das Gefühl, dass die Schlinge immer enger wird. „Fällt ein ganzes halbes Jahr das Honorar weg, tut das natürlich sehr weh.“ Über zehn Konzerte seien bis Mai abgesagt worden. Unterrichten will auch Knauer nun per Skype. Trotzdem werde sie einen Antrag auf Soforthilfe beim Wirtschaftsministerium stellen. Dies ist, wie berichtet, ab Donnerstag auch für Künstler und andere Selbstständige möglich. In diesen Zeiten halten aber auch die Künstler untereinander zusammen.

    Man vernetze sich, erzählt auch Christine Pemsl. Sie ist Mitinitiatorin der Musikschmiede Kissing, einem Netzwerk von Musiklehrern. Für Pemsl, die Harfe und Blockflöte unterrichtet, ist das Coronavirus eine „ganz heikle Nummer“. Trotzdem appelliert sie an die Solidarität der Menschen. Man müsse nun eine Gemeinschaft bilden. Spendenaufrufe seien da ein guter Anfang. Als Übergangslösung versuchen die meisten Kollegen aus der Musikschmiede ihren Musikunterricht nun online anzubieten. Aber für viele sei das Neuland. Sie haben nicht das nötige Wissen und die Ausstattung, berichtet Pemsl. Das mache vielen Freiberuflern große Angst.

    Reinhard Schelzig, selbstständiger Gitarrenlehrer aus Mering, hat dagegen Glück. In der Music World Augsburg habe er das vorletzte Interface, eine technische Schnittstelle zwischen zwei Geräten, ergattert. Damit richte er daheim ein kleines Studio ein, aus dem er seine Schüler online an der E- und Akustikgitarre unterrichtet. Dass die Festivalsaison nun auf der Kippe steht, trifft den Gitarristen sehr. Wie berichtet, wurde zum Beispiel „Reggae in Wulf“ bereits wegen Corona abgesagt. Trotzdem sei er zuversichtlich. Das liege auch am Kontakt mit Kollegen.

    Diesen Optimismus teilt der Kirchenmusiker Helmuth Ott, obwohl die ausfallenden Gottesdienste problematisch für ihn sind. Auch Trauerfeiern in Kirchen finden nicht mehr statt. Er könne sich aber vorstellen, mit seinem Keyboard auf dem Friedhof Musik zu machen. Sorgen bereiten ihm eher die Menschen, die in der Krise allein sind und Angst haben. Als Kirchenmusiker ist er in Teilzeit angestellt. Künstler, die nur von ihrer freiberuflichen Tätigkeiten leben, hätten da ganz andere Probleme.

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