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Unfall auf der A8: Der Druck der Retter: Ein Rotkreuz-Mitarbeiter erzählt

Unfall auf der A8

Der Druck der Retter: Ein Rotkreuz-Mitarbeiter erzählt

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    Michael Weiß ist als First Responder für das Rote Kreuz im Einsatz.
    Michael Weiß ist als First Responder für das Rote Kreuz im Einsatz. Foto: BRK

    Ich stehe mit dem Fahrzeug vor der Dasinger Schule und will die Ausbildung der Schulsanitäter besprechen, als die Feuerwehrsirene ertönt und gleichzeitig mein Meldeempfänger einen Alarm meldet. Über Funk erhalte ich von der Integrierten Leitstelle die Daten auf das Navi und das Funkgerät. „Schwerer VU auf der A 8 Fahrtrichtung Stuttgart – mit Lkw – 4 Personen eingeklemmt.“ Ich bestätige den Einsatzauftrag, fahre aus dem Schulparkplatz heraus und schalte Blaulicht und Martinshorn ein.

    Bis zur Auffahrt auf die Autobahn in Dasing ist es kein Problem. Alle Autofahrer machen Platz, fahren nach rechts und halten an. Inzwischen höre ich das Martinshorn der Feuerwehr. „Ein Glück! Ich bin nicht allein. Mit meinen Mitteln an die Verletzten heranzukommen wird schwer oder unmöglich sein. Leben sie noch, bekommen sie noch Luft oder ist jemand schon tot? Wie viele müssen reanimiert werden?“ Diese Fragen schießen mir durch den Kopf. Auf der A 8 hat sich bereits ein Stau gebildet. Lkw stehen in der zweiten Reihe, Pkw-Fahrer auf der linken Fahrbahn stehen zum Teil mit ihrem Heck in die Rettungsgasse und zwingen mich immer wieder zum Anhalten.

    Ohne Rettungsgasse hat die Feuerwehr keine Chance

    Ich weiß, dass ohne diese Gasse die Verletzen keine Chance haben, auch wenn der Rettungshubschrauber vor Ort ist, denn die Verletzten herausholen kann nur die Feuerwehr mit ihrem Gerät. Hinten auf meinem Einsatzfahrzeug ist eine Aufschrift für die richtige Rettungsgasse mit Hinweispfeilen aufgebracht. „Rettungsgasse rettet (auch Ihr) Leben“, steht da. „Werden es die Autofahrer hinter mir lesen und sich daran orientieren?“. Ich zweifle daran, angesichts des Bildes, das sich mir bietet. Immer wieder muss ich anhalten, Fahrer durch Hupen auffordern, die Gasse etwas breiter zu machen.

    Vor mir sehe ich den ADAC-Hubschrauber landen. „Gott sei Dank! Ich bin nicht allein an der Unfallstelle!“ Endlic habe ich es geschafft. Ich fahre an den verunglückten Fahrzeugen vorbei und stelle mein Fahrzeug ab. Der Notarzt hat sich in ein Bild von der Lage gemacht und gibt seine Informationen über mein Fahrzeugfunkgerät an die Leitstelle durch, dann hole ich den Helm und die Sicherheitshandschuhe.

    Ich laufe zu den Unfallfahrzeugen, sehe, dass zum Glück alle Insassen am Leben sind. Die Türen sind verklemmt und lassen sich nicht öffnen, das mittlere Fahrzeug eingeklemmt zwischen Lkw und dem weiteren Unfallfahrzeug. Wir haben momentan nur eine Chance: über den Kofferrauman die Verletzten notdürftig heranzukommen. Der Notarzt klettert in die Unfallfahrzeuge und legt unter schwierigsten Bedingungen Infusionen und einen „Stiffneck“ zur Sicherung der Wirbel an, nachdem er sich ein Bild von den Verletzungen gemacht hat. Er versucht, die Verletzten zu beruhigen. Es gelingt dem Fahrer des einen Unfallfahrzeugs, sich durch das Aussteigen aus dem Kofferraum in Sicherheit zu bringen. Ich begleite ihn zum Rettungswagen.

    Die Beifahrerin ist schwer verletzt

    Endlich trifft die Feuerwehr ein. Nur mit Mühe konnte sie sich den Weg zur Unfallstelle bahnen. Die Seitentüren werden mit schwerem Werkzeug geöffnet. Für die schwer verletzte Beifahrerin habe ich den zweiten Helm aus meinem Einsatzfahrzeug geholt. Der Notarzt bittet sie, ihn aufzusetzen, damit sie nicht durch Splitter noch weiter verletzt wird. Ich bin mit im Unfallfahrzeug, als die Feuerwehr ihr schweres Gerät ansetzt. Es knirscht laut, Glas splittert, Knacken und Bersten von Blech ist zu hören. Eine psychisch schwierige Situation, wenn man verletzt ist und nicht weiß, wie schwer. Vor jeder Aktion erklärt der Notarzt der Frau genau, was passieren wird.

    Jetzt, da mehrere Kollegen vom Rettungsdienst vor Ort sind, kümmere ich mich um den Lkw-Fahrer und steige zu ihm ins Fahrerhaus. Er ist unverletzt, hat aber einen leichten Schock. Ich spreche mit ihm und er erzählt mir immer wieder, wie es passiert sei, versichert mir, dass das auch für ihn schlimm sei und er nichts dafür könne. Er muss fahren, hat viele Aufträge und der Chef erwartet, dass er pünktlich ist. Ich messe Blutdruck und Puls. Es passt. Ich teile dem Einsatzleiter mit, was ich festgestellt habe und dass wir für diesen Unfallbeteiligten keinen Platz in einem Rettungsfahrzeug benötigen. Inzwischen sind alle Verletzten in Fahrzeuge, die schwer verletzte Beifahrerin liegt im Rettungshubschrauber, der jetzt startet. Ich hole meinen zweiten Helm, den ich der Schwerverletzten gegeben hatte und verstaue ihn wieder im Fahrzeug. Der Notarzt bedankt sich bei mir und ich wünsche ihm einen guten Flug. Er hat hochprofessionell in dieser schwierigen Situation gearbeitet. Leichter wäre es für alle gewesen, wenn durch eine Rettungsgasse die Feuerwehr und die Kollegen vom Rettungsdienst schneller hätten vor Ort sein können. Ich melde mich beim BRK-Einsatzleiter ab, erhalte von der Leitstelle die Einsatznummer für das Protokoll.

    Ein Mann fährt unter Schock weiter

    Weiter entfernt seht ein Pkw am Straßenrand. Auch er ist beschädigt. Ich halte an und frage nach. Auch dieser Mann war in den Unfall verwickelt, fuhr aber wohl im Schock weiter, bis er am Straßenrand anhielt. Die Polizei sei schon bei ihm gewesen. Nun muss er warten. Ich frage nach Vorerkrankungen. Er erklärt, dass er unter an hohem Blutdruck leide. Ich messe seinen Blutdruck und den Puls. Er hat einen leichten Schock, will aber auf keinen Fall ins Krankenhaus oder zum Arzt. Ich bleibe eine Weile bei ihm bis der Abschleppwagen kommt. Er bedankt sich, dass ich mir die Zeit genommen habe, mich um ihn zu kümmern. Für mich als Rotkreuzler ist das eine Selbstverständlichkeit.

    Bei der Fahrt zurück nach Dasing fahre ich an dem langen Stau vorbei, der sich gebildet hat. Nun muss jeder warten ...

    Zur Person

    Der Bericht stammt von Michael Weiß. Er ist  ist ehrenamtlich für das Rote Kreuz tätig, er war beim Unfall auf der A 8 als „First Responder“ im Einsatz.

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