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Schloss Bellevue: Dasingerin mäht den Rasen in Gaucks Garten

Schloss Bellevue

Dasingerin mäht den Rasen in Gaucks Garten

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    Franziska Wolfschaffner mäht den Rasen in Gaucks Garten.
    Franziska Wolfschaffner mäht den Rasen in Gaucks Garten. Foto: Franziska Wolfschaffner

    Vier Schüler sind mitten in der Woche morgens auf dem Weg zum Bundespräsidialamt, um dort zu arbeiten. Denn wie jedes Jahr am Sozialen Tag können sie ihre Schulbank gegen einen Arbeitsplatz tauschen, um Geld für Jugend- und Bildungsprojekte auf dem Balkan zu verdienen. Und mit etwas Glück und viel Engagement landet man eben beim Bundespräsidenten.

    Unicef - weltweit Hilfe für Kinder in Not

    Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) wurde 1946 gegründet.

    Ziel war und ist es, hungernden Kindern im zerstörten Europa zu helfen.

    Auf der Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 sind heute Zehntausende Helfer im Auftrag von 36 nationalen Komitees in rund 150 Ländern aktiv...

    ...unter anderem in den Bereichen Ernährung, Wasser und Hygiene, Bildung und Erziehung oder Familienplanung.

    Unicef versorgt nach eigenen Angaben weltweit jedes zweite Kind mit Impfstoffen, stellt Schulmaterial bereit und setzt sich für Kinderrechte ein.

    Für das deutsche Komitee arbeiten 8000 ehrenamtliche Helfer.

    Unicef erhielt 1965 den Friedensnobelpreis.

    Schon die Ankunft am vergangenen Donnerstag hatte etwas Besonders, indem wir erst einen Security Check passieren mussten. Auch nicht üblich ist es, den Tag nach einer herzlichen Begrüßung mit ein paar Pressefotos vor dem Schloss Bellevue zu beginnen. So entspannt und prominent der Tag jedoch anfing, so anstrengend ging er weiter.

    Erste Aufgabe: Rasen mähen

    Was der gewöhnliche Tourist nicht sieht, ist der riesige Garten, der sich hinter dem Schloss erstreckt. An vier Tagen mähen die Gärtner hier in der Woche – jede Fläche zweimal und egal bei welchem Wetter. Glücklicherweise konnten wir uns über Sonnenschein freuen.

    Daraufhin frühstückten wir mit der versammelten Gärtner-Mannschaft. Die erzählten uns, dass auch Bundespräsident Joachim Gauck manchmal vorbeikomme und sich bei einem netten Gespräch Brötchen schnorre. Damit sich der Herr Bundespräsident in seinem fast elf Fußballfelder großen Garten auch richtig wohlfühlt, hieß es nach einem Kaffee dann wieder ran an den Handrasenmäher.

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Zwei Stunden lang schwitzten wir nun mit einem neuen Ziel vor Augen: dem Mittagessen. Schließlich wird die Kantine im Bundespräsidialamt von keiner Geringeren als der Fernsehköchin Sarah Wiener unterhalten und so wird aus einer einfachen Portion Tomate Mozzarella ein Drei-Gänge-Mittagessen mit Vor- und Nachspeise.

    Obamas Sicherheitsleute überprüfen die Anlage

    Gestärkt beendeten wir das, was wir schon den ganzen Tag taten, und so wurde auch der letzte Grashalm auf die richtige Größe gestutzt. Dabei konnten wir einen Empfang am Schloss Bellevue beobachten. Botschafterfrauen kamen und bewunderten das Werk der Gärtner. Doch auch anderer Besuch kehrte im Amtssitz des Bundespräsidenten ein – Barack Obamas Sicherheitspersonal checkte einmal die komplette Anlage. Für den Besuch des amerikanischen Präsidenten werden sogar Taucher in der Spree und Scharfschützen auf dem Dach des Schlosses stationiert sein.

    Apropos Schloss: Nach getaner Arbeit wartete auch eine kleine Belohnung auf uns und wir bekamen eine exklusive Führung von Angestellten in der sogenannten Liegenschaft. Über den Nordflügel mit seinen zahlreichen Arbeitszimmern hinweg gelangten wir in den Hauptteil des Schlosses. Die Atmosphäre strotzte nur gerade so von vergangenen Staatsbesuchen und verlieh den sowieso schon glänzenden und mit hochkarätigen Kunstwerken besetzten Räumen einen noch größeren Besonderheitsgrad.

    Die Bundespräsidenten der BRD

    Theodor Heuss (FDP): 1949 - 1959 Er war der erste Bundespräsident der BRD. "Papa Heuss", wie ihn der Volksmund liebevoll nannte, hat das Ansehen Deutschlands im Ausland maßgeblich verbessert. Der einstige FDP-Vorsitzende konnte viele seiner demokratischen Ideale im Grundgesetz verankern.

    Heinrich Lübke (CDU): 1959 - 1969 Seine Nominierung beruhte darauf, dass sich Konrad Adenauer, der eigentlich für das Amt vorgesehen war, zurückgezogen hatte. Die Presse hat ihn vielfach wegen seiner rhetorischen Ausrutscher verspottet. Er hat das Amt vorzeitig niedergelegt, als seine angebliche Nazi-Vergangenheit publik wurde.

    Gustav Heinemann (SPD): 1969 - 1974 Er verstand sich selbst als "Bürgerpräsident" und gab sich volksnah. Ursprünglich gehörte er der CDU an. Heinemann verließ die Christdemokraten, weil sich die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik nicht mit seinen moralischen Überzeugungen verinbaren ließ.

    Walter Scheel (FDP): 1974 - 1979 Der ehemalige Außenminister blieb nur für eine Amtszeit Bundespräsident. Im Rahmen einer Fernsehshow gab er, bevor er sein Amt antrat, eine eigene Interpretation des Volksliedes "Hoch auf dem gelben Wagen" zum Besten. Seine politischen Ambitionen vereitelte der damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt.

    Karl Carstens (CDU): 1979 – 1984 Charakteristisch für den Konservativen aus Norddeutschland war seine ausgeprägte Wanderleidenschaft. Seine Mitgliedschaft bei der NSDAP während der Nazi-Herrschaft hat ihm heftige Kritik eingetragen.

    Richard von Weizsäcker (CDU): 1984 - 1994 Der ehemalige Bürgermeister von Berlin hat vor allem durch seine Reden Akzente gesetzt. Er machte aus dem 8. Mai, dem "Tag der Niederlage", kurzerhand den "Tag der Befreiung". Als "Gewissen der Nation" erinnerte er an die Schuld des deutschen Volkes und kritisierte scharf den Parteienstaat.

    Roman Herzog (CDU): 1994 - 1999 Herzog war vor seiner Amtzeit Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Mit seiner berühmten Berliner "Ruck-Rede" versuchte er 1997, das Volk aus seiner Passivität zu befreien. Herzog hat sich sehr für den interkulturellen Dialog eingesetzt.

    Johannes Rau (SPD): 1999 - 2004 Er bemühte sich um die Integration ausländischer Mitbürger und setzte auf das Motto "Versöhnen statt spalten". Seine Bibelfestigkeit trug ihm den Spitznamen "Bruder Johannes" ein. Vor dem israelischen Parlament bat er um Verzeihung für den Holocaust.

    Horst Köhler (CDU): 2004 - 2010 Er war der erste Bundespräsident, der nicht zum politischen Establishment zählte. Köhler kritisierte die internationalen Finanzmärkte und äußerte sich vielfach zu gesellschaftspolitischen Themen. Als er öffentlich eine Notwendigkeit militärischer Einsätze in besonderen Fällen betonte, wurde er heftig kritisiert und trat anschließend von seinem Amt zurück.

    Christian Wulff (CDU): 2010 - 2012 Als er sein Amt als Nachfolger von Horts Köhler antrat, war er mit 51 Jahren der jüngste Bundespräsident in der Geschichte der BRD. Doch dann begann das Schlamassel. Von der Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits über kostenlose Urlaube bei Unternehmern bis zur staatlichen Mitfinanzierung einer umstrittenen Lobby-Veranstaltung: Christian Wulff sah sich über Monate hinweg mit vielen Vorwürfen konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft Hannover beantragte am 16. Februar 2012 beim Bundestag die Aufhebung der Immunität Wulffs, um strafrechtliche Ermittlungen einleiten zu können. Einen Tag später erklärte Wulff seinen Rücktritt.

    Joachim Gauck (Parteilos): 2012-2017 Joachim Gauck wurde 1940 in Rostock geboren. Nach dem Abitur studierte er Theologie. Von 1965 bis 1990 stand er im Dienst der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und arbeitete viele Jahre als Pastor. Am 18. März 2012 wählte die Bundesversammlung Joachim Gauck zum elften Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.

    Besonders war auch das Treffen mit Gaucks Chefsekretärin. Die zeigte uns gut gelaunt das Arbeitszimmer des Bundespräsidenten, in dem schon die Stühle für den anstehenden Besuch von Obama bereitstehen. Zum Abschluss wurde uns noch als Erinnerung ein persönliches Autogramm von Joachim Gauck überreicht.

    "Ein Jahr lang werde ich Kindern in Bosnien helfen"

    So arbeitsintensiv und zugleich interessant der Tag rund um das Schloss Bellevue und das Bundespräsidialamt auch war, umso mehr steht der soziale Aspekt im Vordergrund. So werde ich nach diesem Erlebnis nicht nur meinen Stundenlohn von zehn Euro, sondern auch meine Arbeitskraft an ein Projekt auf dem Balkan spenden.

    In werde ein Jahr in einem bosnischen Kinder- und Jugendzentrum verbringen, das gegen die Diskriminierung und für die Inklusion der Minderheit Roma kämpft. Bei dem Freiwilligendienst bei der Organisation Otaharin will ich den Kindern des Landes helfen, das nicht so gut gestellt ist wie das unsere. Damit sollen die Kleinen eine Chance auf Bildung und eine bessere Zukunft bekommen.

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