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Friedberg: Neues Baurecht wird in Friedberg diskutiert: Wohnraum statt Wohnqualität?

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Neues Baurecht wird in Friedberg diskutiert: Wohnraum statt Wohnqualität?

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    In den gewachsenen Wohnvierteln von Friedberg - hier der Bereich nördlich der B300 - ist Platz für Nachverdichtung. Wie weit soll der Stadtrat das zulassen?
    In den gewachsenen Wohnvierteln von Friedberg - hier der Bereich nördlich der B300 - ist Platz für Nachverdichtung. Wie weit soll der Stadtrat das zulassen? Foto: Aerobild Augsburg (Archivfoto)

    Für die Bayerische Staatsregierung ist es ein Schritt, um durch innerstädtische Verdichtung neuen Wohnraum zu schaffen. Kritiker fürchten jedoch, dass sich durch die Änderung der Bayerischen Bauordnung das Gesicht der Städte nachteilig verändern wird. Wie also soll die Stadt Friedberg umgehen mit der Verringerung der Mindestabstände zwischen Gebäuden, die bereits zum 1. Februar in Kraft tritt?

    Bisher sieht die Bayerische Bauordnung folgende Regeln vor:

    Auf der Giebelseite wird die Höhe der Giebelfläche mit einem Drittel berücksichtigt, wenn das Dach eine Neigung von bis zu 70 Grad aufweist. Bei einer stärkeren Dachneigung ist die Höhe vollständig zu erfassen.

    • Häuser müssen den Wert von 1 H zu ihrer Nachbarschaft einhalten. H berechnet sich aus der Wandhöhe eines Gebäudes, also der Abstand zwischen der Geländeoberfläche und dem Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut.
    • Zusätzlich ist auf der Traufseite eines Gebäudes die Höhe des Dachs je nach Neigung mit einem Drittel bzw. auch vollständig einzubeziehen.
    • Auf der Giebelseite wird die Höhe der Giebelfläche mit einem Drittel berücksichtigt, wenn das Dach eine Neigung von bis zu 70 Grad aufweist. Bei einer stärkeren Dachneigung ist die Höhe vollständig zu erfassen.
    • Erleichterung bietet das sogenannte 16-Meter-Privileg. Es ermöglicht einem Bauherrn, die Abstandsfläche an bis zu zwei Außenwänden eines freistehenden Gebäudes, die nicht länger als 16 Meter sein dürfen, auf die Hälfte der grundsätzlich vorgegebenen Abstandsflächentiefe zu reduzieren.
    • Für Kerngebiete, Gewerbe- und Industriegebiete gelten verringerte Werte. Stets einzuhalten ist aber ein Mindestabstand von drei Metern.

    Nach der Novellierung der Bauordnung gilt dies:

    • Häuser müssen nur noch 0,4 H Abstand einhalten und zwar in allen Gebieten mit Ausnahme von Gewerbe- und Industriegebieten. Hier soll sogar eine Abstandsfläche von 0,2 H genügen. Weiterhin gilt aber der Mindestabstand von drei Metern.
    • Dabei ist auf der Traufseite die Höhe des Dachs vollständigzu berücksichtigen, wenn die Dachneigung 70 Grad übersteigt, bei einer geringeren Dachneigung zu einem Drittel.
    • Auf der Giebelseite ist künftig die gesamte Wand einschließlich der Giebelfläche der Maßstab für die Tiefe der Abstandsfläche, sodass die Abstandsfläche vor der Giebelseite eines Gebäudes nicht mehr notwendigerweise rechteckig sein muss, sondern in ihrer Form von der Gestalt der Giebelseite abhängt. Dadurch kann es unter Umständen zu - aus Sicht des Bauherren - ungünstigeren Abständen kommen.
    • Das 16-Meter-Privileg entfällt.

    Allerdings haben Kommunen auch die Möglichkeit, eigene Satzungen zu erlassen, die einen größeren Mindestabstand als 0,4 H verlangen. Dabei drängt die Zeit, denn bereits zum 1. Februar soll die neue Bauordnung in Kraft treten. Das Baureferat der Stadt Friedberg hat darum in den vergangenen Wochen seine Kräfte darauf konzentriert, nach einer Lösung zu suchen, die einerseits eine maßvolle Verdichtung zulässt, andererseits auch die Nachbarinteressen schützt.

    Abstandsregeln im Baurecht: Friedberger Stadtrat muss entscheiden

    Klar ist nach den Worten von Baureferentin Lillian Sedlmair, dass angesichts des sehr inhomogenen Stadtgebiets keine einheitliche Lösung für ganz Friedberg gefunden werden kann. Entweder keine Satzung oder differenzierte Festlegungen - vor diese Wahl sieht sich die Kommunalpolitik nun gestellt.

    Im Bauausschuss des Stadtrats präsentierte Sedlmair einen Lösungsvorschlag, der die gesetzliche 0,4-H-Regelung nur für folgende Bereiche anwendet: die Schrebergärten, das Segmüller-Gelände und das Sanierungsgebiet an der Ach unterm Berg, die Altstadt, die äußere Ludwigstraße, die Bahnhofsvorstadt, den Bereich östlich der Münchner Straße und das Schulzentrum am Volksfestplatz. Außerhalb dieser Zone bestehen meist Bebauungspläne, die angesichts enger Festlegungen und kleiner Baufenster ohnehin nur eine begrenzte Nachverdichtung zulassen.

    Den gewachsenen Stadtvierteln von Friedberg droht Gefahr

    Anders sieht es bei den gewachsenen Wohngebieten mit Gartenstadtcharakter aus, wie es sie noch in Friedberg-West oder -Ost gibt. Dort besteht angesichts großer Grundstücke die Möglichkeit, dass mit der neuen gesetzlichen Abstandsregelung massiver gebaut werden dürfte, als es derzeit der Fall ist. Hier könnte mit einer eigenen Satzung ein "moderates Nachverdichtungspotenzial" geschaffen werden, so Sedlmair.

    Bürgermeister Roland Eichmann (SPD) sieht den Konflikt zwischen Siedlungsdruck und dem Wunsch nach gesunden Lebensverhältnissen. Denn durch die kleineren Abstandsflächen rücken die Häuser nah aneinander heran und sorgen unter Umständen für eine stärkere Verschattung während der Herbst- und Wintermonate.

    Wolfgang Rockelmann (Parteifreie Bürger) warnte als Architekt vor den "gigantischen Auswirkungen" der Baurechtsnovelle. Wenn die Giebelwand künftig einen größeren Abstand zur Nachbarschaft einhalten müsse, würden immer mehr Flachdächer entstehen und sich die Stadtstruktur noch weiter verändern. "Das Satteldach gehört damit der Geschichte an", fürchtet er.

    Werden Bauherren in Friedberg ungleich behandelt?

    Simone Hörmann von und zu Guttenberg sah die Gefahr einer Ungleichbehandlung. Bauherren, die sich benachteiligt fühlen, könnten gegen die Stadt klagen. Baureferentin Sedlmair räumte ein, dass eine großräumige Betrachtung auch eine Fehleranfälligkeit beinhalte.

    In der Stadtratssitzung am kommenden Donnerstag will sich der Stadtrat abschließend mit dem Thema beschäftigen. Die Zeit drängt, denn die Satzung muss bis zum 1. Februar in Kraft treten; ansonsten könnte die Stadt schadensersatzpflichtig werden, wenn sie die Rechte der Bauherren nachträglich einschränkt.

    Lesen Sie dazu den Kommentar von Thomas GoßnerBauen in Friedberg: Wozu der ganze Aufwand?

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