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NS-Regime in Friedberg: Ein Spaziergang in dunkle Tage

NS-Regime in Friedberg

Ein Spaziergang in dunkle Tage

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    Damals und heute: Das Kriegerdenkmal in der Bahnhofstraße wurde 1923 errichtet und den Gefallenen im 1. Weltkrieg gewidmet. Die Nationalsozialisten verstärkten diesen Kult durch Rituale. Auf dem Bild feiern sie den zum „Heldengedenktag“ umbenannten Volkstrauertag mit Flammenschüsseln und Kranzniederlegungen.
    Damals und heute: Das Kriegerdenkmal in der Bahnhofstraße wurde 1923 errichtet und den Gefallenen im 1. Weltkrieg gewidmet. Die Nationalsozialisten verstärkten diesen Kult durch Rituale. Auf dem Bild feiern sie den zum „Heldengedenktag“ umbenannten Volkstrauertag mit Flammenschüsseln und Kranzniederlegungen. Foto: Stadtarchiv Friedberg

    Stramme Aufmärsche begleitet von Flammenschalen und Hakenkreuzen – das sehen einige der Menschen noch vor sich, die sich jetzt beim Friedberger Rathaus versammelt haben. Denn der Marienplatz war zwischen 1933 und 1945 das Zentrum der Friedberger Nationalsozialisten. Bürgermeister Franz-Xaver Schambeck und seine Parteifreunde hielten hier Propaganda-Veranstaltungen aller Art ab. An zentrale Orte des Regimes erinnerte nun der SPD-Ortsverein mit einem Spaziergang.

    Unter dem Motto „Hier ist es gewesen“ berichteten die Mitglieder, welche Rolle etwa der Bauernbräukeller hat. Hier trafen sich die Parteimitglieder zum Gespräch. Das heutige Polizeirevier diente als Gefängnis und in der Bar „Samok“ war früher ein Theater mit fast 400 Sitzplätzen beheimatet. Nicht mehr erhalten ist dagegen das ehemalige Mezgergut. Hier befand sich der Sitz der NS-Kreisleitung, die in einem prachtvollen Anwesen residierte. Heute stehen auf dem Gelände Stadthalle, Grundschule und Stadtgarten, den 1938 die Nazis angelegt hatten.

    Viele Orte, wie etwa das Rathhaus, das die Machtzentrale des Bürgermeisters Schambeck bildete, spielen heute noch eine wichtige Rolle. Doch wie spielte sich die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten überhaupt ab? Warum lief alles so reibungslos und wie schlug sich diese Macht in der Kommunalpolitik nieder? Unter anderem diesen Fragen ist Moritz Goj nachgegangen. Der 30-Jährige ist in seinem Element. Er gestikuliert mit seinen Armen, spricht über die Nazizeit und beantwortet zwischendrin Fragen. Damit kann der Geschichtslehrer umgehen, doch diesmal hat er keine Schulklasse vor sich. Etwa 40 Personen sind zu seinem Vortrag im Anschluss an den Stadtrundgang gekommen. Die meisten Zuhörer sind älter als er.

    Im Rahmen seiner Zulassungsarbeit hat der Friedberger die Kommunalpolitik seiner Heimatstadt während der NS-Zeit untersucht und ist zu interessanten Ergebnissen gekommen. Diese stellte er nun erstmals der Öffentlichkeit vor. Warum er dieses Thema gewählt hat? „Ich habe eine ähnliche Arbeit über Augsburg gelesen. Ich habe es dann auf Friedberg übertragen“, sagt Goj, fügt aber hinzu: „Ich bin der Stadt verbunden und regionale Themen können auch ganz interessant sein. Die Zeit von 1933 bis 1945 bietet sich natürlich an.“ Damit ist er der Erste, der die Friedberger NS-Zeit wissenschaftlich unter die Lupe genommen hat.

    Im Anschluss an die Schilderungen des Experten, der rund ein Jahr lang die Dokumente im Friedberger Stadtarchiv durchforstet hat, entbrannte eine lebhafte Diskussion. Ein Mann erzählte von seinen Jugenderlebnissen, ein anderer kommentierte die Entnazifizierungsverfahren. Eine Frage brannte den Zuhörern besonders auf der Zunge: Wie nationalsozialistisch waren die Friedberger? In diesem Punkt musste Goj sein Publikum enttäuschen. Er argumentiert ausschließlich auf der Grundlage der Dokumente, die er bei der Recherche gefunden hat. Das macht er immer wieder klar. Über bestimmte Bereiche könne man einfach keine Aussagen machen, sagt er.

    Die Zuhörer sind trotzdem zufrieden, auch Rüdiger Lischka. Der 75-Jährige war einst Lehrer von Moritz Goj: „Ich finde es toll, was er gemacht hat. Er hat eine Lücke gefüllt, auch wenn nicht alles aufgeklärt werden kann.“ Dass der junge Goj sich mit der Materie beschäftigt ist für Lischka nicht überraschend: „Die Jüngeren interessieren sich meist mehr als ihre Eltern. Die sind einfach unbelasteter.“

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