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Mering: Was eine Vergewaltigung auslöst

Mering

Was eine Vergewaltigung auslöst

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    Eine Vergewaltigung wirkt erheblich traumatisierend. Frauen, die versuchen, das schreckliche Erlebnis zu verdrängen, werden meist davon wieder eingeholt und leiden oft noch Jahre später unter den Folgen.
    Eine Vergewaltigung wirkt erheblich traumatisierend. Frauen, die versuchen, das schreckliche Erlebnis zu verdrängen, werden meist davon wieder eingeholt und leiden oft noch Jahre später unter den Folgen. Foto: coehm – Fotolia (Symbol)

    Der Fall sorgte für Entsetzen weit über die Grenzen Merings hinaus. Im September 2015 überfiel ein Mann nahe des Bahnhaltepunktes St. Afra eine 16-Jährige und vergewaltigte sie. Wie berichtet, muss sich der mutmaßliche Täter nun in Bamberg vor Gericht verantworten. Dem 27-jährigen Tunesier werden noch weitere Taten vorgeworfen. Er soll auch versucht haben, sich an zwei Frauen in Franken zu vergehen.

    Adolf Prändl vom Weißen Ring bietet in der Region Augsburg Hilfe für Vergewaltigungsopfer an. „Diese Frauen sind erheblich traumatisiert“, sagt er. Das wirke sich unterschiedlich aus. „Es gibt Frauen, die die Erlebnisse verschweigen, die alles verdrängen.“ Nach ein paar Monaten oder Jahren hole sie das schreckliche Erlebnis jedoch erfahrungsgemäß ein. Plötzlich leiden sie unter Atemnot, Schwindelanfällen und Angstzuständen. Es folgen Depressionen. Manche Opfer verbarrikadieren sich in der eigenen Wohnung, gehen nicht mehr in die Öffentlichkeit.

    Die Mitarbeiter des Weißen Rings bieten den Betroffenen Gespräche an. „Sofern das erwünscht ist“, sagt Prändl. Der Experte betont, dass die Opfer nicht gedrängt werden, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. „Wir sprechen es neutral an, was sie letztendlich machen, ist ihre Entscheidung.“ Dabei geht es darum, bei der Polizei Anzeige zu erstatten und einen Anwalt einzuschalten. Auch im Hinblick auf einen möglichen Prozess und Anspruch auf Schwerzensgeld beraten die Mitarbeiter. Eventuell stehen den Frauen Opferentschädigungsleistungen zu. Wichtige Spezialisten sind Traumatherapeuten, die den Frauen helfen können, die schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten.

    Allerdings sieht Prändl hier ein großes Problem. Es gibt nur wenige auf diesen Bereich spezialisierte Psychotherapeuten, die eine Kassenzulassung haben. Daher müssen die Opfer oft anderthalb bis zwei Jahre warten, bevor sie überhaupt ein erstes Gespräch führen können. „Das ist eine absolute Katastrophe“, sagt Prändl. Andere Therapeuten müssen aus eigener Tasche bezahlt werden, was sich laut dem Experten die meisten Opfer nicht leisten können.

    Immerhin gelingt es ihm meist, die Betroffenen in kurzer Zeit bei Therapeuten ohne Kassenzulassung für ein Kriseninterventionsgespräch unterzubringen. Das erstreckt sich über zwei Termine. Bei Bedürftigkeit übernehme der Weiße Ring die Kosten. „Aber wir können natürlich keine ganze Therapie bezahlen.“ Auch für die Familien der Opfer bedeutet die Tat einen schrecklichen Einschnitt. Angehörigen empfiehlt Prändl, sich um die Frauen zu kümmern, aber dabei möglichst „normal“ zu verhalten. „Sie sollten sie nicht wie ein rohes Ei behandeln.“ Niemals sollten Angehörige fragen, was passiert ist. Das könnte das traumatische Erlebnis wieder hervorrufen.

    Für die Opfer sei es schwer genug, die Tat bei der Polizei und vor Gericht zu schildern. „Ich frage überhaupt nicht, was passiert ist“, sagt Prändl. Er müsse für die Beratung wissen, ob es sich um eine Vergewaltigung oder einen sexuellen Übergriff handele, auf weitere Details verzichte er bewusst.

    Auf das junge Opfer aus Mering kommt am Mittwoch ein schwerer Gang zu. Vor Gericht trifft sie wieder auf ihren Peiniger und muss aussagen. Laut ihrem Anwalt bleibt das der jungen Frau nicht erspart, da der Angeklagte beim ersten Verhandlungstag kein vollumfängliches Geständnis abgelegt hatte. Opferschützer Prändl sagt, dass es für die Betroffenen eine äußerst große Belastung sei, die Täter wiederzusehen. Die Mitarbeiter des Weißen Rings versuchen zwar, die Betroffenen darauf vorzubereiten. Aber das sei nur „ein stumpfes Schwert“. Prändl kann nachvollziehen, dass sich die Richter ein eigenes Bild machen möchten. Er sagt aber auch: „Ich bin der Meinung, dass das Verhör bei der Polizei reichen müsste.“

    Kontakt Der Weiße Ring bietet ein Opfer-Telefon an. Wer eine Straftat erlebt hat, findet unter der Nummer 116006 Hilfe bei geschulten Beratern, die täglich von 7 bis 22 Uhr erreichbar sind. Das Angebot ist kostenfrei.

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