Das größte Problem sei die Angst, etwas falsch zu machen, weiß Jochen Müller. Die meisten trauen sich bei der Herzdruckmassage nicht richtig ran. Dabei könnte ein Großteil der Menschen, bei denen Herzkammerflimmern auftritt, gerettet werden.
Aber ausgebildete Ersthelfer und das Netz an frei zugänglichen Defibrillatoren sind rar. Unermüdlich ist deshalb der Verein "Bürger retten Leben" mit Sitz in Kissing im Kampf gegen den plötzlichen Herztod im Einsatz. Die Mitglieder leisten Aufklärung und setzen sich für ein flächendeckendes Netz von öffentlich zugänglichen Geräten, den sogenannten automatisierten externen Defibrillatoren (AED) ein.
Verein will mit Gemeinde Mering eine Broschüre veröffentlichen
In dieser Sache sprach der Kissinger Vereinsvorsitzende nun auch beim Meringer Bürgermeister vor und rannte offene Türen ein. "Sobald die Corona-Pandemie wieder mehr Veranstaltungen zulässt, wollen wir gemeinsam Aktionstage veranstalten und unsere Bürger aufklären", erklärt Florian Mayer. "Wir haben einige Defibrillatoren in Mering, aber jeder sollte auch wissen, wo die Standorte sind." Darum plant der Verein zusammen mit der Gemeinde auch die Herausgabe einer Broschüre und bittet auch darum, der Gemeinde weitere Standorte zu melden.
"Defibrillatoren in der Umgebung findet man auch in unserem Standortverzeichnis, das wir zusammen mit Citizens save lives (CISALI), dem globalen Pendant zu unserem Verein betreiben", erklärt Müller. Mittlerweile ist auch eine kostenlose App für Android und für Apple erhältlich, die zeigt, wo Defibrillatoren zu finden sind. Ein Blick darauf verzeichnet in Mering acht öffentlich zugängliche Defibrillatoren. Das Problem ist jedoch, dass diese nicht alle rund um die Uhr zugänglich sind, sondern manche nur zu Geschäftszeiten oder in der Schule nur während des Unterrichts. "Das sollte man natürlich wissen, wenn man im Notfall losrennt, um den Defi zu holen", betont Mayer.
Weitere öffentlich zugängliche Geräte in seiner Gemeinde sind ihm auf jeden Fall ein Anliegen. Im Rahmen der Aktion Herzsichere Kommune kooperiert der Verein auch mit den örtlichen Rettungs- und Hilfsorganisationen. "Denn wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zu den bewährten Institutionen, sondern unterstützen sie bei ihrer Arbeit", erklärt Müller. Ein besonderes Anliegen des 2015 gegründeten Vereins "Bürger retten leben" ist es auch, die Menschen für das Thema "Plötzlicher Herztod" zu sensibilisieren. Die meisten denken, sie sind gesund und das betrifft sie nicht, aber das Herzkammerflimmern kann unvermittelt bei jedem auftreten. So brach bei einer Aktion in einer Schwabmünchner Schule vor drei Jahren ein 14-jähriges Mädchen plötzlich zusammen und konnte durch den Einsatz eines Defibrillators gerettet werden. "Seitdem sind wir jedes Jahr an dieser Schule und üben klassenweise die Wiederbelebung", erzählt Müller.
Plötzlicher Herztod: Verein aus Kissing hat rund 200 Mitglieder
Er selbst begann auf den Wunsch seines herzkranken Patenkinds sein Engagement im Verein, dessen Vorsitz er später übernahm. "Ich konnte schon bei drei Lebensrettungen dabei sein und bin deshalb rundum überzeugt von unserem ehrenamtlichen Einsatz", betont Müller. Vor allem Berichte von Betroffenen, denen geholfen werden konnte, führen dazu, dass Menschen ein offenes Ohr haben. Rund 200 Mitglieder hat der Verein, der sich durch Spenden finanziert, inzwischen, und vor Corona waren diese fast jedes Wochenende irgendwo im Einsatz. Vor allem bei Festen und anderen Veranstaltungen nutzen die Engagierten die Chance, an die Öffentlichkeit zu treten. So wurde im vergangenen Jahr auch beim Kissinger Blutspendetag der Gebrauch des Defibrillators vorgeführt und Interessenten die Gelegenheit gegeben, das auch zu üben. Die Geräte sind so konzipiert, dass sie auch ein Laie bedienen kann.
Ein Defibrillator kann den natürlichen Herzrhythmus wiederherstellen, wenn jemand lebensbedrohliche Rhythmusstörungen hat. Dazu werden über Elektroden auf der Brust des Betroffenen Stromstöße abgegeben. "Allein in Deutschland sind jährlich mindestens 150.000 Menschen von Herzkammerflimmern betroffen", erklärt Müller. "Gut ein Drittel kann gerettet werden, und dabei kommt es auf jede Minute an." Darum ist es gut zu wissen, wo ein Defi griffbereit ist. "In Mering könnten wir gut noch weitere Geräte brauchen", ist Bürgermeister Mayer bewusst. "Ich denke da beispielsweise auch an den Vorraum der Sparda-Bank im Gewerbegebiet St. Afra als geeigneten Standort." Laut Müller gibt es inzwischen 16 Hersteller von Defibrillatoren, und ein Gerät kostet je nach Ausstattung zwischen 1200 und 2500 Euro. Viele Gemeinden setzen auf Firmen, die einen Defibrillator sponsern, der an einem gut zugänglichen, aber geschützten Ort Leben retten kann.
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