Fahrten in mehrere Stadtarchive und Standesämter und Kosten von mehreren Hundert Euro investierte Helmut Schuierer aus Mering, um eine bleibende Erinnerung für seine Kinder und Enkelkinder, aber auch die Verwandten zu hinterlassen. Nach vier Jahren intensiver Recherche und harter Arbeit am Computer liegen ihm als Ergebnis endlich die drei Familienchroniken als Entwurf vor. Er wird sie in Kürze für alle noch lebenden Verwandten drucken lassen und bei einem weiteren Familientreffen vorstellen.
Es war vor dem 80. Geburtstag, als sich der inzwischen 82-jährige Meringer Helmut Schuierer entschied, für seine Kinder, Enkel und Familienangehörigen eine Familienchronik zu verfassen. "Was wissen eigentlich meine Enkel über unser Leben oder das unserer Eltern?", fragte er sich plötzlich. Wenn er sich auf die Suche nach seinen Vorfahren machen und alles genau niederschreiben würde, würden sie erfahren, was der Vater seiner Frau vom Krieg in Russland berichtete und auf welche Weise er dort starb oder warum seine Mutter bis zu ihrem Tod nicht wusste, wer ihr Vater war.
Bei den Arbeiten für die Familienchroniken stieß Helmut Schuierer auf Briefe, die der Schwiegervater an die Frau und die kleine Tochter zum ersten Geburtstag geschrieben hatte. Er hatte ihr mitgeteilt, dass er in dem "wichtigen Kampf gegen den Feind" sei und sich nach dem Sieg darauf freue, sie endlich einmal sehen und in die Arme nehmen zu können. Sowohl Schuierers Eltern als auch die Eltern seiner Frau lebten in Augsburg. Seine Eltern hatten ein einfaches Leben, der Vater arbeitete als Dreher, seine Mutter war mit drei Kindern Hausfrau. Er erzählt, dass seine Mutter als lediges Kind auf die Welt kam und bis zu ihrem Tod nichts über ihren Vater erfuhr. Erst durch seine Nachforschungen im Augsburger Stadtarchiv kam er darauf, dass sein Großvater ein Offizier war und sich im Jahr 1912 in der Kaserne im Alter von 22 Jahren wegen des unehelichen Kindes erschossen hatte.
In den Archiven von Augsburg und Bayreuth wurde der Meringer fündig
Helmut Schuierer erwähnt, dass er zuerst mit der eigenen Lebensgeschichte begann. Interessant war für ihn im Jahr 2019 ein Zeitungsartikel in der Friedberger Allgemeinen wie man seine Ahnen wiederfindet. Zu einem Verwandtschaftstreff mit 80 Personen am 24. April 1995 hatte er schon einen einfachen Stammbaum auf Papier erstellt. Um zu erfahren, wo er die erforderlichen Informationen für die Familienchronik bekommen würde, besuchte er außerdem noch einen Vortrag im Augsburger Stadtarchiv. Er schrieb daraufhin Standesämter, Staatsarchive und Kirchenämter an. Erst ab 1876 gab es nämlich die Standesämter, vorher existierten nur die Kirchenbücher, weiß Schuierer. Für die Originalurkunden bezahlte er 300 bis 400 Euro. Außerdem bat er seine Verwandten um Fotos und Unterlagen. Mit dem Programm "Stammbaumdrucker" und "Ahnenblatt" verfasste er am Computer die Familienchronik. "Sie umfasst neun Generationen mit 200 Personen über den Zeitraum von 1720 bis 2021", verrät er begeistert.
Von allen Personen erfasste er Geburts- und Todesdatum, Hochzeit, Taufen, Kinder und besondere Anekdoten. Erst durch Postkarten erfuhr Schuierer, dass seine Großmutter mütterlicherseits zwei Liebschaften hatte und machte sich auf die Suche nach seinem Großvater. Durch einen sogenannten "Sippenfragenbogen" im Augsburger Stadtarchiv und im Staatsarchiv Bayreuth wurde er fündig: Seine Mutter musste hier 1939 den Namen des Vaters ihres im Jahr 1912 geborenen Kindes angeben. Der Grund hierfür war, dass seine Eltern für ein Ehestandsdarlehen einen Nachweis über ihre Abstammung vorlegen mussten. Außerdem erfuhr er, dass der Name früher Schoyerer lautete, was so viel wie Scheuern oder die Getreideernte einbringen heißt.
Eine interessante Person aus der Familienchronik war sein Onkel Gustav Schuierer, der Bruder seines Vaters. "Er ist mir sehr ähnlich, denn er hat Kindheitserinnerungen für seine fünf Kinder auf 107 Schreibmaschinenseiten festgehalten", erklärt er. Diese hat Schuierer mit in die Chronik aufgenommen. Der Onkel erzählte unter anderem, wie er nach Ende des Zweiten Weltkrieges von München nach Augsburg gelaufen sei und einer amerikanischen Patrouille begegnete. Aus Angst habe er versucht, polnisch zu sprechen und sie glaubten es ihm sogar und ließen ihn weiterlaufen. Schuierers Mutter Josefa hatte mit 94 Jahren das längste Leben der gesamten Generationen vor ihr, erfuhr er. Sie wurde 1912 geboren und starb im Jahr 2006. "Da ich zu spät mit dem Schreiben begann, konnte ich sie nicht mehr fragen", bedauert er.
Im Nachwort verrät er, dass der Name "Schuierer" in Augsburg aussterben werde, weil es fast keine männlichen Nachkommen mehr gibt. Gerne möchte er andere aufgrund seiner Erfahrungen dazu animieren, sich rechtzeitig an die Erstellung einer Familienchronik zu wagen.