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Merching: Giftige Blaualge im Mandichosee lockt Hunde mit ihrem Duft

Merching

Giftige Blaualge im Mandichosee lockt Hunde mit ihrem Duft

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    Wegen des Befalls mit gefährlichen Blaualgen wurde für den Mandichosee ein Badeverbot verhängt. Mehrere Hunde hatten offenbar Seewasser getrunken und waren anschließend gestorben.
    Wegen des Befalls mit gefährlichen Blaualgen wurde für den Mandichosee ein Badeverbot verhängt. Mehrere Hunde hatten offenbar Seewasser getrunken und waren anschließend gestorben. Foto: Philipp Schröders

    Drei Hunde sind an der Lechstaustufe 23 gestorben. Ursache ist das Gift der Blaualge Tychonema, die hier alle Verantwortlichen vor Herausforderungen stellt. Wo treten Blaualgen, wissenschaftlich eigentlich Cyanobakterien, allgemein auf und wie verhalten sie sich?

    Jutta Fastner: Blaualgen kommen vereinzelt in jedem Gewässer vor. Wenn allerdings ein Gewässer zu viele Nährstoffe enthält, vermehren sie sich massenweise. Die Fähigkeit einiger Arten, Giftstoffe zu bilden, wird dann zum Problem.

    Wie gefährlich ist dieses Gift?

    Fastner: Man unterscheidet zwei verschiedene Sorten. Es gibt Blaualgen, die Lebergifte produzieren und welche, die – wie hier die Tychonema – Nervengifte erzeugen. Bei beiden gilt jedoch, dass das Gift nicht über den Hautkontakt wirkt, sondern nur, wenn es geschluckt wird. Bei einem normalen Schwimmer geht man davon aus, dass er maximal 50 bis 100 Milliliter Wasser aufnimmt. Und das reicht in der Regel nicht für eine akute Vergiftung.

    Besteht dann überhaupt eine Gefahr?

    Fastner: Für einen Erwachsenen vermutlich nur, wenn er am Ertrinken wäre und extrem viel Wasser schluckt. Es ist aber bei den Nervengiften schon so, dass es gefährlich werden kann, wenn ein relativ kleines Körpergewicht und eine hohe Konzentration der Toxine zusammentreffen. Dann kann das tatsächlich zum Tod führen. Kleine Kinder muss man daher besonders schützen. Vor allem sind aber Hunde gefährdet.

    Warum das?

    Fastner: Es scheint, dass Hunde gezielt auf Blaualgen gehen und sie fressen. Es gibt auch eine Vermutung warum, das so ist. Diese Cyanobakterien bilden Geosmin, das einen muffigen Geruch und Geschmack erzeugt. Möglicherweise mögen das die Hunde. Man beobachtet jedenfalls, dass sie immer dort hin gehen, wo die Konzentration am höchsten ist. Bei erwachsenen Menschen besteht diese Gefahr nicht. Bei Kindern sollte man aufpassen, dass sie möglichst kein Wasser schlucken oder Sand in den Mund nehmen.

    Die Behörden wie das Gesundheitsamt tun sich am Mandichosee schwer, weil sie keine Erfahrungen mit dieser Algengattung haben. Ist die Tychonema bei uns wirklich so selten?

    Fastner: Ja. Als sie 2017 am Tegeler See in Berlin als Ursache für den Tod vieler Hunde ausfindig gemacht wurde, haben wir das als absoluten Ausnahmefall betrachtet. Denn die Tychonema kommt eigentlich eher in den kalten, klaren Gewässern in nördlichen Gefilden vor. Auch in Berlin tritt sie vor allem im Frühjahr auf. Bekannt ist sie uns außerdem vom Gardasee. Auch hier kommt sie im Frühjahr und verschwindet im Sommer. Insofern ist das Vorkommen am Mandichosee wirklich ungewöhnlich. Wir versuchen Forschungsgelder zu bekommen, um das genauer zu untersuchen. Anders als andere Blaualgen färbt die Tychonema die Gewässer nicht ein und ist deswegen kaum sichtbar.

    Wie giftig ist die Blaualge im Mandichosee wirklich?

    Vielleicht ist sie dann gar nicht so selten, wie man bisher dachte.

    Fastner: Das ist eben die Frage. Bemerkbar macht sie sich erst dann, wenn sie sich wie in Berlin oder jetzt am Mandichosee massenhaft vermehrt. In Neuseeland hingegen werden die Gewässer regelmäßig auf am Gewässergrund wachsende Cyanobakterien wie Tychonema untersucht. Es gilt dort auch die offizielle Empfehlung, Hunde nicht an Seen oder Flüssen trinken zu lassen.

    Wie ist im Mandichosee die Vermehrung dieser Blaualgen abgelaufen?

    Fastner: Bei der Tychonema gibt es drei verschiedene Arten. Während wir in Berlin die Art hatten, die an und zwischen Wasserpflanzen vorkommt, lebt die Tychonema vom Mandichosee am Gewässergrund. Wenn sie sich vermehrt, bildet sie Matten, so ähnlich wie Moospolster, die kleine Luftbläschen machen. Dadurch kann sie auftreiben und wegdriften. In diesen Matten ist die Giftkonzentration wesentlich höher als im freien Gewässer. Das untersuchen wir gerade. Wir haben dazu erst neue Proben vom Mandichosee bekommen. Die tödliche Dosis des betreffenden Giftstoffs Anatoxin liegt bei fünf Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Das ist eigentlich eine ganze Menge.

    Hat es überhaupt schon einmal eine Vergiftung bei Menschen gegeben?

    Fastner: Mir ist nur ein Fall aus Brasilien bekannt, der 70 Menschen das Leben gekostet hat, wobei das ein anderes Toxin war. Die haben Wasser aus einer Talsperre bekommen, die stark belastet war. Das waren aber einmalige Umstände. Häufiger treten dagegen diffuse Beschwerden wie Durchfall oder Schleimhautreizungen auf. Untersuchungen belegen, dass es da einen Zusammenhang mit der Menge von Cyanobakterien sowie der Aufenthaltsdauer im Wasser gibt. Das ist aber auch bei nichtgiftigen Blaualgen so.

    Der Mandichosee ist als Stausee mit dem Lech verbunden. Können Blaualgen in Fließgewässern auch tödliche Konzentrationen erreichen?

    Fastner: Stellenweise eben leider schon. Das ist auch dokumentiert. Wenn Hunde beispielsweise am Aufwuchs eines Steins mit einer giftigen Blaualge lecken oder diesen fressen, dann kann das schon reichen.

    Der Mandichosee bietet Lebensraum für Wasservögel und Fische. Können diese auch an dem Gift sterben?

    Fastner: Ja. Aber das hängt davon ab, ob die Tiere die Blaualgen fressen. Wenn noch keine toten Fische oder Vögel am See gefunden wurden, spricht das eher dagegen. Außerdem vermuten wir, dass die Fische für manche Toxine, die von Organismen im Wasser produziert werden, eine Art Entgiftungsmechanismus entwickelt haben.

    Gibt es eine Möglichkeit die Tychonema wieder los zu werden?

    Fastner: Wenn sie, wie in Berlin, an und zwischen Wasserpflanzen vorkommt oder wie in Merching am Gewässergrund lebt, kann man vermutlich nicht viel machen. Natürlich kann man sie mechanisch entfernen, aber sie kann auch wieder kommen. Wichtig ist hier, genau die Ursachen zu erforschen und gezielte Überwachungsstrategien zu entwickeln.

    Lesen Sie dazu auch diesen Artikel: Behörden suchen nach Ursache für Giftalgen im Mandichosee

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