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Edeka liebt Lebensmittel, Michael Wollny die Menschen: Mit viel Engagement setzt sich der Supermarkt-Inhaber aus der Bozener Straße gegen Ungerechtigkeiten ein. Im Mittelpunkt stehen möchte er dennoch nicht.

Menschen in Friedberg
25.12.2017

Michael Wollny: Der Sozialromantiker von Kasse zwei

Von Elisa-Madeleine Glöckner

Seit 13 Jahren führt Michael Wollny die Edeka-Filiale in der Bozener Straße in Friedberg.  ER fällt  immer wieder durch besondere Aktionen auf. Was ihn antreibt.

 Es ist noch nicht lange her, da machte ein Gerücht die Runde: Flüchtlinge würden sich an den Regalen des Supermarkts zu schaffen machen und die Inhaberfamilie bestehlen. „Ich wurde von einer Kundin angesprochen, ob das der Wahrheit entspricht“, erinnert sich Michael Wollny an das Jahr 2015. Das tat es nicht. „Also habe ich die Lüge als eine Lüge entlarvt“, erzählt der Marktleiter weiter.

 Eine in seinen Augen banale Handlung, die dennoch viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Er selbst winkt ab: „Es war keine große Tat, nur ein menschlicher Reflex.“ Für sein Handeln wurde der Unternehmer oft als Sozialromantiker bezeichnet. Er lacht, als er das hört. „Ich stamme aus ärmlichen Verhältnissen“, erklärt er. In seinem Leben habe er viel Glück erlebt. Davon möchte er abgeben.

Seine öffentliche Stellungnahme zum vermeintlichen Diebstahl der Asylbewerber blieb nicht das einzige Mal, dass Michael Wollny von sich reden machte. Auch wenn sich die Natur seines Engagements etwas änderte, zum Beispiel in die musikalische Richtung. Es habe mit einer verrückten Idee begonnen, erzählt der gelernte Einzelhandelskaufmann. Die Friedberger Band Wo is Kai? sei mit dem Anliegen auf ihn zugekommen, ein Konzert auf dem Parkplatz des Edeka-Marktes zu veranstalten. „Organisatorisch war das schwer umzusetzen“, erklärt der zweifache Familienvater. Daher habe man den Auftritt in den Laden verlegt. „Sensationell“ sei das gewesen, bekräftigt der 46-Jährige.

Das nächste Spektakel ließ nicht lange auf sich warten. Dieses Jahr meldete sich ein Schlagzeuger aus Augsburg, Dominik Scherer, bei ihm. „Er wollte ein Video bei mir im Markt drehen.“ Bizarr? Ein bisschen. Originell? In der Tat. „Zu beobachten, wie professionelle Videos entstehen, wer mitwirkt, wer beteiligt ist – das hat unglaublich viel Spaß gemacht“, schwärmt Wollny. Für ihn sprang sogar eine Statistenrolle heraus: als Kassier an Kasse zwei.

Seit 13 Jahren führt Michael Wollny die Edeka-Filiale in der Bozener Straße. Seit 13 Jahren gehen die Kunden bei ihm ein und aus. Sie wissen, dass sein Supermarkt mehr ist als Butter, Steak und Rosenkohl. Doch misst er sich selbst keine große Bedeutung bei. „Es geht nicht um mich“, betont der Inhaber im Gespräch immer wieder. Viele Aktionen entstünden rein zufällig. „Ich stelle nur meine ,Bühne‘ zur Verfügung“, meint der gebürtige Augsburger.

Anders verlief es bei seinem letzten Projekt, als der Aichacher Fotograf Alexander Andres in seiner Filiale ausstellte. Es handelte sich um Porträts depressiver Menschen, die Andres zuvor angefertigt hatte. Michael Wollny stieß im Internet auf das Konzept – und war sofort ergriffen. „Ich habe mich gefragt, wie ich mich beteiligen kann, um das Projekt weiterzubringen“, sagt er. Das Ergebnis: eine außergewöhnliche Vernissage in einem Supermarkt über das Tabuthema Depression, ein Bruch mit der Heile-Welt-Fantasie des Konzerns Edeka.

Die Reaktion war groß: „Allein über Facebook haben wir 100000 Menschen erreicht. Das dazugehörige Video wurde 40000-mal aufgerufen.“ Innerhalb der Ladengrenzen stieß die Aktion ebenfalls auf Resonanz – „positiv wie negativ“, resümiert Wollny.

Zurück ins Jahr 2015. Hier wurde die Geschichte vom couragierten Supermarktchef während der Flüchtlingskrise zum Selbstläufer. „Es ist sehr schnell sehr groß geworden“, so Wollny. Der Fokus, die Huffington Post, der Bayerische Rundfunk: Sie alle brachten das Thema auf die Agenda. Sogar das Fernsehformat stern.tv hatte angefragt. Dieses Aufsehen sieht Wollny kritisch – auch heute noch. Einerseits sei es erfreulich, dass Stimmen gehört werden, denkt er. Andererseits sei es bedenklich, dass eine so schlichte Verhaltensweise so hochstilisiert wird.

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, zitiert er das Bonmot Erich Kästners. Es gehört zu seinen Lieblingszitaten. So ist er es vielleicht doch, der Sozialromantiker von Kasse zwei.

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