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Kissing: Diese Kissingerin spricht die geheime Sprache der Gauner

Kissing

Diese Kissingerin spricht die geheime Sprache der Gauner

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    Katrin Freund vor dem Hiasl-Denkmal an der alten Schule in Kissing mit dem Erpresserbrief des Schinderhannes in Rotwelsch.
    Katrin Freund vor dem Hiasl-Denkmal an der alten Schule in Kissing mit dem Erpresserbrief des Schinderhannes in Rotwelsch. Foto: Katrin Freund

    Historische Räuber und Randgruppen faszinierten Katrin Freund schon als Kind. Vielleicht kam die Kissingerin auch zu ihrem Hobby, weil der Bayerische Hiasl untrennbar mit ihrem Heimatort verknüpft ist. Für die einen ist Matthäus Klostermayr (1736 – 1771) ein deutscher Robin Hood, für die anderen schlicht ein Verbrecher, der mit seiner Hinrichtung durchaus die gerechte Strafe erhalten hat. Für Katrin Freund ist er der Ausgangspunkt für vielfältige Recherchen.

    In ihren Bühnenprogrammen stellt die 35-Jährige Räuberpersönlichkeiten vor und erzählt mit Theater und Puppenspiel von ihrem Leben und Wirken. Von der Herstellung der passenden Puppen, über die begleitende Malerei und die Kostüme bis hin zur Musik der jeweiligen Epochen macht sie alles selbst. Von ihrer Kreativität profitiert auch der Historische Förderverein Bayerischer Hiasl, für den Katrin Freund auch schon gelegentlich musikalische Kostproben aus ihrem Soloprogramm in der Räubersprache Rotwelsch darbot. Diese geheime Sprache der Gauner und Fahrenden ist eine spannende Form der Kommunikation, der man noch heute im Alltag begegnen kann.

    Kissinger Expertin: Rotwelsch ist eine spannende Geheimsprache

    Neben der gesprochenen Form gibt es die Zinken, eine Art Zeichensprache, die von Hausierern und Bettlern zur Markierung an Türstöcken oder Zäunen genutzt wird. Wie auf diese Weise anderen Mitgliedern einer Subkultur geheime Botschaften hinterlassen werden, wollte die Räuberforscherin auf Einladung des Hiaslvereins kürzlich einem interessierten Publikum berichten. Die gesamte Vortragsreihe mit Beiträgen rund um den Bayerischen Hiasl musste jedoch aufgrund der Corona-Pandemie entfallen.

    Das war der Bayerische Hiasl

    Am 3. September 1736 ist Matthäus Klostermayr – berühmt geworden als der „Bayerische Hiasl“ – in Kissing geboren worden. Anfang August 1753 wurde er auf Gut Mergenthau als Jagdgehilfe des Jesuitenordens angestellt.

    1756 entließen ihn die Jesuiten. Der offizielle Grund war, dass er einen Jesuiten wegen dessen Schießkünsten auf dem Fasching lächerlich gemacht hatte.

    Er schloss sich einer Wildererbande an und gründete später eine eigene. Nach einem Zuchthausaufenthalt suchte er mit Kumpanen die Konfrontation mit der Staatsmacht, mit Jägern und Soldaten.

    1771 nahmen Soldaten Klostermayr im Wirtshaus von Osterzell nach einer Schießerei fest. Nach einem Prozess wurde er in Dillingen am 6. September hingerichtet.

    Die schon zu Lebzeiten einsetzende Legendenbildung verstärkte sich nach Hiasls Tod. In Geschichten und Erzählungen fokussierte sich die Unzufriedenheit der Menschen mit den ihnen aufgezwungenen Lebensumständen.

    „Rotwelsch ist eine unglaublich spannende Geheimsprache“, sagt sie. “Seit Jahrhunderten versuchen Recht und Gesetz den Geheimnissen des Rotwelschen auf die Spur zu kommen. Darum gibt es sogar Wörterbücher, die durch erzwungene Mithilfe von Spitzeln oder Gefangenen entstanden sind.“ Besonders interessant ist die Frage, wo wir Rotwelsch in der heutigen Zeit noch begegnen. Zwar ist es in seiner reinen Form selten geworden, doch findet sich eine Vielzahl an Wörtern aus dieser Kunstsprache noch in unserem Sprachgebrauch. Der Begriff Rotwelsch stammt von „welsch“ das steht für das Fremde und Unverständliche, wie es auch im Wort Kauderwelsch gebraucht wird, und „Rot“, das in älterer Literatur von „zusammenrotten“ hergeleitet wird. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es auf die Bezeichnung für einen Berufsbettler oder die Nebenbedeutung des Wortes im Sinne von „schlau“, „falsch“ oder „gerissen“ zurückgeht, so hat Freund recherchiert.

    In Kissing sind bereits geheime Botschaften entdeckt worden

    „Ich habe bald gemerkt, dass es sich hierbei um ein unglaublich komplexes und spannendes Thema handelt, in das ich gerne tiefer eintauchen wollte“, erzählt die 35-Jährige von ihrem ungewöhnlichen Hobby. Dabei fand sie auch schnell heraus, dass es sich keineswegs um eine „tote“, sondern vielmehr um eine ausgesprochen lebendige, wandelfähige und nach wie vor aktuelle Sprachform handelt. Für ihre Recherche durchforstete sie die bestehende Literatur, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Ihre ersten eigenen Recherchen machte Katrin Freund bereits in ihrem Abiturjahr 2005 am Holbein-Gymnasium und verfasste eine Facharbeit über das sogenannte „Hohenlohische Jenisch“. Diese Form des Rotwelschen ist bis heute in der fränkischen Gemeinde Schillingsfürst nahe Rothenburg ob der Tauber anzutreffen.

    Noch im selben Jahr schrieb die damalige Abiturientin einen allgemeineren Artikel unter dem Titel „Rotwelsch und Zinken – die Gaunersprachen des Mittelalters“, der in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde. „Mit solchen grafischen Botschaften werden nach wie vor geheime Nachrichten hinterlassen“, weiß Freund, denn sie hat sie auch in Kissing schon entdeckt. So kann ein einfaches, in den Türstock geritztes Zeichen, mit dem der Hauseigentümer in der Regel nichts anzufangen weiß, den Kundigen Auskunft geben, ob sich Betteln oder gar ein Einbruch lohnt.

    Katrin Freund mit ihrem Artikel über Rotwelsch, den sie bereits als Abiturientin verfasste.
    Katrin Freund mit ihrem Artikel über Rotwelsch, den sie bereits als Abiturientin verfasste. Foto: Katrin Freund

    Es gibt auch eine Vielzahl rotwelscher Wörter, die in unseren Sprachgebrauch einflossen, so etwa „ausbaldowern“ für beobachten, „Kaff“ für Dorf, „Stuss“ für Unsinn oder „malochen“ für arbeiten. In den literarischen Quellen über den bayerischen Hiasl werden stets seine feinen und angenehmen Sprachformen hervorgehoben. Es sei aber davon auszugehen, dass auch Matthäus Klostermayr zumindest durch seine, insbesondere in den späteren Wirkungsjahren bisweilen kriminellen Weggefährten, mit dem Rotwelsch in Berührung kam. Diese Thematik findet Freund so interessant, dass sie ihre Promotion im Studienfach Biologie derzeit ruhen lässt.

    Wenn sie nicht in der Augsburger Puppenkiste die Fäden zieht, taucht sie in ihre Räuberwelt ein. Der „schwarze Veri“, Anführer einer Räuberbande im Gebiet des heutigen Dreiländerecks von Österreich, der Schweiz und Deutschland mit Namen Xaver Hohenleiter, ist das neueste Forschungsobjekt von Freund. Zudem hat sie auch ihre Abhandlung über den Hiasl im Puppentheater des 18. und 19. Jahrhunderts fertiggestellt. Zusammen mit den Vereinsmitgliedern des Kissinger Hialsvereins hofft sie nun, dass am 16. Januar der traditionelle Fackelmarsch in Erinnerung an die spektakuläre Festnahme des Bayerischen Hiasl am 14. Januar 1771 stattfinden kann. Und langfristig drückt sie die Daumen für eine Wiedereröffnung des Hiaslmuseums. In Bezug auf passende Räumlichkeiten gibt es derzeit Überlegungen, Ausstellungsräume im Jesuitenschlößchen im Altort (ehemals Bäckerwirt) zu beziehen.

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