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Geschichte: Wie der Krieg in Friedberg zu Ende ging

Geschichte

Wie der Krieg in Friedberg zu Ende ging

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    Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs fielen im April 1945 noch einmal Bomben auf Friedberg. Die Metzgermeisterswitwe Babette Kaindl wurde dabei durch den Beschuss aus einer Bordwaffe tödlich getroffen.
    Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs fielen im April 1945 noch einmal Bomben auf Friedberg. Die Metzgermeisterswitwe Babette Kaindl wurde dabei durch den Beschuss aus einer Bordwaffe tödlich getroffen.

    Wir wohnten in der Bahnhofstraße und es war Pflicht, bei Fliegeralarm in den uns zugewiesenen Luftschutzkeller in der Gaststätte Weißes Lamm zu gehen. Es war ein zweistöckiger Keller, der im unteren Teil eine Verbindungstüre zum Nachbarhaus hatte. Wäre eines der Häuser getroffen worden, hätte man einen Fluchtweg gehabt.

    Meine Großmutter ging nie in den Luftschutzkeller, denn bei Fliegeralarm kam meist ein Nachbar, der dann mit ihr an unserem Volksempfänger die Auslandsnachrichten abhörte, was ja streng verboten war. Er berichtete dann, wo es Angriffe gegeben hatte und was auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen passierte.

    Auch an den Bombenangriff auf Augsburg am 25./26. Februar 1944 kann ich mich noch sehr gut erinnern. Schon am Nachmittag des 25. Februar war Alarm. Ich befand mich jedoch mit mehreren Jugendlichen an den Stufen zur „Nussallee“ und wir beobachteten die Flugzeugstaffeln, die über

    Bei Nacht wurden wir wieder aus dem Schlaf gerissen. Die nächste Welle bombardierte Augsburg. Meine Mutter griff sich den immer bereitstehenden Koffer und uns drei Kinder (meine jüngere Schwester war erst drei Monate alt) und es ging in den Keller. Es war sehr kalt und man vernahm deutlich die Bombeneinschläge. Die Menschen sprachen wenig. Es herrschte bedrückende Stille und viele beteten.

    Kaum waren wir wieder im Bett, erfolgte der nächste Alarm. Es ging wieder für längere Zeit in den eisigen Luftschutzkeller, bis Entwarnung gegeben wurde. In dieser Nacht bekam meine kleine Schwester eine Lungenentzündung, an der sie am 29. Februar 1944 verstarb.

    Friedberger Frauen verhinderten 1945 die Zerstörung der Stadt, als sie die Panzersperren am Berg beseitigten und so den kampflosen Einmarsch der Amerikaner ermöglichten.
    Friedberger Frauen verhinderten 1945 die Zerstörung der Stadt, als sie die Panzersperren am Berg beseitigten und so den kampflosen Einmarsch der Amerikaner ermöglichten.

    Noch in der Nacht kamen viele ausgebombte Augsburger nach Friedberg. Wir hatten schulfrei, denn die Leute wurden in den Schulen und anderen Gebäuden von Frauen und Schulschwestern mit Lebensmitteln und Tee versorgt. Sie wurden in den nächsten Tagen in umliegende Ortschaften verteilt. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie eine Frau in Hausschuhen, langem Nachthemd, das unter einem Mantel hervorschaute, einen Leiterwagen ziehend in dem ein dick eingemummtes Kind saß, die Bahnhofstraße herabkam. Viele Ausgebombte zogen durch

    Anfang 1945 spielten wir Kinder beim Kriegerdenkmal, als über uns ein Fallschirmspringer in Richtung Osten flog. Wir verfolgten ihn und sahen, dass er in einem Kastanienbaum beim Bergmair hängen blieb. Mehrere Erwachsene waren bereits unter dem Baum. Polizei und Soldaten holten den Mann herunter und verhinderten, dass er von der aufgebrachten Menge angegriffen wurde. Er wurde in ein bereitstehendes Militärfahrzeug gesetzt und abtransportiert. Man hörte, dass es sich um einen englischen Piloten gehandelt hätte, dessen Flugzeug abgeschossen wurde.

    Am 24. April ’45 spielten wir Kinder in den Büschen am Hang zum Bahnhof. Wir hatten uns dort ein Lager gebaut. Über uns kreisten zwei Flugzeuge, die immer tiefer kamen. Eine riesige Detonation erfasste uns und wir sahen über der Bahnbrücke Rauch aufsteigen. Die Flugzeuge hatten eine Bombe abgeworfen. Nachdem die Flieger abgedreht hatten, wagten wir uns aus den Büschen. Wir wollten schnell nach Hause. Doch wir kamen nur zum Eingang der Gaststätte, der sich damals noch in der Haagstraße gegenüber der jetzigen Polizei befand.

    Kinder spielten am Friedberger Bahnhof, als die Flugzeuge kamen

    Dort wurden wir von Wehrmachtssoldaten in den Vorraum gezogen, denn die Flugzeuge kamen tief über der Stadt zurück und schossen auf alles was sich bewegte mit ihren Bordwaffen. Nachdem sie aufgestiegen waren, durften wir wieder auf die Straße. Geduckt an der Mauer des Gefängnisses vorbei wollten wir zur Bahnhofstraße. Doch bereits bei der Molkerei (heute Rechtsanwaltskanzlei) wurden wir wieder angerufen, da die Flugzeuge zurückkamen. Wir sprangen schnell in den Raum, in dem schon mehrere Menschen Schutz gesucht hatten. Erst als die Flieger verschwunden waren, konnten wir nach Hause.

    Die Leute waren erregt und es sprach sich schnell herum, dass die Metzgermeisterswitwe Babette Kaindl um 18.30 Uhr durch den Bordwaffenbeschuss tödlich getroffen wurde. Auch seien mehrere Fahrzeuge beschossen worden. Unter anderem ein Lkw auf der Straße nach Hügelshart.

    Man vermutete, dass es sich um zwei Flugzeuge handelte, die ihre letzte Bombe loswerden wollten. Sie hatten sich wahrscheinlich als Ziel die Bahnbrücke ausgesucht. Die Bombe landete jedoch im Holzgarten, dem jetzigen Bauhof.

    Im Jahr 1942 wurden die Alleebäume in der Herrgottsruhstraße nur zugeschnitten. Zum Kriegsende wurden sie dann gefällt, um als Panzersperren zu dienen.
    Im Jahr 1942 wurden die Alleebäume in der Herrgottsruhstraße nur zugeschnitten. Zum Kriegsende wurden sie dann gefällt, um als Panzersperren zu dienen.

    Dort standen Hallen, in denen von der Wehrmacht Kleidung gelagert war. Nur wenige durften das gewusst haben. Ein Nachbar, der Parteifunktionär war, rief einige von uns Kindern zusammen und wir fuhren mit einem Leiterwagen zu den Hallen. Wir mussten die hohen Regale erklettern und die Ware zu ihm hinabwerfen. Tornister mit Pelzbesatz, Winterkleidung und sogar Pelzmäntel wurden von den Leuten ausgerauft und verschwanden. Es dürfte sich um Winterkleidung für die Russlandkämpfer gehandelt haben. Wahrscheinlich tauchte ein Teil der Ware erst wieder auf dem Schwarzmarkt in Augsburg auf.

    Am 28. April 1945 marschierten die Amerikaner in Friedberg ein. Es hatte sich schnell verbreitet und meine Mutter ging mit mir zum Berg. Ich war sehr aufgeregt, da die Leute sagten, dass schwere Panzer kommen würden. Als Vorhut gingen Afroamerikaner voraus. Viele Menschen hatten sich eingefunden, und wie ich aus dem Gespräch später zwischen meiner Mutter und der Großmutter hörte, ging es hauptsächlich darum, wie diese Dunkelhäutigen aussehen würden, denn die Leute hatten noch nie solche Menschen gesehen.

    Als die Amerikaner in Friedberg einmarschierten

    Wir waren jedoch nur kurz am Berg, bis die ersten Amerikaner vor dem Rathaus eintrafen. Meiner Mutter war eingefallen, dass sie schnell die weiße Flagge hissen musste. Von der Hakenkreuzfahne habe ich nie mehr etwas gesehen. Dann mussten alle Waffen beim Rathaus abgeliefert werden. Ein Gewehr meines Onkels war noch bei uns.

    Die Amerikaner bezogen schnell Stützpunkte in der Stadt. In der Bahnhofstraße beim Bauernhof Blank wurden schnell Zelte aufgestellt und ein Lagerfeuer angezündet. Auch erhielten an diesen Plätzen die Soldaten Verpflegung.

    Nachts gegen drei Uhr wurden wir durch laute Schläge an die Haustüre geweckt. Zwei Amerikaner kamen ins Haus. Sie durchsuchten die Schränke. Eine alte Pistole aus dem Ersten Weltkrieg meines bereits verstorbenen Großvaters sowie eine alte Taschenuhr, ein Familienerbstück, wurden mitgenommen. Sonst gab es keine Wertsachen, denn unter dem Bett meiner Großmutter war ein Versteck unter dem Fehlboden. Einige Jahre später bekam ich aus einem Gespräch zwischen zwei Frauen mit, dass die Amis keine Heiligen gewesen seien und in den Häusern, in denen fast nur Frauen wohnten, nicht nur Durchsuchungen stattgefunden hätten. Doch wer etwas wusste, schwieg und die Betroffenen sowieso.

    Im Bauernbräu floss der Wein in Strömen

    Aufgrund des nächtlichen Besuchs mussten wir mit der Mutter einige Nächte im Maschinenhaus der Werkstatt im Sägemehl schlafen. Am nächsten Tag liefen mehrere Leute zum Bahnhof. Dort hatten befreite Kriegsgefangene Waggons der Reichsbahn aufgebrochen. Auch die Tore des Bauernbräukellers waren geöffnet. Aus einem Waggon wurden Kartons verteilt. Auch ich bekam einen in die Hand gedrückt und brachte Puddingpulver mit nach Hause.

    Eine Nachbarin sagte, ich solle mir von meiner Mutter ein Gefäß geben lassen, denn in den Gewölben des Bauernbräu gäbe es Wein. Mit einer Milchkanne bestückt ging ich mit ihr und ihren Söhnen zum Keller. Dort gab es bereits viele Betrunkene. Jemand hatte mit einer Pistole ein Loch in ein Fass geschossen. Es spritzte ein Strahl Wein aus dem Fass. Ein Mann saß davor und ließ sich den Wein in den offenen Mund laufen. Als ich den Wein zu Hause ablieferte, durfte ich wegen der Betrunkenen nicht mehr zum

    Man gewöhnte sich jedoch schnell an die Soldaten, von denen nicht mehr viele in der Stadt waren. Die meisten waren in der ehemaligen Ballonfabrik untergebracht. Hier erlebte ich jedoch einmal eine böse Überraschung, die mir bis heute noch gut im Gedächtnis ist. Ein schwarzer Soldat schenkte mir eine Packung Kaugummi. Dieser Kaugummi wurde mir aber umgehend von einem weißen Soldaten wieder abgenommen.

    Einmal wöchentlich bildete sich eine lange Schlange Soldaten vom Textilhaus Hüttig bis weit in die Bahnhofstraße. Hier erhielten die Soldaten ihre wöchentlichen Rationen an Zigaretten, Tabak, Kaugummi, Schokolade und anderen Artikeln. Wir Jungen warteten dann auf der Straße, dass die Soldaten ihre angerauchten

    Zum Autor: Gerhard Kaindl aus Friedberg

    Gerhard Kaindl hat seine Erinnerungen an die Kriegsjahre 1944/45 in Friedberg festgehalten.
    Gerhard Kaindl hat seine Erinnerungen an die Kriegsjahre 1944/45 in Friedberg festgehalten. Foto: Thomas Goßner

    Gerhard Kaindl ist in der Friedberger Bahnhofstraße geboren, wo er den größten Teil seines Lebens auch gewohnt hat. Dort erlebte er als Bub das Ende des Zweiten Weltkriegs in der Obhut seiner Großmutter. Denn während der Vater im Feld war, musste die Mutter beim Bruder in der Landwirtschaft mithelfen. Später absolvierte Gerhard Kaindl eine Ausbildung als Kaufmann und arbeitete zuletzt bei der Deutschen Bank in Augsburg. Geschichtlich stets interessiert, war er darüber hinaus gerne im Stadtarchiv tätig. „Die Amis haben viel für uns Jugendliche getan“, erinnert sich der heute 82-Jährige an die Zeit der amerikanischen Besatzung in Friedberg.

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