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Friedberg: Was Wohnmobilfahrer nach Friedberg lockt

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Was Wohnmobilfahrer nach Friedberg lockt

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    Der Aussteiger Thomas K. steht mit seinem Campingwagen auf dem neuen Wohnmobilstellplatz an der Afrastraße in Friedberg.
    Der Aussteiger Thomas K. steht mit seinem Campingwagen auf dem neuen Wohnmobilstellplatz an der Afrastraße in Friedberg. Foto: Nikolai Röhrich

    Ein Burnout, der Verkauf der eigenen Habe, dann fünf Jahre auf Tour im Campingwagen. Thomas K. steht auf dem Wohnmobilparkplatz an der Afrastraße in Friedberg und erzählt von einem neuen Leben. „Jeden Tag in den eigenen vier Wänden und zwei Mal im Jahr in den Urlaub, das kann ich nicht“, sagt der gebürtige Augsburger. „Durch das Wohnmobil bin ich glücklich geworden.“

    K.’s Alltag spielt sich heute in einem sechseinhalb Meter langen Wohnwagen ab. Und vor allem: in der Natur. Das neue Leben ist für ihn „ein großes Stück Freiheit“. Solange seine Gesundheit es zulässt, will er nicht zurück in ein Haus. „Ich muss keine Zimmer sauberhalten, nicht Rasenmähen, es gibt keine Auseinandersetzungen über den Gartenzaun hinweg.“ Ganz entkommt er den streitlustigen Nachbarn aber nicht. Auf dem Friedberger Parkplatz klebte einmal ein Zettel der Anwohner an seiner Tür: Sie hatten sich darüber erbost, dass er als Augsburger den Touristen die Stellplätze streitig mache.

    Zehn Wohnmobile haben auf dem Stellplatz in Friedberg Platz

    Die Parkfläche unterhalb des Friedberger Bergs gibt es erst seit heuer. Ausgewiesen wurde sie im Vorfeld der Landesausstellung „Stadt befreit“. Dort wurde Platz für bis zu 130 Pkw und acht bis zehn Wohnmobile geschaffen. Thomas K. ist von dem kostenlosen Wohnmobilstellplatz angetan: Es gibt Strom, Wasserversorgung und in Laufweite befinden sich mehrere Supermärkte.

    Jedes Jahr verbringt K. einige Monate in Deutschland, um Geld zu verdienen. Dann reist er mit seiner Lebensgefährtin und seinen beiden Hunden Abby und Balu durch Europa. „Wenn es mir irgendwo nicht gefällt, dann fahre ich weiter“, erzählt K. Während er spricht, holt er Tabak aus einem schwarzen Lederbeutel und dreht eine Zigarette. Als es zu regnen beginnt, holt er seinen Cowboyhut aus dem Wagen.

    „Man lernt auf den Campingplätzen immer neue interessante Menschen kennen“, sagt K. „Leute von A bis Z.“ Er erzählt von einem Mann aus Dortmund, der wie Jesus ausgesehen habe und auch „ganz heilig rübergekommen“ sei. Aber auch Familien gebe es, die nach ihrer Ankunft auf dem Wohnmobilstellplatz als erstes Flatscreen-Fernseher und Playstation aufbauten.

    K. sagt, er habe schon als Kind das Campen geliebt. Wenn er nicht arbeitet, genießt er die Natur: Er führt seine Hunde aus, geht baden, sammelt Pilze. Er sei in seiner Jugend nie mit dem Rucksack unterwegs gewesen, sagt er, doch jetzt hole er das Abenteuer als „motorisierter Backpacker“ nach. „Aber gediegener. Ich hab gerne meine Dusche.“

    Augsburger Aussteiger lebt unkonventionell

    Auch als Aussteiger ist der Augsburger überzeugt von seinem Heimatland. „Die langen Reisen kann ich nur machen, weil ich in Deutschland in wenigen Monaten so viel verdiene“, sagt er. Trotz seiner unkonventionellen Lebensweise ist K.’s Leben bürokratisch geregelt: Er zahlt Steuern, ist gesetzlich krankenversichert, seine Post bekommt ein „Empfangsbeauftragter“.

    Camping im Laufe der Zeit: 1930er. Im Jahr 1931 erfindet Arist Dethleffs für seine Familie den ersten deutschen Wohnwagen, der „Wohnauto“ hieß.
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    Camping ist in Corona-Zeiten im Trend. Wir blicken aus die Vergangenheit und schauen, wie sich das Camping seit den 1930er-Jahren in Deutschland entwickelt hat.

    K. spricht auch über Politik. „Das Bewusstsein der Menschen ändert sich komplett“, meint er. Das bedeutet: Es wird mehr Rücksicht auf die Umwelt genommen, und die Menschen suchen Freiheit in der Natur. Die Fridays-for-Future-Demonstrationen geben ihm Hoffnung in die nachfolgende Generation: „Die Jungen werden es machen, es ist ihre Zukunft.“ Es seien auch immer mehr Menschen mit Campingwägen unterwegs, die in der Natur Erholung suchten, meint K. „Vor allem dieses Jahr, wegen Corona.“

    Vor der nächsten Reise nach Portugal geht es für Thomas K. als Nächstes nach Dortmund, um dort in einem Büro zu arbeiten. „Rasiert und mit Hemd.“ Er sagt, es sei ein komisches Gefühl, so für einige Zeit wieder in den bürgerlichen Alltag zurückzukehren. Das Leben auf vier Rädern möchte er nicht mehr missen. „Es ist eine einzige Gaudi.“

    Brasilianisches Ehepaar kommt mit dem Flugzeug nach Deutschland und mietet sich hier ein Wohnmobil

    Auch das Ehepaar Liebert aus Brasilien steht mit dem Wohnmobil auf dem Stellplatz unterhalb des Friedberger Bergs. Waldir Liebert sitzt auf dem Fahrersitz des Campingwagens und hört deutsche Nachrichten. „Mein Großvater war Deutscher“, erzählt er. „Ich bin in Brasilien geboren, aber habe einen deutschen Pass.“ Auch seine Kinder und Enkelkinder leben in Deutschland. Die beiden Urlauber haben die Innenstadt erkundet und auch die Landesausstellung im Schloss besichtigt.

    Jedes Jahr kommen er und seine Frau mit dem Flugzeug nach Deutschland, um mit ihren Kindern eine Wohnmobil-Tour zu machen. „Wir sind in ganz Europa unterwegs. Letztes Jahr waren wir in Holland, Belgien, Norditalien und Frankreich.“ Dieses Jahr sind sie wegen Corona aber nur in Deutschland unterwegs. In ihrer Heimatstadt Curitiba, die südlich von São Paulo liegt, ist jetzt Winter. Zurück geht es für die Rentner erst, wenn es dort wärmer geworden ist. „Für uns ist das ganze Jahr Sommer“, sagt Liebert.

    Das Ehepaar hält nichts von Hotelurlauben, bei denen man in fremden Zimmern wohnt. Im Camper hingegen sei man zu Hause. „Und wenn man abends in das Wohnmobil kommt, steht ein kaltes Bier im Kühlschrank.“ Im Campingwagen sei zwar alles ein wenig klein und eng, doch diesen Umstand nehme man gerne in Kauf. Auch Carmen Liebert schwärmt für den Urlaub im Camper. „Das Beste ist“, sagt sie, „dass man keine Arbeit hat.“

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