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Friedberg: So schlecht steht es um Friedbergs Stadtarchiv

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So schlecht steht es um Friedbergs Stadtarchiv

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    Vorsatz und Titel einer Stadtkammerrechnung von 1669 aus dem Stadtarchiv Friedberg vor  der Restaurierung. Pro Band kostet die professionelle Wiederherstellung 3000 Euro. 80 Bände sind extrem stark von Schimmel und Zerfall betroffen.
    Vorsatz und Titel einer Stadtkammerrechnung von 1669 aus dem Stadtarchiv Friedberg vor der Restaurierung. Pro Band kostet die professionelle Wiederherstellung 3000 Euro. 80 Bände sind extrem stark von Schimmel und Zerfall betroffen. Foto: Stadtarchiv Friedberg

    2500 bis 3000 Stunden dauert es, einen der alten Bände mit den Friedberger Stadtkammerrechnungen zu restaurieren. Die Dokumente, die bis in das Jahr 1645 zurückreichen, drohen zu zerfallen. Schimmel setzt ihnen zu, weil sie jahrelang auf dem Dachboden des Rathauses lagerten, wo es feucht war. Plastik, Metall und Kleber, mit denen die Werke behandelt wurden, zerfressen mit der Zeit das Papier. Einen Band professionell wieder herzustellen kostet 3000 Euro.

    In den Haushaltsjahren 2019 und 2020 hat der Stadtrat je 15.000 Euro dafür bereitgestellt. Archivar Matthias Lutz hat außerdem einen Förderantrag im Rahmen eines Sonderprogramms zur „Erhaltung des schriftlichen Kulturguts“ der Bundesregierung gestellt. Lutz ist der erste professionelle Stadtarchivar in Friedberg. Er begann seine Aufgabe 2016 in den alten Räumen in der Pfarrstraße 6. Von dort ist das Archiv mittlerweile ins Museumsdepot umgezogen – und wird wohl nie wieder zurückkehren.

    Das Stadtarchiv Friedberg musste vieles wegwerfen

    Wie Lutz den Stadträten berichtete, sichtete er die Bestände. Ergebnis: Das Archiv war überfüllt, Dokumente waren verschimmelt und die Ablage für ein Langzeitarchiv unzureichend organisiert. Also sortierten Lutz und sein Team aus, was nicht in geschichtlichem Zusammenhang mit Friedberg stand, gaben es weiter oder warfen es weg.

    Mit Experten des Augsburger Staatsarchivs halfen, den Zustand zu beurteilen. 25 Prozent der Dokumente sind von Schimmel befallen. Gerade die ältesten und wertvollsten Bestandteile, nämlich Stadtkammerrechnungen und Ratsprotokolle, sind hochgradig betroffen. Diese Archivalien mussten für die Nutzung gesperrt werden – um sie selber und die Nutzer zu schützen. Die Restauratoren tragen Handschuhe und Atemmasken, am Besten ist laut Lutz ein Ganzkörperanzug.

    Die Bände mit „mikrobakteriellem Befall“ – so der Fachausdruck – lagern jetzt notdürftig in einem „Quarantäneraum“ im Erdgeschoss an der Pfarrstraße, weil das Museumsdepot nicht verseucht werden darf. Um das Gedächtnis der Stadt zu retten, muss jeder Buchblock aufgetrennt werden, jede einzelne Seite wird dann abgesaugt, mit Schwämmen und Pinseln gereinigt und mit Japanpapier stabilisiert. 250.000 Euro kostet das allein für die Kernarchivalien. Die Frage ist laut Lutz, wie mit den nicht archivpflichtigen Stücken verfahren werden soll.

    Das Haus an der Friedberger Pfarrstraße ist nicht geeignet

    Wären das nicht schon Probleme genug, stellt sich außerdem die Standortfrage. Die Alte Knabenschule bei der Jakobskirche liege zwar gut und sei ein repräsentatives Haus, doch die konservatorischen Bedingungen seien denkbar ungeeignet, legte Lutz dar. Die Temperaturen sind im Sommer viel zu hoch, die Luftfeuchtigkeit ist es ebenfalls. Noch dazu ist die Statik des Gebäudes nicht auf die Last eines Archivs ausgerichtet. Im Depot im Business Park sind all diese Punkte erfüllt, noch dazu ist es barrierefrei. Nachteil dort: die dezentrale Lage. Allerdings werden die Materialien auch nach dem Umzug des Museums ins Schloss nicht im Depot bleiben können; der Platz reicht nicht. Eine Möglichkeit sieht Lutz darin, das Depot zu „spiegeln“ – Platz wäre genug da.

    Die Mitarbeiterin im Stadtarchiv Friedberg, Gabi Trinkl, nimmt eine Trockenreinigung von verschmutztem Archivmaterial vor.
    Die Mitarbeiterin im Stadtarchiv Friedberg, Gabi Trinkl, nimmt eine Trockenreinigung von verschmutztem Archivmaterial vor.

    Die Entscheidung über den künftigen Standort wird sicher erst in der nächsten Amtsperiode fallen, doch meinte Bürgermeister Roland Eichmann (SPD) schon jetzt: „Man sollte sich davon verabschieden, die Alte Knabenschule Archiv zu nennen.“ Ohnehin wünschen sich so manche Friedberger dort Raum für Veranstaltungen. Die Kulturpfleger Franz Reißner (SPD) und Peter Gürtler (CSU) hatten deswegen den Antrag gestellt, im oberen Stock einen Durchbruch zwischen dem großen Raum und dem daneben liegenden Zimmer vorzunehmen, was aber laut Eichmann denkmalschutztechnisch schwierig sei.

    Wohin mit Schimmel-verseuchten Dokumenten?

    Allerdings betonte auch Eichmann, man müsse das Archiv während der Landesausstellung 2020, wenn das Schloss als Veranstaltungsort ausfällt, verstärkt als Ersatz nutzen. Bis dahin sollen die schimmeligen Papiere aus dem Erdgeschoss an einen anderen Ort verlagert sein.

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