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Aichach-Friedberg: First Responder: „Wir sind schneller als der Rettungswagen“

Aichach-Friedberg

First Responder: „Wir sind schneller als der Rettungswagen“

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    Der Rettungswagen muss in Notfällen spätestens nach zwölf Minuten vor Ort sein. Die First Responder in Dasing schaffen es oft früher und helfen Patienten in der Zwischenzeit.
    Der Rettungswagen muss in Notfällen spätestens nach zwölf Minuten vor Ort sein. Die First Responder in Dasing schaffen es oft früher und helfen Patienten in der Zwischenzeit. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Herr Winter, was genau leisten Sie als First Responder in der Notfallversorgung in Dasing?

    Thomas Winter: Weil die Rettungswagen einen längeren Weg haben als zu anderen Orten, gibt es hier die sogenannten Helfer vor Ort beziehungsweise First Responder. Wir überbrücken in Notfällen die Zeit, bis der Rettungswagen und – teils nochmals deutlich später – der Notarzt kommt. Das Ganze gibt es auch in Baindlkirch und Aindling.

    Wer ist denn als First Responder in Dasing im Einsatz?

    Winter: Wir sind ein Team aus neun Leuten, die mindestens Sanitätshelfer mit einer speziellen Ausbildung für Notfälle sind. Es gibt aber auch Rettungssanitäter und Rettungsassistenten in unseren Reihen. Wir sind letztlich wie die Feuerwehr ständig rufbereit und übernehmen im Schnitt alle zweieinhalb Tage einen Einsatz – 2019 waren es insgesamt 141 Stück.

    Wie kam es denn überhaupt zu dieser ehrenamtlichen Initiative?

    Winter: „Geburtshelfer“ in Dasing ist Michael Weiß. Er hatte selbst einen Herzinfarkt und hat dieses prägende Ereignis zum Anlass genommen, etwas zu unternehmen. Er hat damals selbst erlebt, dass jede Minute zählen kann. Heute ist Michael Weiß der Vorsitzende des Fördervereins First Responder Dasing.

    Thomas Winter, 47, ist Leiter des Rettungsdienstes beim Bayerischen Roten Kreuz im Landkreis Aichach-Friedberg.
    Thomas Winter, 47, ist Leiter des Rettungsdienstes beim Bayerischen Roten Kreuz im Landkreis Aichach-Friedberg. Foto: BRK Aichach-Friedberg

    Welche Aufgaben haben Sie konkret im Ernstfall?

    Winter: Wir werden bei lebensbedrohlichen Notfallmeldungen alarmiert. Vor allem die Reanimation und Beatmung muss beherrscht werden. Gerade bei Herz-Kreislauf-Stillständen können wenige Momente Leben retten, die man früher mit der Behandlung beginnt. Innerhalb von Minuten sinkt die Chance auf Erfolg drastisch. Und der Rettungswagen muss erst nach zwölf Minuten kommen – wir sind oft schneller.

    First Responder Thomas Winter: "Veränderungen müssen her"

    Zuletzt gab es Diskussionen über fehlende Notärzte. Spüren Sie diesen Mangel in Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit?

    Winter: Die Arbeit hat sich verändert, ja. Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) sagt dazu auch nicht immer ganz die Wahrheit. Um den Jahreswechsel herum waren ja zum Beispiel nicht nur einzelne Notarztstandorte an einzelnen Tagen unbesetzt, sondern zeitweise auch Aichach, Friedberg und Schrobenhausen gleichzeitig – da kann man nicht davon sprechen, die Sicherstellung eines Notarztes sei gewährleistet. (Hier unser Bericht über die Situation.) Wenn man auf einen Notarzt warten muss, sind 30 bis 40 Minuten ganz schön lang. Das kann in einem reichen Land wie unserem nicht sein.

    Was bedeutet es für First Responder beziehungsweise Rettungsdienst, die diese Zeit überbrücken?

    Winter: Für die Helfer vor Ort ändert sich nichts, da diese den Patienten dem Rettungsdienst übergeben und weiter unterstützend tätig sind. Für das Rettungsdienstpersonal kann es manchmal schwierig sein. Das ist ab und zu bei der Entscheidung der Fall, welche (ärztliche) Maßnahmen zwingend ergriffen werden müssen, um Schaden vom Patienten abzuwenden. Deshalb handeln sie dann oft im sogenannten rechtfertigenden Notstand. Das bedeutet: Man darf je nach Ernst der Lage Eingriffe machen, die dem Arzt vorbehalten sind, ohne rechtswidrig zu handeln.

    Gibt es weitere Schwierigkeiten?

    Winter: Ja, ein zweites Problem ist, eine aufnahmebereite Klinik zu finden. Dies ist leider oft ein langer Entscheidungsprozess am Einsatzort, da alle Kliniken unter Personalmangel leiden.

    Welche Maßnahmen sind das denn zum Beispiel?

    Winter: Das kann unter anderem die Verabreichung eines Medikaments sein. Die Notfallsanitäter müssen da teilweise an ihre Grenzen gehen und schnell entscheiden – zum Beispiel auch, ob sie in die Klinik fahren oder auf den Notarzt warten.

    Wie dramatisch ist die Lage Ihrer Einschätzung nach?

    Winter: Man muss schon klarstellen, dass wegen des Notarztmangels nicht reihenweise Menschen sterben. Doch wir brauchen den Notarzt und deshalb müssen im Sinn der Beteiligten Veränderungen her.

    Welche könnten das sein?

    Winter: Eine Tätigkeit, die in der Freizeit ausgeübt wird, muss attraktiv gestaltet sein und fair entlohnt werden. Seit einer Reform 2015 verdienen die Ärzte weniger und seit diesem Zeitraum haben wir diese Situation. Der Kassenärztliche Dienst (Husten, Schnupfen, Heiserkeit) ist nämlich im Gegensatz zum Notarztdienst verpflichtend – und im Übrigen noch dazu besser bezahlt. Ich sehe da außerdem eine gewisse Ungerechtigkeit uns gegenüber.

    First Responder Thomas Winter: "Anspruch der Patienten ist ein Problem"

    Inwiefern?

    Winter: Unser Personal muss auch an Weihnachten und anderen Feiertagen arbeiten, an Silvester werden sogar zusätzliche Schichten gefahren. Es gibt aber ein weiteres Problem: den Anspruch der Patienten.

    Anspruch der Patienten: Woran machen Sie das fest?

    Winter: Manche rufen den Rettungsdienst und warten dann am Straßenrand mit gepackten Koffern, um sich ins Krankenhaus fahren zu lassen. Sie denken, dass sie dann schneller drankommen – was ein Irrglaube ist.

    Im Interview: Thomas Winter vom Roten Kreuz

    Thomas Winter, 47, ist Leiter des Rettungsdienstes beim Bayerischen Roten Kreuz im Landkreis Aichach-Friedberg sowie stellvertretender Kreisgeschäftsführer. Daneben engagiert er sich ehrenamtlich als Helfer vor Ort in Dasing. Die First Responder sieht er an der Belastungsgrenze und fordert dringend Verstärkung.

    Lesen Sie den Kommentar von Ute Krogull: Vorschläge der Praktiker sollte man ernst nehmen

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