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Dasing: Kurioser Prozess: Angeklagter Syrer will Opfer und Richter anzeigen

Dasing

Kurioser Prozess: Angeklagter Syrer will Opfer und Richter anzeigen

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    Am Landgericht in Augsburg findet eine Verhandlung gegen einen Mann aus Syrien statt, der in Dasing lebt.
    Am Landgericht in Augsburg findet eine Verhandlung gegen einen Mann aus Syrien statt, der in Dasing lebt. Foto: Bernhard Weizenegger (Symbolfoto)

    Er werde sich selbst verteidigen, hatte ein 46-jähriger Mann vor dem Augsburger Landgericht angekündigt, der sich dort unter anderem wegen Vergewaltigung und Kindesentziehung verantworten muss. Jetzt lässt er Taten folgen und ist von Pflichtverteidiger Felix Dimpfl kaum zu bremsen.

    Noch bevor die erste Zeugin aufgerufen werden kann, legt der Angeklagte mit Erklärungen los. Zunächst kündigt er an, seine Frau anzeigen zu wollen. Sie müsse ihre Vorwürfe gegen ihn vor Gericht wiederholen und beschwören. Es könne nicht sein, dass er allein aufgrund ihrer Anschuldigungen im Gefängnis sitze, dass seine Frau aber dazu nicht angehört werden müsse. Seine Frau lüge, so der Angeklagte.

    Angeklagter soll von Dasing aus Kinder nach Griechenland mitgenommen haben

    Der Lehrer, der 2015 als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland gekommen war, war von seiner Frau 2018 angezeigt worden. Er solle sie in der gemeinsamen Wohnung in Dasing vergewaltigt haben. Zudem, so hatte die Frau bei der Polizei ausgesagt, sei sie geschlagen worden. Im November 2018 war der Mann mit den drei Kindern, heute 13, zwölf und neun Jahre alt, ohne Wissen der Frau nach Griechenland verschwunden. Auch den Ermittlungsrichter, der die Frau im Februar 2019 im Zuge der Anzeigenerstattung angehört hatte, will der Angeklagte anzeigen.

    Dem 38-jährigen Juristen wirft er Fahrlässigkeit bei der Arbeit vor, unter anderem deswegen, weil er als Beschuldigter zu der Vernehmung seiner Ehefrau nicht beigeladen worden war. Nachdem die Ehefrau laut ihrer Vertreterin Marion Zech von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, ist das, was bei der Einvernahme durch den Ermittlungsrichter festgestellt worden war, die Hauptbelastungsquelle gegen den Angeklagten.

    Das Familiendrama spielte sich in Dasing ab

    Nicht gelten lässt der Mann den Vorwurf der Vergewaltigung, den seine Frau gegen ihn erhebt. Der Angeklagte bestreitet nicht, dass es zu einem „kleinen Streit“ gekommen war. Er ergänzt gegenüber dem Gericht unter Vorsitz von Richterin Regina Roßkopf, dass diese Art Streit aus seiner Sicht auch Schläge beinhalte. Und er erklärt, dass es in der Nacht dieses Tages zum Sex gekommen sei – einvernehmlich allerdings.

    Eben dies hatte die Frau Wochen später aber als Vergewaltigung angezeigt. Die 34-Jährige hatte erklärt, dass sie sich dem Sex mit ihrem Ehemann nicht habe widersetzen können. Sie hatte dies mit ihrer Mentalität als syrische Ehefrau begründet und mit religiösen Gründen. Nach Ansicht des Angeklagten hätte seine Frau sehr wohl die Freiheit gehabt, Nein zu sagen. Er bestritt, dass es Probleme in der Ehe gegeben habe. Was ihm vorgeworfen werde und weswegen er seit eineinhalb Jahren (zur Untersuchungshaft) im Gefängnis sitze, basiere auf Lügen.

    Angeklagter Syrer: Frau war ins Frauenhaus geflohen

    Als fragwürdig bezeichnet der Angeklagte das Verhalten seiner Frau im Zusammenhang mit der Anzeigenerstattung. Deswegen war die zuständige Beamtin der Inspektion Donauwörth als Zeugin geladen, weil die 34-Jährige zu der Zeit ins dortige Frauenhaus geflüchtet war. Zweimal hatte die Beamtin mit der 34-Jährigen zu tun: zum ersten Mal zum Schutz, als es darum ging, sie in die Familienwohnung nach Dasing zu begleiten, aus der sie persönliche Sachen habe holen wollen. Damals, so die Polizistin, hätte sich die 34-Jährige nicht näher zu Beziehungsproblemen äußern wollen.

    Einige Zeit später sei die Frau dann in Begleitung einer Vertrauten auf die Inspektion gekommen, um Strafantrag wegen Vergewaltigung zu stellen. In vielen seiner Fragen an die Polizistin schwingt der Vorwurf des Angeklagten mit, dass seine Frau zur Anzeigenerstattung aufgefordert worden sei. „Du böse Frau“ soll der Angeklagte die Integrationsbeauftragte der Gemeinde bezeichnet haben, die ebenfalls als Zeugin geladen war.

    Gewalt gegen Frauen in Bayern

    In Bayern gibt es keine offizielle Statistik zur Zahl der Frauen, die von Frauenhäusern abgelehnt oder weitergeleitet werden. Die Freien Wähler starteten 2018 einen Antrag zur Erfassung dieser Fälle - die CSU blockte jedoch ab.

    Eine Studie der Uni Erlangen-Nürnberg aus dem Jahr 2016, vom Institut für empirische Soziologie gibt Anhaltspunkte. Sie sollte den Bedarf an Frauenhausplätzen in Bayern errechnen. Das Ergebnis: Schätzungsweise die Hälfte aller Frauen, die um einen Platz im Frauenhaus bitten, werden abgewiesen oder weitergeleitet - wenn nicht mehr.

    Laut dieser Studie geben Frauen, die von Gewalt betroffen sind und nach einem Platz im Frauenhaus suchen, nach ein bis drei vergeblichen Versuchen auf. So finden in Bayern "nach vorsichtiger Schätzung" jedes Jahr etwa 1500 bis 2000 betroffene Frauen keinen Schutz in Frauenhäusern.

    Sie schildert ihre Kontakte mit der Familie, berichtet, wie sie mit der Ehefrau per Whatsapp kommuniziert habe und wie der Ehemann im Amt aufgetreten war. Sie berichtet auch, was ihr von Dritten über das Verhalten des Angeklagten zugetragen worden sei – mehrfach unerfreulicher Art. Die Zeugin nennt das Verhalten des Angeklagten „bedrohlich“. Und sie berichtet von dem Vorhaben der Ehefrau, am ersten Schultag nach den Sommerferien ins Frauenhaus zu flüchten, damit die Kinder nichts mitbekommen.

    Der Prozess in Augsburg geht am Dienstag weiter

    Der Angeklagte wertet ihre Schilderungen derart, dass sie mit Anderen seine Frau dazu verleitet habe, sich gegen ihn aufzulehnen. Immer wieder versucht der Mann, seine Situation als Ergebnis eines Komplotts darzustellen. Nicht nur seine Ehefrau will er vor dem Gericht sehen. Er beantragt, neben weiteren Zeugen auch seine Kinder vorzuladen und zu befragen. Ob diesem Ansinnen nachgekommen wird, darüber muss das Gericht befinden. Auch von den Kindern liegt eine Erklärung zur Verweigerung der Aussage vor.

    Die Verhandlung wird am Dienstag und Donnerstag fortgesetzt.

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