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Aichach-Friedberg: Wie ein gefällter Baum zum "Umweltfrevel" wird

Aichach-Friedberg

Wie ein gefällter Baum zum "Umweltfrevel" wird

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    In der Baumallee bei Gut Mergenthau in Kissing mussten 45 Bäume gefällt werden. Die Verantwortlichen des Gutes sahen sich danach wütenden Attacken im Internet ausgesetzt.
    In der Baumallee bei Gut Mergenthau in Kissing mussten 45 Bäume gefällt werden. Die Verantwortlichen des Gutes sahen sich danach wütenden Attacken im Internet ausgesetzt. Foto: Philipp Schröders

    „Umweltschweine“ - so titulierte der Autor einer diffamierenden WhatsApp-Nachricht die Verantwortlichen von Gut Mergenthau in Kissing. Der Absender prangerte an, dass dort Eschen gefällt wurden, aus seiner Sicht ohne erkennbaren Grund. „Bis nachts um 22 Uhr waren die Vögel am Schreien, die dort gewohnt haben“, hieß es weiter in dem Post. Kein Einzelfall: Wenn Laien pflegerische Eingriffe in die Natur beobachten, schätzen sie die Lage oft völlig verkehrt ein und vergreifen sich im Ton.

    Kein Verständnis für forstwirtschaftliche Entscheidung

    Die potentiell rufschädigende Aktion sei die Folge eines Missverständnisses, erklärt Ulrich Resele, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Monika Fottner als Betriebsleiter des Gut Mergenthau tätig ist. Die Maßnahme erfolgte, weil die Bäume vom Eschentriebsterben betroffen waren. Erkrankten Bäumen sterben die Wurzeln ab und sie können umstürzen – eine Gefahr für Spaziergänger und Biker.

    „Da der Eschenweg ins Rad- und Wanderwege-Netz aufgenommen wurde, sind wir als Eigentümer verpflichtet, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten“, erklärt Resele. Den Versender der WhatsApp-Nachricht machte Resele ausfindig. Nach einem viertelstündigen Telefonat entschuldigte sich der Texter für seine Vorgehensweise, zeigte aber wenig Verständnis für die aus fortwirtschaftlicher Sicht notwendige Entscheidung.

    Den Waldbestand des Guts Mergenthau zu pflegen und zu erhalten, ist keine leichte Aufgabe für Ulrich Resele und Monika Fottner.
    Den Waldbestand des Guts Mergenthau zu pflegen und zu erhalten, ist keine leichte Aufgabe für Ulrich Resele und Monika Fottner. Foto: Gut Mergenthau

    Dass Laien solche Maßnahmen fehlinterpretieren und wütend Meinungsmache betreiben, kommt in Reseles Augen immer häufiger vor. Im letzten Jahr beispielsweise wurde eine Anzeige gegen seinen Betrieb erstattet, weil jemand annahm, seine Mitarbeiter würden Gülle illegal im Wald vergraben. Was jedoch aussah wie ein Güllefass, diente dem Gießen frisch gepflanzter Pflanzen. „Das hätte man in einem direkten Gespräch klären können“, so Ulrich Resele. Er sucht den Dialog. „Wenn man den Leuten erklärt, warum wir etwas machen, finden die das in der Regel gut“, weiß er.

    Mehr Menschen im Wald durch Corona

    Polemik gegen vermeintlich ungerechtfertigte Eingriffe in die Natur erlebt auch der Leiter des Eurasburger Forstreviers, Rudi Brandl, immer häufiger. „Corona hat viele Menschen in den Wald und die Natur gebracht, die da früher nicht waren und teils wenig davon verstehen“, findet der Revierleiter. „Wir leben in einer Zeit, in dem plötzlich jedem, der einen Baum schneidet, per se eine böse Absicht unterstellt wird“, sagt Brandl.

    Von den „Balkonbiologen“ wünscht er sich, dass sie sich über die Hintergründe informieren, anstatt vehement gegen etwas vorzugehen. „Wen es stört, dass die Eschen geschnitten werden, ignoriert, dass der Eigentümer mit einem Bein im Gefängnis stünde, wenn er eine kranke Esche stehen lässt und Dritten Schäden entstehen – beispielsweise durch einen fallenden Baum oder Ast, argumentiert der Revierförster. Brandl beklagt, „dass Laien zunehmend alles menschliche Wirken in der Natur als unzulässigen Eingriff fehldeuten“. Er wünscht sich, dass sich die Menschen zuerst informieren, bevor sie in Aktion gehen.

    Förster Rudi Brandl kritisiert "Balkonbiologen", die jedem böse Absicht unterstellen, der einen Baum schneidet.
    Förster Rudi Brandl kritisiert "Balkonbiologen", die jedem böse Absicht unterstellen, der einen Baum schneidet. Foto: Anna Schubert (Archivfoto)

    Richard Brandner, Sachgebietsleiter Umweltschutz und Energiemanagement bei der Stadtverwaltung Aichach, betont, dass heute keine Kommune „leichtfertig einen Baum fällt“. Das Bewusstsein für die Bedeutung und den Wert von Bäumen und Grün habe sich in den vergangenen Jahrzehnten in den öffentlichen Verwaltungen verändert. Die Mitarbeiter der Stadt in diesen Bereichen seien alle geschult. Heute werde genau abgewogen, ob dieser letzte Schritt auch wirklich notwendig sei. Bei größeren Bäumen werde dies bei der Stadt auch durch Gutachten abgesichert, sagt Brandner. Und bei Bauprojekten – ob Hochbau, Straßenbau oder Kanalbau – habe der Schutz von Bäumen und ihren Wurzeln hohe Priorität.

    Brandner ist auch Geschäftsführer der Biomasseverbund Aichach und hat ein Beispiel dazu. Auf dem Dach des Hackschnitzel-Lagers des Heizwerks wurde eine Photovoltaikanlage montiert. Um mehr Module auf der Seite mit der höheren Sonneneinstrahlung platzieren zu können, hätten Bäume gefällt werden müssen, die das Dach verschatten. Darauf habe man aber bewusst verzichtet und umgeplant, auch wenn dadurch der Stromertrag etwas geringer sei, berichtet Brandner.

    Die Stadt Aichach versucht bei Baumfällungen die Anwohner so gut wie möglich zu informieren

    Er hat übrigens in der Corona-Pandemie keine weitere Sensibilisierung der Bevölkerung bemerkt. Die Stadt versuche bei notwendigen Fällungen die Anwohner so gut wie nur möglich zu informieren. Wenn ein Baum dann liege, seien die Rückmeldungen in der Regel geteilt. Die eine Hälfte sehe ein, dass es notwendig gewesen sei und die andere Hälfte glaube, dass in der Stadt gedankenlos umgeschnitten werde. Laut Brandner wird dieser Eindruck auch durch den zeitlichen Druck verstärkt.

    Laut Naturschutzgesetz müssen notwendige Baumfällungen bis Ende Februar abgeschlossen sein. Wenn dann in kurzer Zeit an mehreren Stellen in der Stadt gesägt werde, dann befürchteten einige Bürger eine Kahlschlagaktion. Gleiches sei bei Heckenschnitten der Fall. Wenn an mehreren Stellen Hecken auf Stock gesetzt werden, damit sie im Frühjahr wieder frisch austreiben können, im Winter dann kahle Stellen auffallen und große Haufen mit Gehölz herumliegen, dann entstehe ein falscher Eindruck.

    Die Stadt Friedberg versucht, Missverständnisse bereits im Vorfeld auszuschließen. Aktuelles Beispiel: Die Forstarbeiten am Leitenhang in Friedberg-Ost, wo von Sachverständigen ebenfalls Eschentriebsterben erkannt wurde. „Die Arbeiten werden von uns im Vorfeld in Mitteilungen an die Medien bekanntgemacht, um die Öffentlichkeit zu informieren“, erklärt Frank Büschel, Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit der Stadt.

    Vermeintlicher Waldfrevel: Hier kann man sich informieren

    Seit Corona sind Menschen verstärkt im Wald, beobachtet auch Hartmut Dauner, forstlicher Berater der Stadt Friedberg.. Er schätzt, dass sich der Besucherdruck um das Dreifache erhöht hat. „Die Menschen, die jetzt plötzlich die Natur entdecken, haben kein Verständnis dafür, dass da Bäume gefällt werden“, denkt Dauner. Er bricht eine Lanze für die nachhaltige Fortwirtschaft: Kein anderes Unternehmen auf diesem Planeten leiste so viel für den Wald.

    Dass die Empfindlichkeit der Menschen auf Eingriffe in die Natur gestiegen ist, begrüßt der Forst-Experte prinzipiell. Dennoch appelliert auch er, sich erst über den Sinn einer Maßnahme zu informieren, bevor man dagegen protestiert. Forstverwaltung, Landwirtschaftsamt und die Untere Naturschutzbehörde geben Auskunft, wenn jemand sich Fragen stellt – ebenso Eigentümer wie Ulrich Resele.

    Lesen Sie dazu den Kommentar von Thomas Goßner: Soziale Medien - Segen und Fluch zugleich

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