Wenn Manfred Losinger um 9 Uhr ins Büro kommt, klingeln die Telefone meistens schon durch. An manchen Tagen gehen unter der sogenannten Corona-Hotline 08251/92-444 im Gesundheitsamt Aichach-Friedberg mehr als 200 Anrufe ein. Vom Schnelltest, über den Impftermin bis hin zum positiven Corona-Test - Losinger und seine fünf Kollegen haben auf jede Frage die passende Antwort. Die freiwillige Arbeit hat die Sicht des 65-Jährigen auf die Pandemie verändert.
Denn neben vielen "guten Gespräch" gibt es auch Momente, in denen Losinger einfach nur zuhören kann. Es sind die Schicksale, die den Wulfertshauser bewegen. "Wenn Angehörige etwa in Quarantäne sind und sich Gedanken darüber machen, ob und wie sie einen Verstorbenen beerdigen können, dann geht mir das sehr nahe. Es gibt viele traurige Geschichten, die einem immer wieder verdeutlichen, wie gefährlich das Virus ist."
Der Großteil der Telefonate sei aber sehr positiv: "Ich freue mich, wenn ich den Leuten helfen kann. Die meisten sind sehr dankbar. Wenn ich so den Menschen Sorgen und Ängste nehmen kann, macht mich das sehr glücklich." Dann vergesse Losinger auch den stressigen Alltag: "Es gibt Tage, da können wir gar keine Pause machen, so groß ist der Andrang." Besonders häufig habe das Telefon in den Tagen vor Weihnachten geklingelt: "Alle wollten wissen, was sie jetzt dürfen und wer alles zum Essen vorbeikommen darf."
Corona-Hotline: Das bewegt die Menschen
Aktuell sei es vergleichsweise ruhig. Losinger: "Das hängt auch mit dem gefallenen Inzidenzwert zusammen. Im Moment geht es hauptsächlich um das Thema Impfen." Wann komme ich dran, wo muss ich mich anmelden und wie komme ich zum Impfzentrum? - das sind nur einige der Fragen, die Losinger und Co. derzeit wiederholt beantworten. Genervt sei der 65-Jährige deshalb aber nicht: "Jeder Einzelfall ist anders und kein Tag wie der andere. Ich habe durch meine Tätigkeit viel gelernt. Meine Sicht auf die Pandemie hat sich dadurch geändert. Ich kann die Ängste und Sorgen der Menschen sehr gut nachvollziehen."
Die Bandbreite der Fragen ist groß: "Einmal hat uns eine Frau aus Brasilien angerufen, weil sie wissen wollte, ob sie und ihre Familie bei der Einreise in Quarantäne müssen", erzählt der stellvertretende Landrat, der oft viel Geduld aufbringen müsse: "Manchmal gibt es Sprachbarrieren. Da müssen wir dann mehrmals erklären, was zu tun ist. Am Ende hat es aber meist geklappt."
Und was war die kurioseste Anfrage? "Da waren einige dabei. Am meisten haben wir gelacht, als uns jemand angerufen, der telefonisch Kontakt mit einer infizierten Person hatte. Er hatte solche Angst vor dem Virus, dass er dachte, sich auch über das Telefon infizieren zu können", so der ehemalige Kommissar, der aber klarmacht: "Es gibt immer noch viele Unklarheiten bezüglich des Virus. Solche Fragen zeigen, wie schwer es für die Menschen ist, mit der Pandemie umzugehen und wie verängstigt manche sind."
Warum die Corona-Nachverfolgung jetzt besser läuft
Seit Oktober nehmen Manfred Losinger, Bernd Büttner, Rudolf Rothhammer, Helmut Beck, Wolfgang Hamann und Josef Utzmeir Anrufe an, vorher griffen die Ehrenamtler selbst zum Hörer. Als sogenannte Corona-Cops waren sie seit Anfang April damit beschäftigt, die Infektionsketten nachzuverfolgen. Wo waren Sie gestern Abend, mit wem und haben Sie Maske getragen? - Solche Fragen stellten die Ehrenamtlichen, um möglichst schnell herauszufinden, mit wem eine positiv getestete Person Kontakt hatte. "Das war nicht immer einfach, denn man ist von der Mitarbeit der Personen abhängig. Wenn uns Kontakte verschwiegen wurden, waren wir machtlos", so Losinger.
In den allermeisten Fällen seien die Angerufenen aber kooperativ gewesen. Losinger: "Man muss den Leuten klarmachen, dass keine Bußgelder verhängt werden sollen, sondern dass es um Menschenleben geht." Besonders schwierig sei es gewesen, wenn es um die Arbeit ging. "Bevor ein Kollege zwei Wochen in Quarantäne muss, überlegt sich der ein oder andere, ob er alle Kontakte offenlegt", so der Stellvertretende Landrat und Friedberger Stadtrat.
Auch sei es nicht immer möglich gewesen, die Kontakte innerhalb eines Tages zu melden: "Für alle war es Neuland, was zu Verzögerungen geführt hat. Mittlerweile gibt es aber eine Software. Die Ergebnisse aus den Laboren werden automatisch übermittelt. Das ist eine enorme Erleichterung." Mittlerweile haben hauptamtliche Mitarbeiter die Nachverfolgung übernommen.
Mit jeder Öffnung kommen neue Fragen
Manfred Losinger hofft, dass sich das Pandemie-Geschehen weiter entspanne. Die Corona-Hotline werde es wohl aber noch eine Zeit lang geben: "Die Gefahr, dass die Inzidenzen wieder steigen, ist immer da. Wie würden gerne möglichst bald den Hörer aus der Hand legen. Leider werden wir aber noch gebraucht."
Die Arbeit werde den ehrenamtlichen Helfern auch in den kommenden Monaten nicht ausgehen, wie der Wulfertshauser erklärt: "Mit jeder Öffnung kommen wieder neue Fragen auf. Das Thema ist sehr komplex."
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