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Aichach-Friedberg: Stellen Gaffer unsere Rettungskräfte vor Probleme?

Aichach-Friedberg

Stellen Gaffer unsere Rettungskräfte vor Probleme?

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    Gaffer treten an Unfällen immer  aggressiver auf. Einer der jüngsten Vorfälle ereignete sich vor Kurzem auf der B300 im Landkreis Aichach-Friedberg: Die Polizei forderte den Gaffer auf, seine Aufnahmen umgehend zu löschen.
    Gaffer treten an Unfällen immer aggressiver auf. Einer der jüngsten Vorfälle ereignete sich vor Kurzem auf der B300 im Landkreis Aichach-Friedberg: Die Polizei forderte den Gaffer auf, seine Aufnahmen umgehend zu löschen. Foto: Symbolfoto/Montage, Ralf Lienert,

    Gaffer, die mit ihrem Wagen bremsen, um einen Blick auf die Unfallstelle zu erhaschen oder Einsatzkräfte filmen. Schlagzeilen wie diese häufen sich. So filmte ein Mann unlängst einen schweren Unfall auf der Bundesstraße 300 nahe Untergriesbach. Feuerwehr und Polizei forderten ihn auf, die Aufnahmen sofort zu löschen. Laut Mario Pettinger, Einsatzleiter beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK), gab es schon immer Probleme mit Gaffern. Und zwar speziell auf mehrspurigen Straßen, so Erich Weberstetter, Leiter der Polizeiinspektion Aichach. Ähnliches berichtet Kreisbrandrat Christian Happach: „Bei Unfällen sieht man immer öfter, dass Autofahrer auf der Gegenspur massiv bremsen.“

    Genaue Zahlen zu dem Phänomen nicht bekannt. Meist teilt die Feuerwehr mit, dass Personen zu nahe an der Unfallstelle waren. Alexander Wagenpfeil, Leiter der Polizeidienststelle Friedberg, berichtet, die Beamten seiner Inspektion hätten noch nie jemanden von einer Unfallstelle oder einem Brand wegschicken müssen, weil er Rettungskräfte behinderte.

    Die Polizei Friedberg erklärt, wann eine Straftat vorliegt

    BRK-Einsatzleiter Pettinger erzählt: „Es kommt immer mal wieder vor, dass man jemanden erwischt, der zuschaut oder ein Handy zückt.“ Alle, die Fotos und Videos von der Unfallstelle machen, würden gebeten, diese wieder zu löschen, sagt Weberstetter: „Die Fotos und Videos dürfen nicht verbreitet werden.“ Die Polizei dürfe beim Verdacht auf eine Straftat ein Mobiltelefon beschlagnahmen, ergänzt Wagenpfeil. Eine Straftat liege zum Beispiel dann vor, wenn der persönliche Lebensbereich eines Menschen durch Bildaufnahmen verletzt wird. Selber löschen dürfen die Beamten die Aufnahmen jedoch nicht.

    Oft helfe es, die Menschen anzusprechen und sie zu bitten wegzugehen, so Happach. Die Reaktionen der ungebetenen Zuschauer darauf seien gemischt. Happach erzählt: „Manche gehen weg, manche sind aggressiv.“ In letzteren Fällen müsse die Polizei hinzugezogen werden. Auch das kommt ab und zu vor. Happach erinnert sich: „In den vergangenen Jahren hatten wir zwei bis drei Fälle, wo die Polizei einschreiten musste.“

    Was Leute dazu bringt, sich als Schaulustige an Unfallstellen aufzuhalten oder zu filmen, kann sich Pettinger, Einsatzleiter des Roten Kreuzes, nicht erklären: „Ich weiß nicht, was in den Leuten vorgeht, wenn sie so verroht sind.“ Für Polizeichef Weberstetter ist die Sache klar: „Die Sensationsgier, schätze ich mal, als niederstes Motiv.“ Wagenpfeil meint: „Ein Gaffer ist zunächst einmal nichts weiter als ein Schaulustiger, wie es sie schon seit jeher gibt.“

    Beim Unfall sind Sanitäter meist nur zu zweit

    Jeder Mensch sei neugierig – und das breche in herausragenden Fällen wie einem Verkehrsunfall oder einem Brand durch. Doch auch kleinere Ereignisse befeuern mitunter die Schaulust der Menschen. „Grundsätzlich könnte man fast sagen, überall dort, wo ein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn hinfährt, könnte es etwas zu sehen geben.“

    Bei einer Unfallstelle sind die Rettungssanitäter oft nur zu zweit, wie Pettinger berichtet: „Der Rettungsdienst ist nicht so stark aufgestellt wie die Kollegen von der Feuerwehr.“ Oft bemerke er die Gaffer gar nicht, während er einen Schwerverletzten verarztet. „Wir bitten deshalb die Kollegen von Feuerwehr und Polizei, für Ordnung zu sorgen“, sagt Pettinger.

    Die Feuerwehr versucht, die Unfallstelle vor Gaffern abzuschirmen

    Um Opfer von Unfällen oder Unglücken vor ungebetenen Blicken zu schützen, versucht die Feuerwehr stets, die Unfallstelle abzuschirmen. Der Kreisbrandrat erklärt: „Wir wollen dadurch einen persönlichen Bereich schaffen.“ Die Feuerwehr verwendet dafür Decken.

    Mobile Sichtschutzwände, wie es sie die 16 Autobahnmeistereien in Baden-Württemberg bis Ende 2019 erhalten sollen, hätten die Feuerwehren im Landkreis nicht in ihrem Bestand, nur die Straßenmeistereien. Happach erklärt weiter: „Andere Möglichkeiten haben wir nicht. Großflächig abzusperren, ist nicht möglich wegen des Straßenverkehrs.“ Die Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis mit mobilen Sichtschutzwänden auszustatten, sei nicht geplant.

    Rückblick auf einige besondere Fälle auf der Autobahn

    B 17 auf Höhe Ikea, Juni 2018 Nach einem Lastwagen-Unfall stand der Verkehr in Fahrtrichtung Augsburg still. Die Bundesstraße wurde komplett gesperrt, ebenfalls die Ausfahrt Augsburg-West der A 8. Auch auf der Gegenfahrbahn bildeten sich Staus. Der Grund: Gaffer.

    A 8, Ulm, Mai 2018 Nach einem tödlichen Unfall, wieder auf der A8, filmt ein Vater vor den Augen seiner Kinder das Geschehen. Die Polizei leitet gegen ihn und neun weitere Gaffer Verfahren ein, auch weil sie den Verkehr behindert und beinahe Unfälle verursacht haben sollen.

    A 8 zwischen Günzburg und Burgau, September 2017 Ein Motorradfahrer verunglückt und kämpft um sein Leben. Nur wenige Meter entfernt hält ein gaffender Lastwagenfahrer im Stau stehend sein Smartphone in der Hand und filmt. Zu dem Zeitpunkt sind die Gesetzesverschärfungen längst in Kraft. Der Motorradfahrer stirbt noch an der Unfallstelle. Ein Gericht verhängt später gegen den Gaffer eine Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro, außerdem muss er für einen Monat seinen Führerschein abgeben. (mcz)

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Gaffer sehen das Leid anderer als Spektakel

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