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Aichach-Friedberg: Nach tödlichen Unfällen: Kurs für E-Biker

Aichach-Friedberg

Nach tödlichen Unfällen: Kurs für E-Biker

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    Auf dem Friedberger Verkehrsübungsplatz an der Vinzenz-Pallotti-Schule konnten Teilnehmer kostenlos bei einem Fahrsicherheitstraining der Kreisverkehrswacht Aichach-Friedberg Runden mit einem Pedelec drehen. Hermann Schrader (links) war mit seinem eigenen Rad da. Er probierte sich unter den Augen des Experten Wolfgang Hamanns im Slalom.
    Auf dem Friedberger Verkehrsübungsplatz an der Vinzenz-Pallotti-Schule konnten Teilnehmer kostenlos bei einem Fahrsicherheitstraining der Kreisverkehrswacht Aichach-Friedberg Runden mit einem Pedelec drehen. Hermann Schrader (links) war mit seinem eigenen Rad da. Er probierte sich unter den Augen des Experten Wolfgang Hamanns im Slalom. Foto: Denis Dworatschek

    Hermann Schrader tritt in die Pedale. Gekonnt schlängelt sich der 75-Jährige durch die aufgestellten Hütchen. Alles ohne Anstrengung. Denn Schrader fährt ein Pedelec: ein Fahrrad mit einem Elektromotor. Er ist einer von neun Teilnehmern, die an einem verregneten Nachmittag beim Fahrsicherheitstraining der Kreisverkehrswacht Aichach-Friedberg auf einem E-Bike Runden drehen.

    Seit mittlerweile sechs Jahren fährt Schrader ein Pedelec. „Für mich ist es eine Erleichterung“, sagt er. Dabei fahre er nur auf der mittleren Stufe und niemals schneller als 20 Stundenkilometer. Einen Unfall oder Probleme mit dem Rad habe er nie gehabt. Aber: „Es ist schon wichtig, sich mit dem Rad vertraut zu machen“, erklärt Schrader.

    Das sehen auch Wolfgang Hamann und Helmut Beck von der Verkehrswacht so. Sie leiten den kostenlosen Kurs am Verkehrsübungsplatz an der Pallotti-Schule. „Wir mussten irgendwas tun“, sagt Beck und spielt auf die schweren Unfälle mit Pedelecs in der vergangenen Monaten an; zwei Menschen waren tödlich verunglückt.

    Er selbst ist pensionierter Polizist und fährt seit drei Jahren E-Bike. „Man muss mit diesen Rädern das Fahrradfahren neu lernen“, erklärt er.

    Die erste fahrt mit einem Pedelec, das gemeinhin auch E-Bike genannt wird: Um das höhere Gewicht des Elektrorads durch den Slalomparcours zu lenken, braucht es viel Konzentration. Ein Fahrfehler und schon fällt die Pylone.
    Die erste fahrt mit einem Pedelec, das gemeinhin auch E-Bike genannt wird: Um das höhere Gewicht des Elektrorads durch den Slalomparcours zu lenken, braucht es viel Konzentration. Ein Fahrfehler und schon fällt die Pylone. Foto: Marcus Merk

    Im Kurs geht Hamann anfangs auf die Probleme ein. „Die menschlichen Sinne sind für Geschwindigkeiten zwischen zehn und 22 Stundenkilometern ausgelegt – das Pedelec schafft aber 25“, erklärt er. Als junger Mensch seien die Geschwindigkeiten kein Problem – aber im Alter. „Die Konzentration, Seh- und Hörkraft nehmen ab und auch die Beweglichkeit und Reaktionsschnelle lässt nach“, sagt Hamann. Folglich könne bei höheren Geschwindigkeiten eine Sekunde schnell einen großen Unterschied machen. „Kinder können in einen Bruchteil einer Sekunde reagieren, bei älteren Menschen liegt die Reaktionszeit schon bei 1,5 Sekunden“, erläutert er.

    "Der Friedberger Berg ist kein Problem mehr"

    Beck und Hamann sind sich im Klaren, dass die Pedelecs praktisch sind. „Die pure Herausforderung, der Friedberger Berg, ist mit dem Pedelec kein Problem mehr“, sagt Beck. Es sei ein tolles Gefühl, wenn man in die Pedale trete und unterstützt werde. Jedoch sei die hohe Geschwindigkeit nicht nur praktisch für Radfahrer. „Andere Verkehrsteilnehmer unterschätzen schnell einen älteren Menschen mit einem solchen Pedelec“, sagt Beck. Da komme es schon einmal vor, dass ein Autofahrer einfach aus einer Ausfahrt fährt, weil er die Geschwindigkeit des Radlers falsch einschätzt. Deshalb rät der Vorsitzende der Kreisverkehrswacht, vorausschauend zu fahren und bremsbereit zu sein.

    Beim Seminar gehen die Kursleiter außerdem auf viele grundlegende Dinge wie Verkehrszeichen, toter Winkel und Straßenverkehrsordnung ein. Sehr wichtig ist Beiden, dass ein Helm getragen wird. „Mein Kopf ist das Wichtigste, was wir haben. Also lasst es uns schützen“, sagt Hamann. Nach dem dreiviertelstündigen Theorieteil geht es dann hinaus an die kühle Luft.

    Wie gefährlich leben Radfahrer?

    Obwohl die Zahl der Verkehrstoten deutschlandweit im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen ist, ist die Anzahl der Fahrradfahrer, die bei Unfällen tödlich verletzt werden, gestiegen. Deutschlandweit nahm die Anzahl verunglückter Fahrradfahrer um fünf Prozent zu.

    Die aktuelle Verkehrsstatistik des Polizeipräsidiums Schwaben Nord gibt Aufschluss darüber, wie es im Landkreis Augsburg aussieht. Zwar sind noch keine Zahlen für 2019 erfasst, trotzdem kann man eine Entwicklung ablesen.

    Im Vergleich zu 2009 ist die Anzahl der Unfälle, in die Radler verwickelt waren, um über vierzig Prozent gestiegen. Im Jahr 2018 passierten mit 315 Unfällen die meisten seit 2009. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass mehr als 70 Prozent dieser Unfälle durch die Radler selbst verursacht wurden.

    291 Radler, die 2018 einen Unfall hatten, verletzten sich dabei. Im Vergleich zu 2009 ein Anstieg um fünfzig Prozent. Glücklicherweise starb kein Fahrradfahrer im Jahr 2018. In der Vergangenheit gab es mehr Tote. Einen traurigen Rekord zeigt die Statistik im Jahr 2012. Damals wurden vier Radler im Landkreis tödlich verletzt.

    Interessant sind auch die Unfallzahlen mit E-Bikes. Die Zahl der Verletzten stieg von 2017 bis 2018 um 100 Prozent auf insgesamt 24 Personen. An über 50 Prozent der Unfälle kein anderer Verkehrsteilnehmer beteiligt war. (karrt)

    Werner Pfundmeir vom gleichnamigen Fahrradladen stellt kostenlos Testräder zur Verfügung und erklärt die Technik, während die Teilnehmer erste Runden drehen. Einige haben ihr eigenes Rad dabei, so wie Schrader. Sie dürfen sich an einem Slalom versuchen und gezielt Bremsen üben.

    "Das E-Bike war mir unheimlich"

    Und auch Sabine Schröder traut sich an diesem Nachmittag wieder aufs Pedelec. Sie hatte sich schon einmal eines gekauft. „Es war mir aber unheimlich, weil es so schnell beschleunigte und sich anders verhielt“, sagt die 69-Jährige. Hamann kann die Kursteilnehmerin verstehen und erklärt: „Es ist wichtig, bestimmte Dinge wieder zu verinnerlichen und man muss selbst damit üben.“

    Beim Pedelec empfiehlt er daher, dass man zunächst „einsteigt“ und erst dann „aufsteigt“. „Einfach über den Sattel springen und losfahren ist nicht“, so der Experte. Das Pedelec verhalte sich anders als ein Fahrrad, da es schon bei der kleinsten Trittbewegung durch den Motor mitbeschleunigt. „Dadurch ist der Wendekreis in Kurven höher“, sagt Hamann. Deshalb lieber nicht treten und in der Kurve rollen lassen. „Und nicht den Motor einschalten, bevor ich aufsteige, sonst fährt das Rad plötzlich los.“

    Schröder fand die paar Runden auf dem Pedelec sehr angenehm. Gerne will sie wieder eines haben und gibt zu, dass sie damals einfach übereilt ein Pedelec gekauft habe. Und auch die restlichen Teilnehmer und Kursleiter waren mit dem zweistündigen Kurs zufrieden. „Wir überlegen eine gemeinsame Ausfahrt zu unternehmen, damit die Teilnehmer einmal auf der Straße fahren können“, sagt Hamann. Er ist sich jedenfalls sicher, dass die Pedelecs in Zukunft noch attraktiver werden.

    5 Tipps für E-Bike- und Pedelec-Fahrer

    1. Die Experten von der Verkehrswacht empfehlen, erst auf das Rad aufsteigen und dann den Elektromotor einschalten.
    2. Wenn man an einer Kreuzung oder der Ampel anhalten muss, sollten die Füße weg vom Pedal. Schon der kleinste Tritt beschleunigt das Rad.
    3. In Kurven den Motor abschalten oder einfach rollen lassen, andernfalls vergrößert die zusätzliche Beschleunigung den Wendekreis.
    4. Vorausschauend fahren: Andere Verkehrsteilnehmer unterschätzen womöglich die hohe Geschwindigkeit des Pedelecs.
    5. Nie ohne Helm fahren. Jedoch raten die Experten überhaupt nie darauf zu verzichten – ob Pedelec oder Rad.

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