Fast genau ein Jahr sind sie her, die bis dato letzten unbeschwerten Begegnungen, Feiern, Reisen. Mal lockerer, mal fester hat Corona seitdem den Landkreis Aichach-Friedberg im Griff. Wie massiv die Pandemie das Leben im Wittelsbacher Land beeinflusst, zeigt nun ein Forschungsprojekt des Robert-Koch-Instituts (RKI) und der Humboldt-Universität Berlin. Es veranschaulicht in einer interaktiven Grafik, wie sich das Verhalten der Menschen ändert - und dadurch möglicherweise auch, warum sich die Infektionszahlen im Landkreis seit März so entwickeln, wie sie es tun.
Das Forschungsprojekt erfasst in einem "Mobility Monitor" seit März 2019 Bewegungsströme der Menschen in Deutschland. Grundlage sind anonymisierte Daten von Mobilfunkanbietern wie Deutsche Telekom oder Vodafone. Diese zeigen deutlich, wie sich die Corona-Pandemie und die einhergehenden Maßnahmen auf die Menschen und ihre Mobilität auswirken.
Mobilität in Aichach-Friedberg sank im ersten Lockdown bis zu 60 Prozent
Los geht alles am 11. März. Zu diesem Zeitpunkt hat das Virus Deutschland längst erreicht, die Fälle steigen, die ersten Corona-Toten werden registriert. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Mobilität im Landkreis Aichach-Friedberg da beinahe noch unverändert. Doch das ändert sich, und zwar schnell: Gut eine Woche später haben die Reisen deutlich abgenommen, an manchen Tagen über 60 Prozent. Der Tiefpunkt ist rund um die Lockdown-Ankündigung am 21. März erreicht. Es dauert bis etwa Mitte Mai, bis sich das Bewegungsverhalten annähernd wieder normalisiert.
Diese Entwicklung im Wittelsbacher Land ist keine Ausnahme, wie Frank Schlosser, fachlicher Leiter des Projekts, im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Deutschlandweit habe die Mobilität im März durchschnittlich um 40 Prozent abgenommen. "Damals war klar zu sehen: Die Leute haben sich an die Maßnahmen gehalten, sich gleichzeitig aber auch freiwillig stark eingeschränkt. Sie wollten bewusst daheim bleiben, um auf Nummer sicher zu gehen."
Mobility Monitor: "Menschen bewegen sich seit Corona lokaler"
Nicht nur Entwicklungen und Trends, auch einzelne Tage zeigen das Ausmaß, in dem die Pandemie die Menschen einschränkt. Beispiel 1. Mai: In etlichen Dörfern und Kommunen werden an diesem Tag Maibäume aufgestellt und Feste gefeiert.
Nicht so 2020: Am 1. Mai verzeichnet der "Mobility Monitor" rund 55 Prozent weniger Bewegungen als noch im Vorjahr. Jedoch kann der Blick auf einzelne Tage auch täuschen - etwa, wenn das Wetter an beiden Vergleichsdaten komplett unterschiedlich war.
Bis zum Sommer sanken die Infektionszahlen im Landkreis Aichach-Friedberg. Quasi im Gegenzug nahmen die Reisen wieder zu, wenn auch durchschnittlich auf etwas niedrigerem Niveau als 2019. Dass sie vor allem im August zunahmen, erklärt Forscher Schlosser so: "Wir haben in ganz Deutschland beobachtet, dass die Leute in den Sommerferien häufiger Urlaub und Tagesausflüge in der eigenen Region gemacht haben." Allgemein hätten Langdistanzreisen deutlich abgenommen. "Die Menschen bewegen seit Corona insgesamt sich viel lokaler."
RKI: Zusammenhang zwischen Mobilität und Infektionszahlen
Zwischen Anfang September und Ende Oktober 2020 waren die Menschen im Wittelsbacher Land merklich mobiler, der Durchschnittswert liegt durchgehend über dem des Vorjahrs. Vergleicht man damit die Entwicklung der Inzidenzwerte, stellt man fest: Just ab Ende Oktober schossen die Infektionszahlen in die Höhe. Zufall?
"Die eine Entwicklung muss nicht zwangsläufig eine vollständige Erklärung für die andere sein. Wenn die Mobilität um 20 Prozent hoch geht, steigen die Infektionen nicht automatisch auch um 20 Prozent", sagt Schlosser. Entscheidender Faktor für den Verlauf der Pandemie seien die sozialen Kontakte, also das Verhalten der Menschen - genau darauf lasse die Entwicklung der Mobilität jedoch Rückschlüsse zu. "Wir gehen davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen Mobilität und Infektionsdynamik besteht. Mobilitätsrückgang bremst die Pandemie aus, das legen die Statistiken nahe." Die Mobilität sei deshalb auch einer von mehreren Parametern, die auch in politische Entscheidungen einflössen.
Pandemie: Lockdown light hat im Wittelsbacher Land kaum gewirkt
Am 2. November, als Reaktion auf die steigenden Infektionszahlen, lautete einer dieser vielen politischen Entscheidungen: Lockdown light. Die einen - Restaurants, Kinos und Museen etwa - mussten schließen; die anderen - zum Beispiel Einzelhandel, Schulen sowie Bau- und Gartenmärkte - blieben offen. In Aichach-Friedberg sank die Mobilität nur an den ersten Tagen nach dem 2. November. Anschließend näherten sich die Werte wieder dem Vorjahresniveau und lagen bis Mitte Dezember teilweise sogar höher als 2019. Auch die Inzidenzwerte blieben im Wittelsbacher Land hoch, bis Ende Dezember fast durchgehend über der 100-Marke.
Danach gingen die Corona-Zahlen wieder nach unten - teils, weil zwischen den Jahren weniger getestet wurde, teils, weil der harte Lockdown zu wirken schien. Er war am 16. Dezember in Kraft getreten und führte offenbar auch dazu, dass im Landkreis Aichach-Friedberg deutlich weniger gereist wurde, vor allem an den Weihnachtsfeiertagen (minus 27 bis minus 48 Prozent) und Silvester/Neujahr (minus 29 bzw. minus 49 Prozent). Viele Menschen im Wittelsbacher Land befolgten allem Anschein nach die Empfehlungen der Politik und passten ihre Feiertagspläne an.
Landkreis-Bewohner schränken Mobilität im zweiten Lockdown weniger ein
Dennoch: Im zweiten "harten" Lockdown - und zwar bis heute - haben die Landkreis-Bewohner ihre Mobilität deutlich weniger eingeschränkt als noch im ersten. "Damit steht Aichach-Friedberg nicht alleine da", sagt Forscher Schlosser. "Zumindest mit Blick auf Mobilität haben die Maßnahmen im zweiten Lockdown eindeutig nicht mehr so stark gewirkt." Woran das liege? "Es kann sein, dass sich die Leute nicht mehr so stark einschränken wie im Frühjahr 2020."
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