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Aichach-Friedberg: Kapellen in Aichach-Friedberg erinnern an Heilige und an Epidemien

Aichach-Friedberg

Kapellen in Aichach-Friedberg erinnern an Heilige und an Epidemien

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    Am 27. Dezember ist der Johannestag – früher ein Feiertag. Vor dem Amt wurde der Johanneswein geweiht, der während der Messe der Pfarrgemeinde zum Trinken gereicht wurde. Der heilige Johannes ist in Kirchen meist unter dem Kreuz zu sehen, so wie hier in Weinsbach, es handelt sich um eine Arbeit von Arnold Holzknecht aus St. Ulrich im Grödental.
    Am 27. Dezember ist der Johannestag – früher ein Feiertag. Vor dem Amt wurde der Johanneswein geweiht, der während der Messe der Pfarrgemeinde zum Trinken gereicht wurde. Der heilige Johannes ist in Kirchen meist unter dem Kreuz zu sehen, so wie hier in Weinsbach, es handelt sich um eine Arbeit von Arnold Holzknecht aus St. Ulrich im Grödental. Foto: Hubert Raab

    Auch Heilige sind Moden unterworfen. Wilgefortis zum Beispiel, einst eine beliebte Volksheilige, wurde im 20. Jahrhundert immer weniger verehrt – obwohl sie eine bewegende Geschichte vorzuweisen hat. Um nicht an einen Heiden verheiratet zu werden, bat sie Gott, dass ihr ein Bart wächst – mit Erfolg. Für diesen Affront ließ ihr Vater sie kreuzigen – und so wird sie dargestellt, als gekreuzigte Frau mit Bart. Als Heilige, auch „Kümmernis“ genannt, nimmt sie sich aller großen und kleinen Probleme an – vor allem derjenigen von Frauen. Was aber hat die Geschichte der portugiesischen Königstochter mit dem Wittelsbacher Land zu tun?

    Auch hier gibt es noch einige wenige Darstellungen von ihr, erfährt man von Gabriele und Hubert Raab. Der Besitzer einer Kapelle holte die Figur allerdings zu sich ins Haus, weil er sie für einen gekreuzigten Jesus hielt – was sie im Ursprung wohl tatsächlich war. Solche Geschichten erzählt das Ehepaar in seinem neuen Buch „Kapellen im Wittelsbacher Land“.

    Das Buch ist im Augsburger Wißner-Verlag erschienen

    Wie kamen sie auf die Idee? Gabriele Raab sagt: „Hubert und ich schwimmen gegen den Strom der momentanen Meinungen und Gedanken. Wir möchten nur wieder das Interesse für unsere Heimat wecken und auf die Schönheit unserer Kulturlandschaft hinweisen.“ Denn, so schreiben die Raabs in ihrem Vorwort: „Im Kahlschlag der Kulturlandschaft hat ein charakteristischer Bestandteil des Wittelsbacher Landes überlebt: die Kapellen, Marterln und Flurkreuze als Sinnbild des geistig-kulturellen Erbes.“ Die Raabs haben sogar einen Teil der Druckkosten des Wißner-Verlages privat übernommen, um den Preis mit 19,80 Euro erschwinglich zu halten. Mit Erfolg: Im Verlag ist das Werk, das eine Auflage von 1000 Exemplaren hatte, schon vergriffen, jedoch noch im Landratsamt Aichach-Friedberg erhältlich.

    Was aber ist eigentlich eine Kapelle? In der Definition ein kleiner Bet-, Gottesdienst- oder Andachtsraum; dabei zeigen sich Kapellen im Wittelsbacher Land sehr vielgestaltig, reichen von kleinen Kapellenbildstöcken, etwa in Gagers – bis hin zu großen Bauten wie in Kissing oder Mering. Wie Gabriele und Hubert Raab erklären, lassen sich für einen Kapellenbau verschiedene funktionale Aspekte erkennen: Privatkapellen, Wegkapellen und Votivkapellen. Privatkapellen erbauten sich Schlossherren, etwa in Pöttmes und Hofhegnenberg, aber auch Hofbesitzer, zum Beispiel in Weinsbach. Teilweise entschlossen sich ganze Dorfgemeinschaften zum Bau einer Kapelle, etwa in Zillenberg.

    Primizkapellen erinnern an das erste Messopfer eines Priesters. Wegkapellen stehen an alten Straßen oder markanten Standorten, so Hergertswiesen an der alten Weinstraße. Die Kreuzkapelle an der Straße Tattenhausen-Laimering geht die Überdachung eines Wegkreuzes zurück, ebenso Harthausen. Eine Wallfahrtskapelle ist zum Beispiel Maria Alber in Friedberg. Die Kapelle St. Salvator bei Adelzhausen gilt inzwischen als Autobahnkapelle.

    In Rossmoos protestierte eine Kapelle gegen eine Mülldeponie

    In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind die Flurbereinigungskapellen erbaut worden, auch die Protestkapellen zum Schutz der Heimat. So wurde im Rossmoos nahe Inchenhofen in der Freinacht 1992 von Unbekannten eine Kapelle errichtet, um die geplante Restmülldeponie zu verhindern – mit Erfolg. Votivkapellen haben die Menschen aus Dankbarkeit oder infolge eines Gelübdes oder zum Gedenken errichtet. Im Wald bei Baar bauten Eltern eine Kapelle zum Dank für den glimpflichen Ausgang eines Unfalls ihrer Tochter. Zahlreiche Kapellen erinnern an Epidemien. Viele wurden jedoch zur Ehre Gottes, Mariens oder eines Heiligen errichtet.

    Am 27. Dezember ist der Johannestag. Gabriele Raab weiß dazu: Das Fest des Evangelisten Johannes war früher ein ganzer Feiertag. Vor dem Amt wurde der Johanneswein geweiht, der während der Messe der Pfarrgemeinde zum Trinken geweiht wurde. Noch 1986 brachte Pfarrer Graf mehrere Kartons Wein mit, weihte ihn in der Unterbergener Kirche und schenkte ihn im Feuerwehrhaus an alle aus. Auf dem Feiertag des Johannes Evangelista beruht auch der Ausdruck „Hans Wurst“: In der Winterzeit konnte früher wegen der fehlenden Kühlmöglichkeiten geschlachtet werden. Im Gegensatz dazu Johannes Baptista (Feiertag 24. Juni): „Hans Dampf“, denn in der Sommerzeit mussten früher hauptsächlich Mehlspeisen gekocht werden. Johannes ist in Kirchen meist unter dem Kreuz zu sehen.

    Bei all dem erinnert das Ehepaar Raab jedoch vor allem auch an eines: „Neben der Bedeutung als geistig-kulturelles Erbe unserer Heimat sind Kapellen vor allem ein Raum, in dem die Menschen Stille finden und zu Gott beten können.“

    Über diese Orte der Stille berichten wir nun in einer Serie in loser Folge.

    Das Buch "Kapellen im Wittelsbacher Land"

    • „Kapellen im Wittelsbacher Land“, Wißner-Verlag, 190 Seiten, viele Fotografien.
    • Das Buch ist im Verlag vergriffen.
    • Es sind jedoch Exemplare im Landratsamt vorrätig (Kontakt: katharina.martin@lra-aic.fdb.de) sowie teilweise auch im örtlichen Buchhandel.

    Lesen Sie den Kommentar: Ein Ehepaar mit großem Herz für die Heimat

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