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Aichach-Friedberg: Interview: Sie hilft Feuerwehrleuten nach traumatischen Unglücken

Aichach-Friedberg

Interview: Sie hilft Feuerwehrleuten nach traumatischen Unglücken

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    Angela Hammerl hilft im Hintergrund mit, Feuerwehrleute nach schwer zu verarbeitenden Einsätzen zu unterstützen.
    Angela Hammerl hilft im Hintergrund mit, Feuerwehrleute nach schwer zu verarbeitenden Einsätzen zu unterstützen. Foto: Feuerwehr Pöttmes

    Frau Hammerl, was ist Ihre Aufgabe?
    Angela Hammerl: Ich baue ein Peer-Team auf. Peers sind kollegiale Ansprechpartner, an die sich Kameraden nach einem belastenden Ereignis wenden können. Peer werden kann jeder, der ohnehin schon ein guter Ansprechpartner für seine Kollegen war und den Lehrgang an der staatlichen Feuerwehrschule Geretsried besucht hat. Empfehlenswert ist jedoch, sich nach einem belastenden Fall an Kollegen zu wenden, die bei dem fraglichen Einsatz nicht vor Ort waren. Denn diese haben selbst belastende Eindrücke und müssen sie verarbeiten.

    Woher wissen Feuerwehrleute, an wen sie sich wenden müssen?
    Hammerl: Jeder bei der Feuerwehr kennt uns und hat zum Beispiel schon in der Grundausbildung einen Vortrag von uns gehört. Darin erläutern wir, was auf sie zukommen und wie der Körper darauf reagieren kann. Zudem vermitteln wir Strategien, was dagegen zu tun ist.

    Hammerl ist Fachberaterin in der psychosozialen Notfallversorgung

    Waren Sie auch bei den Fällen der drei verunglückten Friedbergerinnen in Landsberg oder beim Todesfall eines Kissinger Jungen vom vergangenen Wochenende beteiligt?

    Hammerl: Das darf ich leider nicht sagen.

    Angelika Hammerl hilft Feuerwehrleuten in der Trauer im Landkreis Aichach-Friedberg

    Zur Person Angela Hammerl ist seit etwa sieben Jahren die Fachberaterin für die psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte aller Feuerwehren im Landkreis Aichach-Friedberg.

    Die Aufgaben Hammerl schult die Feuerwehrkollegen als ehrenamtliches Mitglied der Kreisbrandinspektion ihre Kameraden und unterstützt und begleitet sie während und nach belastenden Einsätzen. An den Schulungen kann jedes interessierte Mitglied der Feuerwehr teilnehmen.

    Wie gehen Sie grundsätzlich mit dem Tod eines Kollegen um?
    Hammerl: Der jeweilige Kommandant ist als Führungskraft derjenige, an dem sich seine Mannschaft orientiert. Er ist auch im Falle des Versterbens eines Kameraden dafür zuständig, die Mannschaft gut durch diese schwierige Zeit zu führen. Wir unterstützen ihn dabei und überlegen gemeinsam, welches Vorgehen, in welcher Reihenfolge sinnvoll wäre. Bei ihm liegt letztendlich jedoch die Entscheidung darüber. Wir arbeiten also im Hintergrund und überlassen so dem Kommandanten die Oberhand. Wenn er etwas braucht, kommt er auf uns zu. Das darf und soll er auch.

    In welchen Situationen treten Sie dann in den Vordergrund?
    Hammerl: Wir treten eigentlich ganz selten in den Vordergrund. Muss ein Kommandant zum Beispiel die Nachricht über den Tod eines Kameraden überbringen, können wir dabei sein und eingreifen, müssen es aber nicht. Der Kommandant kann aber auch sagen, dass er es alleine schafft. Wichtig ist, dass man die Entscheidung den zuständigen Führungskräften überlässt, manche wollen es nämlich auch alleine schaffen. Wir unterstützen aus dem Hintergrund und dienen als beratende Rückfallebene.

    Wie viele Kameraden kommen auf Sie zu?
    Hammerl: Die Zahl ändert sich immer wieder. Es gab eine Zeit, zu der wir öfter an Einsatzorte kommen sollten. Das war eben das Bedürfnis des Einsatzleiters. Derzeit findet jedoch ein Wandel statt, und zwar zur Hilfe durch Selbsthilfe. Wir geben den Kollegen Strategien an die Hand, mit deren Hilfe sie selbst mit der Situation umgehen können. Und genau das ist unser Ziel. Jeder weiß, dass wir da sind, und kann sich an uns wenden.

    Nach Unglücken: So hilft Angela Hammerl ihren Feuerwehr-Kollegen

    Wie reagieren Sie bei schwereren seelischen Belastungen, zum Beispiel einer posttraumatischen Belastungsstörung?
    Hammerl: Kollegen mit diesen Symptomen müssen wir zeitnah weitervermitteln. Manchmal kommen Kameraden auf uns oder auf den zuständigen Peer zu, dann können wir erste Gespräche führen und gemeinsam die nächsten Schritte planen.

    Auf der Bundesstraße 17 auf Höhe von Denklingen haben sich in den vergangenen Wochen mehrere schwere Unfälle ereignet. Beim schlimmsten Unfall starben Anfang Juni vier Menschen. 
    Auf der Bundesstraße 17 auf Höhe von Denklingen haben sich in den vergangenen Wochen mehrere schwere Unfälle ereignet. Beim schlimmsten Unfall starben Anfang Juni vier Menschen.  Foto: Julian Leitenstorfer (Archiv)

    Haben Einsatzkräfte bestimmte eigene Strategien zur Traumabewältigung?
    Hammerl: Das haben sie schon. In Kombination mit dem Wissen, das wir während unserer Schulungen vermitteln, können Kollegen zum Beispiel Schlaflosigkeit oder ein ungutes Gefühl mit einem möglicherweise belastenden Ereignis in Zusammenhang bringen. Und dann sind sie sich im Klaren darüber, dass es sich um eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis handelt. Das ist das optimale, wünschenswerte Szenario.

    Was sind Strategien, den Verlust eines Kameraden zu verarbeiten?
    Hammerl: Zum Beispiel, dass man einen Gegenstand der Feuerwehr, den Helm des Mitglieds oder Ähnliches, mit ins Grab legt. Anschließend hilft der Kommandant dabei, das kommende Trauerjahr mit seinen Kameraden zu bewältigen. Wir können ihn dabei unterstützen. Wenn eine Einsatzkraft etwa fünf, sechs Wochen später ein ungutes Gefühl hat, kann er zu einem Peer oder zu mir kommen. Der Großteil dieser Gespräche findet aber innerhalb der eigenen Wehr statt.

    Wie läuft ein Gesprächstermin mit Ihnen ab?
    Hammerl: Wir arbeiten nach einer speziellen Methode, der Stressbewältigung nach belastenden Einsätzen (SbE). Dabei bedienen wir uns unterschiedlicher Maßnahmen, die übrigens auch die Peers lernen. Oft finden diese Gespräche aber auch nur zwischen Tür und Angel statt. Schon so kann man kurzfristig helfen.

    Was sind mögliche Auswirkungen eines belastenden Einsatzes?
    Hammerl: Jede Einsatzkraft reagiert anders auf potenziell belastende Einsätze. Das hängt auch viel davon ab, was jeder Einzelne während eines Einsatzes erlebt und wahrnimmt. Wenn beispielsweise ein Unfallfahrzeug die gleiche Farbe hat wie das des Lebenspartners, könnte die Einsatzkraft getriggert werden. Das heißt, es wird eine körperliche Reaktion aufgrund der Angst um den Partner ausgelöst. Die Auswirkungen einer solchen Belastung reichen von Unruhe, Schlaflosigkeit über Gereiztheit bis zu körperlichen Beschwerden. Allerdings klingen diese Beschwerden in der Regel innerhalb der nächsten Tage wieder ab, und alle Kameraden lernen bei uns, mit solchen Reaktionen umzugehen. Hier können sich die Kameraden beispielsweise auch an uns wenden. Derartige Belastungsfaktoren können wir in Gesprächen benennen und die Kameraden im Umgang damit unterstützen.

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