Nur gut eine Hand voll anderer Regisseure haben sich wie Federico Fellini einen Platz ganz oben im Olymp der Filmemacher sichern können. "La Strada", "Die Müßiggänger" oder "Satyricon" sind längst Klassiker des genialen Mannes aus Rimini, der am 20. Januar seinen 90. Geburtstag feiern würde. Am 31. Oktober 1993 ist er in Rom gestorben. Ein Mythos war er schon zu Lebzeiten. Die Lücke ist riesig - in Italien fehlt ein "Märchenerzähler" von seinem Kaliber.
Italien vermisst Fellini: Seine kritische Stimme zu Werbung und Fernsehen verstummte für immer, gerade als der Mailänder Medienzar und Milliardär Silvio Berlusconi seine politische Karriere startete und das Medium Fernsehen vor fragwürdigen Neuerungen stand. Und: Der "Seiltänzer zwischen Traum und Realität" steht für eine längst vergangene Glanzzeit des italienischen Films.
Dabei spaltete der Meisterregisseur durchaus, wollte es sicher auch so: Tosender Applaus, aber auch Pfiffe und wüste Schimpftiraden gab es, als im Jahr 1960 "La dolce vita" (Das süße Leben) in die italienischen Kinos kam. Der Streifen voller Exzesse, ungenierter Freizügigkeit und Überzeichnungen war ein Skandal, dem noch andere folgen sollten. In seiner Heimat so verehrt wie ein Popstar, von Taxifahrern und Fans liebevoll "FeFe" genannt, schrieb er mit Werken wie "Amarcord" oder "Casanova" etliche Kapitel der Kinogeschichte des 20. Jahrhunderts. Dabei gab Fellini in seinen 25 Filmen bis 1990 immer auch eine Menge Rätsel auf: Dieser "Zauberer von Rimini" wollte nicht festgelegt werden, entzog sich Deutungen.
"Wir glauben, wir sehen nur einen Film, aber in Wirklichkeit ist es die Geschichte unseres Lebens", so hat der Schriftsteller Italo Calvino erklärt, warum das Werk aus vier Jahrzehnten fasziniert - die barocken Bilderbögen, die zirzensischen Inszenierungen und magischen Traumsequenzen hallen nach. Dafür musste Fellini einen weiten Weg vom italienischen Neorealismus eines Roberto Rossellini ("Rom - offene Stadt", 1945) zu den surrealen, poetischen und skurrilen Bilderorgien seiner späteren Werke gehen. Der überbordende Einfallsreichtum zahlte sich aus: Der Goldene Ehrenlöwe in Venedig und Europas Filmpreis für das Lebenswerk stellten sich ein. Den Ehren-Oscar bekam Fellini nur wenige Monate vor seinem Tod - aus der Hand von Marcello Mastroianni.
Und das war kein Zufall: Der italienische Starschauspieler hatte jenen skrupellosen Paparazzo in "La dolce vita" gespielt, aber auch die Hauptrolle in Fellinis "Achteinhalb" (1963) und "Ginger und Fred" (1986). "Achteinhalb" ist ein "Film im Film", eine Oscar-gekrönte Reflexion über die Regiearbeit, und das Spätwerk "Ginger und Fred" erzählt vom Tagesablauf zweier Tänzer beim Fernsehen, die einst als Doubles von Ginger Rogers und Fred Astaire bekannt waren. Fellini führt hier die Entfremdung des Künstlers in der anbrechenden Epoche kommerziellen Fernsehens vor Augen - und ist damit aktueller denn je.
Die weibliche Hauptrolle spielte oft Ehefrau Giulietta Masina, die bereits der ebenso armen wie naiv-liebenswürdigen Gelsomina in "La Strada" (1954) die starken menschlichen Züge gegeben hatte. Der Film machte beide über Nacht weltbekannt und zu einem Traumpaar. Wobei die Ehefrau immer mächtig unter der Untreue des Mannes zu leiden hatte, der "Sex, Essen und Filmemachen" als seine Leidenschaften beschrieben hat. Immerhin nannte er sie "die kleine gute Fee in meinem Leben".
Der Sohn eines Geschäftsmannes versuchte sich erst als Journalist, Texter und Karikaturist, dann arbeitete Fellini an Drehbüchern mit. Überbordende Ausstattungen und Kosten wurden zu einem Markenzeichen des Regisseurs, dessen Filme im Titel oft mit dem Namen des genialen Regisseurs begannen: ""Fellinis" Satyricon" sowie "Roma", "Stadt der Frauen" und "Schiff der Träume". Der Mann, der die Selbstinszenierung liebte und sich dabei durchaus auch selbst auf die Schippe nahm, hat sich mit seinem Werk in der Kinowelt unsterblich gemacht.