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Interview: "Es ist für Männer wichtig geworden, sexy zu sein"

Interview

"Es ist für Männer wichtig geworden, sexy zu sein"

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    Dag Schölper ist Geschäftsführer des Bundesforum Männer, das politische Lobbyarbeit für Jungen, Männer und Väter bertreibt.
    Dag Schölper ist Geschäftsführer des Bundesforum Männer, das politische Lobbyarbeit für Jungen, Männer und Väter bertreibt. Foto: Michael Miethe, Berlin

    Herr Schölper, Sie sind Geschäftsführer des Bundesforum Männer. Warum braucht es eine Interessenvertretung speziell für Männer?
    DAG SCHÖLPER: Lassen Sie mich das an der Vereinbarkeitsfrage verdeutlichen. Wir fragen, was Arbeitgeber brauchen, damit ihre mehrheitlich vollzeitbeschäftigten männlichen Beschäftigten mehr Verantwortung in ihren Familien übernehmen können, und wie es Männern möglich wird, ihre erkrankte Partnerin zu pflegen. Wenn wir darüber diskutieren, wie eine Mutter von zwei Kindern nach sechs Jahren in den Beruf zurückkehren kann, müssen Männer mitgedacht werden. Wir brauchen bessere Bedingungen für eine partnerschaftliche Aufteilung von Sorgearbeit. Das ist auch im Interesse vieler Väter, die sich heute mehr Zeit mit ihren Kindern wünschen.

    Und wie kann das Bundesforum Männer konkret helfen?
    SCHÖLPER: Als Dachverband nehmen wir politischen Einfluss und versuchen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir stärken zudem insgesamt die Beratungsarbeit für Männer. Dazu vermitteln wir Know-how, damit zum Beispiel die Sozialberatungen vor Ort oder auch Jobcenter Männer besser unterstützen können. Gleiches gilt für Sucht- und Drogenberatungsstellen oder die Gesundheitsberatung.

    Dass Männer sich beraten lassen, klingt für mich nach einem modernen Männerbild.Wie muss ich als moderner Mann sein?Essay Wann hat sich denn die Perspektive auf Männlichkeit verändert?
    SCHÖLPER: Männlichkeit ist seit jeher im Wandel. Aber historische Einschnitte wie der Übergang von der Industriegesellschaft in die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft und die Demilitarisierung bis zur Aussetzung der Wehrpflicht 2011 haben Veränderungen beschleunigt. Man denke nur an den Bereich der Kindertagesbetreuung als Orte der frühkindlichen Bildung und zur Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf.

    Wie wurde diese Veränderung sichtbar?
    SCHÖLPER: Am Bild des kinderwagenschiebenden Vaters wird der Wandel erkennbar. Heute ist das ein selbstverständliches Bild. Noch in den 1990ern war es das nicht. Die Einführung des Bundeselterngeldes und der sogenannten Väter-Monate vor 15 Jahren trieben das weiter voran. Alte Männer-Bilder bekamen Konkurrenz. Selbst Fußballer legten sich ab Ende der 90er Jahre ein neues Image zu. Statt Bauchansatz und Oberlippenbart wurden Sixpack und makellos gepflegte Haare, Haut und Fingernägel zum Must-have. Es ist für Männer wichtig geworden, sexy zu sein.

    Und trotzdem gibt es aber auch ein anderes Bild von Männlichkeit.
    SCHÖLPER: In den letzten 25 Jahren sind verschiedene Entwicklungen zu beobachten: Da gibt es weiterhin die kernige Macho-Männlichkeit, dort eine, die mit femininen Attributen spielt, und wieder andere, die sich bewusst uneindeutig verorten. In dieser Vielfalt liegt auch Spaltungspotenzial. Einige können und wollen da nicht mitgehen. Sie halten an einem rigiden Männer-Bild fest und fordern Eindeutigkeit – die selbstverständlich sie definieren. Alles, was davon abweicht, wird abgewertet und bekämpft. Das äußert sich in aggressivem Hass gegen LSBTIQ-Personen und selbstbewusste Frauen, aber auch gegen Männer, die nicht ins eigene Weltbild passen.

    Diese Vielfalt der eigenen Männlichkeit kann auch verunsichern. War es früher einfacher, ein Mann zu sein?
    SCHÖLPER: Ich glaube nicht, dass das Leben von Männern in den letzten 150 Jahren leichter gewesenGenderforscherin: "Männlichkeit ist erklärungsbedürftig geworden"Interview ist. Dafür muss man sich nur die Lebenserwartung ansehen, die nur halb so lang war. Ich bin überzeugt, dass feministischer Druck etwas verändert hat. Frauen wollten über ihr Leben mitentscheiden, mitreden und mitbestimmen. Und spätestens ab diesem Zeitpunkt mussten sich Männer mit ihrer Rolle auseinandersetzen. Für manche Männer war das sehr befreiend, für andere ist das bis heute sehr herausfordernd.

    Männer verdienen im Durchschnitt immer noch mehr als Frauen. Auch in Führungspositionen sind Männer überproportional oft. Angenommen, ein Unternehmen sucht deshalb explizit nach einer Frau, um mehr Diversität zu erlangen. Dann werde ich als Mann doch benachteiligt.
    SCHÖLPER: Das Fehlen von bestimmten Gruppen in bestimmten gesellschaftlichen Positionen beruht auf diskriminierenden Ausschlüssen. Wenn ein Unternehmen hier gegensteuert, ist das im Sinne der sozialen Gerechtigkeit zunächst einmal gut. Dennoch kann es für den Einzelnen sehr frustrierend sein, trotz Neigung, Kompetenzen und entsprechender Ausbildung abgewiesen zu werden.

    Muss ein Mann heutzutageWann ist ein Mann ein Mann? Das sagen Männer aus der RegionMännlichkeit also Feminist sein?
    SCHÖLPER: Wenn es feministisch ist, eine Toleranz für Perspektiven zu haben, die eine vermeintlich natürliche männliche Dominanz infrage stellen, dann würde ich sagen: Ja, ich wünsche mir mehr Feminismus. Ich würde jedoch nicht verlangen, dass sich jeder zum

    Können Sie mir drei Attribute nennen, die heute männlich sind?
    SCHÖLPER: Achtsam mit anderen, achtsam mit sich selbst und beharrlich im Streiten um Solidarität.

    Zur Person

    Dag Schölper ist Geschäftsführer des Bundesforum Männer, das politische Lobbyarbeit für Jungen, Männer und Väter bertreibt. Unter anderem beschäftigt sich der Interessenverband mit Konflikten, die sich aus den eigenen und den gesellschaftlich verankerten Männlichkeits- und Geschlechterbildern ergeben.

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