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Interview: Wenn er AfD wählt und sie die Grünen: Kann so eine Beziehung klappen?

Interview

Wenn er AfD wählt und sie die Grünen: Kann so eine Beziehung klappen?

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    Gegensätze statt Gemeinsamkeiten: Das kann eine Beziehung belasten. Die meisten Menschen wünschen sich jemanden, der ihnen ähnelt.
    Gegensätze statt Gemeinsamkeiten: Das kann eine Beziehung belasten. Die meisten Menschen wünschen sich jemanden, der ihnen ähnelt. Foto: Jan-Philipp Strobel, dpa

    Am Sonntag wird gewählt. Herr Hegmann, Sie sind Paar- und Sexualtherapeut, welche Rolle spielt das Thema Politik in Beziehungen?

    Eric Hegmann: Eigentlich keine große. Denn die meisten Paare kennen sich aus dem Bekanntenkreis, haben eine gemeinsame Wellenlänge. Themen wie gemeinsame Werte werden frühzeitig abgeklopft. Was wir aber in diesem Jahr feststellen, ist, dass auffällig viele Menschen in Umfragen vor der Bundestagswahl gesagt haben: Die politische Überzeugung ihres Partners ist ihnen wichtig. Es gab eine Studie von Parship, die gezeigt hat, dass zwei Drittel der Bevölkerung Wert darauf legen, welche Partei der Partner wählt.

    Überrascht Sie das?

    Hegmann: Es überrascht mich deswegen, weil meiner Beobachtung nach eine Veränderung stattgefunden hat. Durch die doch sehr drängenden Themen, die die Politik angehen muss, ist die politische Entscheidung noch mehr zu einer Wertediskussion geworden. Das zeigt sich etwa bei der Klimadebatte.

    Wenn sich herausstellt, dass die Partner sehr unterschiedlich sind, der eine etwa die Grünen wählt, der andere die AfD, welches Konfliktpotenzial verbirgt sich da?

    Hegmann: Da verbirgt sich natürlich ein starkes Konfliktpotenzial. Aber ich unterstelle mal, dass eine solche Beziehung wirklich nur sehr selten stattfindet. Menschen mit so unterschiedlichen Wertvorstellungen wie Sie sie gerade beschrieben haben, werden ständig aufeinanderprallen. Es gibt übrigens sehr interessante Studien von Parship, Tinder und C-Date, bei denen völlig unterschiedliche Nutzer befragt wurden. Und alle sagen mehrheitlich: Wer AfD wählt, kommt nicht in mein Bett.

    Viele Menschen suchen über Apps wie Tinder einen Partner.
    Viele Menschen suchen über Apps wie Tinder einen Partner. Foto: dpa

    Es kommen also ohnehin nur die Menschen zusammen, die die gleichen Werte und politischen Einstellungen teilen?

    Hegmann: Die gleichen Werte führen ja häufig zu ähnlichen politischen Einstellungen. Damit man einander sympathisch finden kann, braucht es das Gefühl von Sicherheit, Vertrautheit, Geborgenheit. Das heißt, wir wünschen uns eigentlich Menschen, die uns ähnlich sind. Unterschiede sind per se nicht bedrohlich, sondern im besten Fall sogar sehr ergänzend. Nur: Beim Kennenlernen überwiegt erst einmal der Wunsch nach Gemeinsamkeiten.

    Wenn sich dann aber später herausstellt, dass man in einigen Bereichen, also etwa was die politischen Ansichten angeht, doch sehr unterschiedlich ist, was raten Sie dann solchen Paaren? Ausdiskutieren oder einen Bogen um diese Themen machen?

    Hegmann: Ich glaube nicht, dass man einen Bogen drum herum machen sollte. Aber wenn man so etwas ausdiskutiert, dann gerät ein Paar ganz schnell auf eine falsche Fährte. Das Paar versucht dann, auf einer Sachebene einen emotionalen Konflikt zu lösen.

    Wie meinen Sie das?

    Hegmann: Wenn man versucht, sachlich zu bleiben, ist das hanebüchener Unsinn, weil man an einander vorbeiredet. Ein banales Beispiel: Es geht ja nicht wirklich um die Zahnpasta-Tube. Sondern darum, was es mit mir macht, wenn die Zahnpasta-Tube so daliegt wie sie eben daliegt. Das ist bei einer Diskussion über Werte und Politik ähnlich. Da geht es nicht darum, ob man das bessere Argument hat, wie eine Finanzpolitik aussehen muss. Sondern es geht darum: Was macht das mit mir, wenn ich den Eindruck habe, mein Partner oder meine Partnerin unterstützt eine Finanzpolitik, die ich als katastrophalen Kapitalismus bezeichnen würde und ablehne? Paare sollten es in jedem Beziehungskonflikt vermeiden, sich mit Argumenten zu bewerfen. In einer Beziehung geht es nicht ums Überzeugen, es geht um Verständnis. Überzeugen ermüdet und man bekommt den Eindruck: Ich erreiche diese Person nicht mehr. Und dann fragt man sich: Kann das mit uns überhaupt gut gehen?

    Eric Hegmann arbeitet als Paarberater und Single-Coach in Hamburg.
    Eric Hegmann arbeitet als Paarberater und Single-Coach in Hamburg. Foto: Kathrin Stahl, dpa

    Und? Kann das gut gehen? Oder ist eine Beziehung zweier Menschen, die sich sehr unterscheiden, zum Scheitern verurteilt?

    Hegmann: Pauschal lässt sich das nicht sagen. Aber generelle wünsche ich mir mehr Mut, Unterschiede weniger als Bedrohung, sondern als Ergänzung zu sehen.

    Oft merkt man ja gleich nach dem Kennenlernen, wie der andere so tickt. Was aber, wenn sich nach einer jahrelangen Ehe plötzlich die Überzeugungen meines Partners massiv verändern?

    Hegmann: Solche Veränderungen wirken bedrohlich und sind extrem schwierig. Ob ein Paar da tatsächlich zusammenbleiben kann, hängt auch damit zusammen, wie stark diese Veränderungen sind. Politische Ansichten sind das eine, anders ist es, wenn der andere in wahnhafte Ideen abdriftet, Fakten leugnet, Verschwörungstheorien anhängt.

    Von der langen Ehe zur lockeren Affäre. Wie verhält es sich da? Spielt die politische Überzeugung da eine Rolle?

    Hegmann: Wenn es um sexuelle Fantasien und erotische Abenteuer geht, sind Unterschiede häufig extrem erregend. Aber auch hier zeigen Umfragen, dass, wenn die Ansichten zu extrem sind, es nicht mehr reizvoll ist.

    Zur Person: Eric Hegmann ist Paartherapeut, Coach und Autor. Er hat über ein Dutzend Bücher geschrieben und lebt in Hamburg.

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