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Familie: Mit Achtsamkeitskursen können Eltern lernen, gelassen zu bleiben

Familie

Mit Achtsamkeitskursen können Eltern lernen, gelassen zu bleiben

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    In Achtsamkeitskursen sollen Eltern lernen, gelassen und mit bedacht auf Stresssituationen zu reagieren.
    In Achtsamkeitskursen sollen Eltern lernen, gelassen und mit bedacht auf Stresssituationen zu reagieren. Foto: Peter Kneffel, dpa (Symbolbild).

    Viele Eltern kennen das: Der Arbeitstag war stressig, es ist schon spät. Nur noch schnell mit den Kindern in den Supermarkt und dann ab nach Hause. Doch dann will das Töchterchen partout nicht im Einkaufswagen sitzen bleiben und der Ältere wirft sich schreiend auf den Boden, weil er kein Eis bekommt. Wie schafft man es, in solchen Situationen gelassen zu reagieren?

    Das trainieren Eltern in Achtsamkeitskursen. Vor allem seit Ausbruch der Corona-Pandemie steigt die Nachfrage nach „Mindful Parenting“, einem Erziehungsstil, in den die Grundlagen der modernen Achtsamkeitslehre integriert werden. Diese hat vor allem Jon Kabat-Zinn geprägt, ein US-amerikanischer Molekularbiologe. Nach seiner Definition geht es in der Achtsamkeit hauptsächlich darum, dem gegenwärtigen Moment die volle Aufmerksamkeit zu schenken – ohne ihn zu bewerten oder verändern zu wollen.  Er entwarf bereits in den 1980er Jahren ein achtsamkeitsbasiertes Programm zur Stressbewältigung: Das sogenannte MBSR-Programm (Mindfulness-Based Stress Reduction), das beispielsweise bei Burn-Out-Patienten angewendet wird. Aber auch außerhalb von Kliniken steigt das Kursangebot, selbst Firmen bieten mittlerweile Achtsamkeitsseminare für Manager an.

    Eltern sind jetzt Zielgruppe für Achtsamkeitsseminare

    Angelehnt an das MBSR-Programm entwickelte die Psychotherapeutin und Achtsamkeitstrainerin Susan Bögels vor einigen Jahren in den Niederlanden ein Training speziell für Eltern. Es geht unter anderem darum, mehr Präsenz, Einfühlungsvermögen, Freude, Gelassenheit und Mitgefühl  in den Familienalltag zu integrieren. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland immer mehr Kurse, beispielsweise von Jeanine Hüllemann, die in Karlsruhe als MBSR-Trainerin arbeitet.

    Als dreifache Mutter weiß sie, wie herausfordernd der Familienalltag sein kann: „Die Geburt meines ersten Kindes hat mich damals völlig umgehauen", erinnert sich die 38-Jährige. Sie war es gewohnt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen – und plötzlich war alles anders. Der permanente Schlafmangel raubte der jungen Mutter zusätzlich wertvolle Energie. Durch ein Buch ist die damalige Projektmanagerin auf das Thema Achtsamkeit aufmerksam geworden. „Das hat mir sehr geholfen“, sagt sie, und entschied sich, eine Ausbildung als MBSR-Trainerin zu absolvieren. Einer ihrer Schwerpunkte ist nun die Arbeit mit Eltern.

    Für achtsame Erziehung gibt es kein Patentrezept

    In Hüllemanns (Online-) Kursen lernen Mütter und Väter beispielsweise, in herausfordernden Situationen kurz innezuhalten – und sich dann bewusst für eine Lösung zu entscheiden, statt im Affekt zu handeln. Eltern bekommen kein Patentrezept, wie sie mit ihrem Kind während eines Wutausbruchs im Supermarkt umgehen sollen, aber sie lernen, mit Bedacht zu reagieren, anstatt das Kind aus der Wut heraus anzuschreien oder gar zu schlagen und dies später zu bereuen. Die Kursteilnehmer lernen unter anderem Meditations- und Yogaübungen kennen, die sich positiv auf die eigene Impulskontrolle und die eigene Körperwahrnehmung auswirken. Zudem vermittelt Hüllemann, wie sich Eltern nach Konflikten neu mit ihren Kindern verbinden und den Blick wieder auf die schönen Seiten des Familienalltags lenken. „Evolutionär bedingt neigen wir leider dazu, uns eher auf die negativen Erlebnisse zu fokussieren“, sagt Hüllemann, was in der Erziehung jedoch oft hinderlich ist. Eine steigende Nachfrage bemerke sie seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Ein Hinweis darauf, dass Familien unter dieser langanhaltenden Stresssituation leiden und sich nach mehr Harmonie und Gelassenheit sehnen.

    Auch der Arzt, Psychotherapeut und Achtsamkeitslehrer Jörg Mangold aus dem mittelfränkischen Herrieden beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema. Er entwickelte das zertifizierte Kursprogramm „Mindful Compassionate Parenting.“ Neben Achtsamkeitsübungen und der Integration des Positiven steht dabei auch das Selbstmitgefühl im Vordergrund. Eltern lernen, sich selbst gegenüber freundlich zu bleiben, gerade an chaotischen Tagen. Als vierfacher Vater weiß Mangold, wie streng man oft mit sich selbst ist, wenn etwas nicht so läuft, wie erhofft. Um mehr Selbstmitgefühl zu entwickeln, empfiehlt er den inneren Rollentausch: Eltern stellen sich gedanklich eine herausfordernde oder belastende Situation mit ihren Kindern vor und beobachten dabei ihre Gedanken gegenüber sich selbst.

    Eltern sind in der Erziehung oft zu streng mit sich selbst

    „Meistens gehen wir zu hart mit uns ins Gericht und werfen uns vor, Versager zu sein“, sagt der 58-Jährige. Das sorge aber für noch mehr Frustration. Deshalb sollten sich die Übenden als nächstes vorstellen, die beste Freundin oder der beste Freund habe die Situation erlebt und erzählt total deprimiert davon. Meistens falle das Urteil dann deutlich milder aus. „Wir würden unsere Freundin oder unseren Freund trösten“, sagt Mangold. Genauso mitfühlend sollten Eltern auch gegenüber sich selbst sein.

    Dabei gehe es jedoch nicht darum, die Situation zu verharmlosen – auch das ist Teil seines Kurskonzeptes. Eltern lernen, zu akzeptieren, dass es gerade schwierig ist, und sich das auch einzugestehen, ohne darüber zu urteilen. Darum geht es schließlich in der Achtsamkeit: Um Akzeptanz, ohne zu werten. Sätze wie „ist doch gar nicht so schlimm“, will Mangold meiden. Für ihn ist Mindful Parenting kein Erziehungsratgeber, sondern eine Haltung – geprägt von Akzeptanz, Mitgefühl sowie Präsenz. Und das wirke sich in jedem Fall positiv auf die Erziehung und den Familienalltag aus.    

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