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Bundestagswahl 2021: Was die Parteien den Familien in Deutschland versprechen

Megan, Julian und der dreijährige Samuel aus Baden-Württemberg haben ihr privates Glück gefunden – und schauen doch mit Sorgen auf viele gesellschaftliche Entwicklungen.
Bundestagswahl 2021

Was die Parteien den Familien in Deutschland versprechen

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    Julian und Megan führen das Leben einer Mittelschichtsfamilie wie aus dem Bilderbuch. Beide haben eine gute Ausbildung, ein solides Einkommen, ein eigenes Haus mit kleinem Garten in einem Vorort von Tübingen. Papa

    Der Traum vieler junger Menschen: Sich verlieben, heiraten, Kinder bekommen

    Die junge Familie lebt in einem neu gebauten schmalen Reihenmittelhaus in Entringen, einem Ortsteil der baden-württembergischen Gemeinde Ammerbuch. Es ist ein richtiges Zuhause. Gemütlich, geschmackvoll eingerichtet, zum Wohlfühlen. In ihrem Wohnzimmer zeugen unzählige Erinnerungsstücke von vielen glücklichen Jahren, die die drei schon miteinander verbracht haben.

    Eine Fotocollage von gemeinsamen Urlauben, Babybilder auf der hölzernen Kommode, die ersten selbstgemalten Bilder von Sam. Kennengelernt haben sich Julian und Megan auf einer Reise in Spanien. Sie lebte in Großbritannien, er in Deutschland. Über Jahre hinweg führten sie eine Fernbeziehung, heirateten und zogen erst nach der Hochzeit in

    Wollen wir Kinder bekommen, wenn es so viele Probleme auf der Welt gibt?

    Ihr Zuhause, ihre Geschichte, die Liebe zueinander – es ist ein Leben, wie es sich viele Menschen, junge Paare und Familien in Deutschland erträumen. Doch auch für Julian und Megan stand nicht immer fest, dass sich dieser Traum für sie erfüllen wird.

    „Das darf man wirklich nicht falsch verstehen“, sagt die 32-jährige Megan, die nun schon seit über fünf Jahren in Deutschland lebt und auch die Sprache sehr gut spricht. „Ich liebe meinen Sohn und ich liebe es, Mutter zu sein. Aber als wir noch zu zweit waren, haben wir uns schon auch gefragt, ob wir überhaupt Kinder haben wollen“, erzählt sie nachdenklich. „Das war für uns ein Thema, über das wir viel gesprochen haben. Wollen wir Kinder bekommen, wenn es so viele Probleme auf der Welt gibt? Wenn so viele schlimme Entwicklungen vorhergesagt werden und wir uns Sorgen machen, wie das in der Zukunft alles gehen soll?“

    Eine Familie wie aus dem Bilderbuch: Megan, Julian und der dreijährige Sam.
    Eine Familie wie aus dem Bilderbuch: Megan, Julian und der dreijährige Sam. Foto: Ulrich Wagner

    Welche Sorgen haben Familien? Was wünschen sie sich für die Zukunft?

    Es sind Bedenken, ja vielleicht sogar Ängste, wie sie viele Paare, Eltern und Familien in Deutschland mit Julian und Megan teilen. Untersuchungen dazu gibt es bundesweit praktisch jährlich. Forschungsinstitute, Ministerien, Landesämter und Versicherungen befragen Frauen und Männer, Mütter und Väter, wie gelassen oder beunruhigt sie in die Zukunft schauen. Was treibt sie um? Was wünschen sie sich für die kommenden Jahre und Jahrzehnte? Welche Erwartungen haben sie an ihren Wohlstand? Fragen, die besonders vor der Bundestagswahl noch einmal an Bedeutung gewinnen – wenn Paare und Eltern abwägen, wer ihre Interessen am besten vertritt und wie sehr die Parteien die Sorgen der Familien in Deutschland ernst nehmen.

    Im Leben von Julian und Megan bleibt an manchen Tagen nicht einmal eine Minute, um sich über solche Fragen den Kopf zu zerbrechen. Zu sehr nimmt sie der Alltag in Beschlag. An diesem Vormittag zum Beispiel ist es wie verhext. Der Wecker am Morgen hat nicht geklingelt, hektisch sind die Eltern zum Kindergarten geeilt, damit Sam nicht zu spät zur Eingewöhnung kommt. Der Dreijährige ist am Nachmittag immer noch ganz aufgeregt. Er schlägt auf dem Sofa Purzelbäume, jagt mit einer Käsestange in der Hand um den Esstisch und kreischt und singt und lacht und tobt. Erst als seine Eltern im Fernsehen eine Folge „Paw Patrol“ einschalten, kommt Sam zur Ruhe und schaut gebannt der Kinderserie zu.

    Kinderbetreuung, Wohnen, in Teilzeit arbeiten: Das beschäftigt viele Familien

    Nur in solchen Momenten haben Julian und Megan Zeit für sich – Zeit, um selbst runter zu kommen und darüber nachzudenken, was ihnen Sorgen macht und was sie sich von der Zukunft erwarten. Was sichert ihren Lebensstandard? Wie wird sich ihr Leben angesichts von Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel und Pandemie verändern? Gemeinsam überlegen die beiden, diskutieren, wägen ab, erinnern sich an die Probleme, von denen Freunde und Angehörige erzählt haben – und sammeln eine lange Liste an Themen, die für Familien in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zum Problem werden könnten.

    Julian und Megan nehmen sich die Zeit und diskutieren, welche Erwartungen sie als Familie an die Politik haben.
    Julian und Megan nehmen sich die Zeit und diskutieren, welche Erwartungen sie als Familie an die Politik haben. Foto: Ulrich Wagner

    Zu wenige Kinderbetreuungsplätze und hohe Kita-Kosten, zu wenige Erzieherinnen, bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper, die Arbeitswelt zunehmend digitalisierter und automatisierter, zählt Julian auf. Der Wiedereinstieg für Mütter in die Arbeitswelt sei nach wie vor sehr schwierig, es fehle an flexiblen Arbeitszeitmodellen und in vielen Branchen an Möglichkeiten, Teilzeit zu arbeiten, ergänzt Megan. Der Mindestlohn sollte steigen, fordert das Ehepaar. Eine Erhöhung des Renteneinstiegsalters auf 70 Jahre sieht es kritisch. „Es geht ja gar nicht darum, dass man nicht so lange arbeiten will“, sagt Julian. „Sondern eher um die Frage, ob man so lange arbeiten kann und ob die Lebenserwartung das hergibt.“

    Auch die globalen Krisen – Klimawandel, Kriege, Pandemien – bereiten Julian und Megan Sorgen. „Das Wetter ist wirklich unberechenbar geworden“, erzählt Megan. „Bei uns gab es dieses Jahr im Sommer Waldbrandgefahr und nicht weit von hier im Frühjahr sogar einen Erdrutsch.“ Als Mediziner beschäftigt Julian vor allem auch die Gefahr weiterer Pandemien in der Zukunft. „Wir hatten Sars, Mers, Schweinegrippe und jetzt Corona. Die Vorstellung, dass das immer schlimmer wird, ist wirklich gruselig und furchtbar.“

    Die Bundesregierung erhebt, wie es Familien in Deutschland geht

    Julian und Megan erzählen von ihren ganz persönlichen Problemen und Sorgen, die sie als Eltern aktuell beschäftigen. Doch gleichzeitig spricht das Paar aus Baden-Württemberg stellvertretend für die rund 11,6 Millionen Familien in der Bundesrepublik. Mit deren aktueller Situation beschäftigt sich auch der im Januar 2021 erschienene „Neunte Familienbericht“ der Bundesregierung mit dem Titel „Eltern sein in Deutschland“.

    Dafür wurden Väter und Mütter befragt, wie sie leben wollen, was sie sich für ihre Kinder wünschen, wovon sie sich unter Druck gesetzt fühlen und wo und von wem sie Entlastung erwarten. Der Bericht konstatiert: Der Wandel der Geschlechterrollen, komplexere Familienstrukturen und die Herausforderungen der Digitalisierung haben dazu geführt, dass Eltern sein anspruchsvoller geworden ist. Vielen Müttern und Vätern fällt es schwerer, ihren Kindern gute Startbedingungen und Entwicklungschancen zu bieten.

    Familienbericht zeigt Zunahme von Ungleichheiten an Rändern der Einkommensverteilung

    Ein Beispiel zum Thema Wohlstand: In den vergangenen 15 Jahren hat sich die wirtschaftliche Situation von Familien in Deutschland mehrheitlich positiv entwickelt. Allerdings hat die Ungleichheit an den unteren und oberen Rändern der Einkommensverteilung zugenommen. Im Familienbericht heißt es dazu wie folgt: „Während die obersten zehn Prozent der Haushalte überdurchschnittlich hohe Einkommenssteigerungen erzielten, blieben die Realeinkommen der untersten zehn Prozent der Haushalte hinter der allgemeinen Wohlstandsentwicklung zurück.“ Auch gebe es wenig Mobilität am oberen und unteren Rand, und der Anteil der Kinder, die später ein höheres Einkommen erzielen als ihre Eltern, sei gesunken.

    Können wir uns das alles noch leisten? Können wir unseren Lebensstandard halten? Das fragen sich viele Familien.
    Können wir uns das alles noch leisten? Können wir unseren Lebensstandard halten? Das fragen sich viele Familien. Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolbild)

    Daraus folgern die Autoren des Berichts: Eltern mit geringem Einkommen haben nur beschränkte Möglichkeiten, ihren Kindern zu einem sozialen Aufstieg zu verhelfen. Eltern mit höherem Einkommen können ihren Kindern bessere Chancen bieten. „Dies führt tendenziell zu einer sich über die Generationen verfestigenden Einkommensungleichheit.“

    Bundestagswahl 2021: Welche Antworten haben Parteien auf die Fragen von Familien?

    Ihrem Kind die besten Möglichkeiten für ein glückliches, gesundes und erfolgreiches Leben bieten – das wollen auch Julian und Megan für ihren Sohn Sam. Ihre Erwartungen an die nächste Bundesregierung sind deshalb groß. Ähnlich geht es Millionen Familien in Deutschland. Welche Antworten geben die Parteien also auf die Fragen der Mütter und Väter? Welche Zusagen machen sie denjenigen, die in der Corona-Pandemie besonders gelitten haben? Was versprechen sie der Mittelschicht, die das Rückgrat unserer Gesellschaft bildet?

    Alle Parteien weisen ihrer angestrebten Familienpolitik ein eigenes Kapitel in ihren Wahlprogrammen aus. Die wichtigsten Punkte darin sind: Elternzeit, Elterngeld sowie Kindergeld, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Unterstützung von Alleinerziehenden und die Verhinderung von Kinderarmut. Es geht aber auch um ganz neue Vorschläge, wie es Familien in Deutschland besser gehen soll. Und genauso um die Frage, was und wie Eltern sein zukünftig definiert werden soll.

    Was die Parteien nach der Bundestagswahl den Familien versprechen

    Eine neue Kindergrundsicherung planen zum Beispiel SPD, Grüne und Linke. Darin enthalten sollen zum Beispiel kostenfreie Kitas, Ganztagsangebote und kostenlose Fahrten im ÖPNV sein. Bei der

    Jedes Kind soll einen festen Garantie-Betrag bekommen, für Kinder in Familien mit geringem oder keinem Einkommen soll es einen zusätzlichen Betrag oben drauf geben. Die Linkspartei setzt sich für kostenlose öffentliche Kinderbetreuung ein und plant eine eigenständige Kindergrundsicherung in abgestufter Höhe: Mit 630 Euro für die ärmsten Kinder soll sie je nach Einkommenssituation bis auf 328 Euro sinken. Etwas Ähnliches schlägt auch die FDP vor: Die Partei plant ein digital abrufbares Kinderchancengeld, bestehend aus Grundbetrag, Flexibetrag und nicht materiellem Chancenpaket.

    Union, Grüne und Linke planen darüber hinaus, Eltern noch mehr unter die Arme zu greifen. CDU und CSU wollen die Partnermonate von 14 auf 16 Monate ausweiten – sofern sowohl Mutter als auch Vater Elternzeit nehmen. Alleinerziehende will die Union besser unterstützen, zum Beispiel mit einer längerfristigen Erhöhung des Steuerfreibetrags. Die Grünen wollen den Elterngeldanspruch auf 24 Monate erweitern. Die Linke verspricht, den Elterngeldanspruch auf zwölf Monate pro Elternteil und auf 24 Monate für Alleinerziehende anzuheben.

    Viele Familien haben genaue Erwartungen an die Politik, was sich ändern muss

    Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, macht sich die SPD für einen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten stark. Die FDP will neben der Ehe die sogenannte Verantwortungsgemeinschaft gesetzlich verankern. Mehrelternschaften sollen rechtlich anerkannt, das Adoptionsrecht ausgeweitet werden. Im Gegensatz dazu bekennt sich die AfD zur klassischen Familie aus Mutter, Vater und Kindern. Sie setzt sich für ein steuerliches Familiensplitting und einen höheren Kinderfreibetrag ein. Für die ersten drei Lebensjahre der Kinder will sie ein Betreuungsgeld einführen, das Kindergeld soll bestehen bleiben.

    Welche Partei was verspricht, damit wollen sich auch Julian und Megan in den letzten Tagen vor der Bundestagswahl noch intensiver auseinandersetzen, um entscheiden zu können, wem sie ihre Stimme geben. Sie selbst haben eigene Ideen, wie eine neue Bundesregierung Eltern und Kinder besser unter die Arme greifen könnte. Ihre Vorschläge diskutieren sie beim Mittagessen, auf dem Weg vom Kindergarten nach Hause hat Megan eine Brotzeit besorgt.

    „Also in Sachen Kinderbetreuung muss die nächsten Jahre wirklich mehr passieren“, fordert Papa Julian. „Man müsste die Kosten für die Plätze senken und den Beruf wieder attraktiver machen, damit es wieder mehr Erzieherinnen gibt.“ Außerdem hofft das Paar auf geförderten Wohnraum für Familien. „Ein kleines Haus mit Garten sollte für eine Familie in Deutschland ein realistisch erfüllbarer Traum sein.“

    Mama Megan wünscht sich für ihren Sohn Sicherheit und Gesundheit

    Mama Megan wünscht sich für die Zukunft vor allem, dass Unternehmen mehr für den Wiedereinstieg von Müttern tun, und dass beide Elternteile besser unterstützt werden, um Elternzeit zu nehmen. „Wir mussten dafür sparen, dass Julian drei Monate bei uns bleibt. Das hat uns über 6000 Euro gekostet, dass er Elternzeit genommen hat.“ Immer weiter spinnen sie ihre Ideen und Konzepte, sprechen sich für kostenlosen Nahverkehr und mehr gesellschaftliche Anerkennung für Familien aus.

    Am Ende jedoch zählt für die beiden nur eines: „Mein Kind muss gar nicht so viel mehr erwarten“, sagt Megan. „Aber ich wünsche mir, dass Sam das Gleiche erleben darf, wie wir als Kinder. Dass es für ihn sicher ist, dass er gesund ist, dass er in der Natur spielen kann.“ Papa Julian nickt. „Wir wünschen uns für ihn, dass er die besten Chancen für ein tolles Leben bekommt und glücklich und in Frieden aufwachsen kann.“

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