Zusum ist einer der Orte, die die Flut am härtesten getroffen hat. Die 65 Bewohner des kleinsten Donauwörther Stadtteils sind gerade noch dabei, aufzuräumen und die Höhe der Schäden aufzulisten. Das alles ist ein mehr als bitteres Unterfangen, auch wenn die Solidarität der Menschen, gerade in der Ortschaft selbst, groß ist. Was wird jetzt benötigt? Und: Wie können hochwassergefährdete Dörfer wie Zusum in Zukunft wirksamer geschützt werden? Es stellten sich brennende Fragen vor dem Besuch von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) am Montagabend.
Die Baustelle ist noch da. Die Baustelle, das ist nicht nur ein Haus, nicht nur ein Straßenzug, sie umfasst alles hier. Die Ortschaft mit ihren 20 Anwesen stand Anfang Juni komplett im Wasser. Jetzt wird ausgeräumt. Es lässt sich anhand der Verwüstungen in den Häusern nur erahnen, welche Kräfte hier gewirkt haben, als das Wasser tagelang meterhoch im Dorf stand. Die Menschen hier waren abgeschnitten von der Außenwelt. Alptraum, Trauma, Unglück - es gibt Begriffe, mit denen man versuchen kann, das Leid und all die Herausforderungen in Worten zu beschreiben. Aber fassen können es Außenstehende wohl kaum. Riechen kann man es. Es ist ein beißender Gemisch von Heizöl und anderen Stoffen. Tankstelle hoch zwei.
Es stinkt bestialisch in dem zerstörten Haus in Zusum
Hubert Aiwanger kommt am frühen Abend mit seiner Staatskarosse. Bevor es weitergeht zum Feuerwehrfest nach Ederheim will er sich ein Bild machen in dem vom Hochwasser gebeutelten Zusum. Michael Bosse und Florian Riehl, die FW-Kreisvorsitzenden Donau-Ries, hatten Aiwanger eingeladen. Jetzt steht der mit Rainer Nowotny und dessen Lebensgefährtin Petra Freitag im Keller von Nowotnys Elternhaus. Es stinkt bestialisch. Das Öl, die Reste der toxischen Schlacke. Die beiden Bewohner des 1958 erbauten Hauses leben aktuell in einem Hotel. Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Abriss? Neubau? Einen Versicherungsschutz für das Haus haben sie nicht. Es sei nie etwas gewesen, selbst seine Großmutter habe nie von einem Hochwasser gesprochen, sagt Nowotny, der im Wohnzimmer des Hauses geboren wurde. Aiwanger hört zu, nickt, fragt nach, ist sichtlich betroffen.
Die Haltung Aiwangers in der Hochwasserfrage war indessen stets etwas ambivalent. Flutpolder: da schien er weder dafür noch dagegen. Früher aber hatte der FW-Chef die Bauwerke schon mal als größenwahnsinnig beschrieben. Jüngst äußerte er zudem, dass die Polder bei diesem Hochwasser wohl wenig ausgerichtet hätten. Aiwanger betonte parallel, dass man die Zuflüsse der Hauptströme augenscheinlich zu wenig auf dem Schirm gehabt hätte. Was also wäre zu tun? Braucht es allerorts umfassende Dammerhöhungen? Reicht das? Was sonst müsste kommen? Aiwanger sagt an diesem Abend im Beisein der Zusumer sowie einiger Rettinger Landwirte: Die Dämme um die Ortschaften, sie gehörten ertüchtigt. Er blickt auf eine Hochwasserkarte Zusums, die ihm der Anwohner Timo Bablok erklärt. Aiwanger sagt: "Drum herum ist genug Fläche. Das muss ja nicht unbedingt nach Zusum laufen." Und er fügt hinzu: "Es spricht wohl nichts dagegen, Zusum ordentlich zu schützen."
OB Sorré: Ertüchtigung der Deiche ziehe sich "wie ein Kaugummi"
Oberbürgermeister Jürgen Sorré erläutert dem Minister aus München, dass sich die Sanierung der hiesigen Deiche "zieht wie ein Kaugummi", stets sei sie aufgeschoben worden seitens des Freistaats. Zusum liegt bei den HQ100-Hochwassersimulationen des Wasserwirtschaftsamtes stets im Nassen - lässt man hier das Szenario jenes hundertjährlichen Hochwassers auf dem Rechner abspielen, so färbt sich die Fläche, auf der sich Zusum befindet, in Gänze blau. Thomas Schröttle erklärt, dass jene Simulationen nicht eins zu eins der Realität entsprächen. Ein ertüchtigter Damm hätte geholfen. Das habe man hier sehen können.
Auf die Frage der Redaktion, wie er mittlerweile zu Poldern stehe, erklärt Aiwanger, man müsse zwischen den großen Poldern und den kleineren Rückhaltebecken unterscheiden: Von Letzteren brauche es "viele Tausend in ganz Bayern"; Großpolder seien aber nun einmal nicht allerorts sinnvoll, sondern lediglich an einigen ausgewählten Standorten.
Schnelle Hilfe ist gefragt in Zusum
Doch die Großprojekte und Rückhaltebecken, all das ist Zukunftsmusik. In Zusum ist zunächst schnelle Hilfe gefragt. Die Zusumer betonten in den vergangenen Wochen wiederholt, dass jetzt vor allem finanzielle Unterstützung notwendig sei. Einige Bewohner, die zuvor keine Elementarversicherung abgeschlossen hatten, haben nun nur Anspruch auf die Hälfte der Soforthilfen. Für zahlreiche Menschen hier sei die Versicherung allerdings finanziell nicht tragbar gewesen. Die Existenzängste sind real im Dorf.
Aiwanger sichert den Betroffenen seine Unterstützung zu: "Ich schlage die Härtefall-Hilfen vor in der Staatsregierung." Auch Ministerpräsident Markus Söder und Staatsminister Thorsten Glauber sollten zeitnah kommen. Es dürfe niemand in der Existenz gefährdet sein und gar "zum Sozialfall werden".