Die Volkszählung hatte einst für mächtig Wirbel gesorgt, für Unmut bis hin zur Verweigerung und zu Krawallen. Der sogenannten „Totalzählung“ der frühen 1980er Jahre stand eine mitunter äußerst misstrauische Bevölkerung in Westdeutschland gegenüber. Viele erinnerten sich an einen Überwachungsstaat aus dem antiutopischen Roman „1984“ von George Orwell erinnert. Heute heißt die Volkszählung „Zensus“ und sie bringt schier niemanden mehr aus der Ruhe. Und doch liefern die Zahlen enorm wichtige Datensätze, die wiederum Folgen bis in die hiesigen Dörfer und Städte hinein haben könnten. Im Falle der Stadt Donauwörth könnte sich eine relevante Zahl sogar direkt auf die Kommunalpolitik auswirken.
Donauwörth schwankt immer ein wenig um die magische Zielmarke herum. Die steht groß und breit bei 20.000 Einwohnern. Der Nachbar Nördlingen hatte diese Zahl in den vergangenen Jahren stets stabil aufgewiesen, die Stadt liegt meist um einige hundert Bürgerinnen und Bürger über dieser Grenze, die weit mehr ist als eine psychologische Zahl für´s städtische Ego. An ihr bemisst sich, ob im Stadtrat 24 oder 30 gewählte Bürgervertreter sitzen. Die jüngst veröffentlichten Zahlen des bundesweiten Zensus 2022 geben nun für Donauwörth das her, was man im Rathaus am unteren Ende der Reichsstraße eigentlich nicht erhoffte: 19.596 Einwohner hat die Große Kreisstadt nur, bisher war man fest von einer Zahl über 20.000 ausgegangen. Der Nachbar im Ries allerdings kann die 20.000er-Marke zwar immer noch reißen, aber auch eher knapp: 20.185. Zum Vergleich: Nördlingen hatte beim Zensus 2011 noch 20.902 Einwohner, Donauwörth 19.941.
Ab 20.000 Einwohner sind es sechs Sitze mehr im Stadtrat
Wie gesagt, politisch ist das Thema heikel: Ab 20.000 Einwohner hat ein Stadtrat 30 Sitze. Warum aber hat Donauwörth trotz des bis dato ausschlaggebenden Zensus 2011 jene höhere Sitzzahl, obwohl die Zensuszahl unterhalb der entscheidenden Grenze lag? Wie Mirko Zeitler von der Stadt Donauwörth erklärt, sei jener Wert aus der Volkszählung zwar die Grundlage für die Sitze, aber es kämen dennoch andere Werte hinzu. Nach der Veröffentlichung des Zensus liefern die Kommunen regelmäßig die Zu- und Wegzüge an das Landesamt für Statistik. Diese würden mit der aktuell gültigen Zahl aus der Volkszählung 2022 verrechnet. So könne sich eben schlussendlich dann doch eine höhere Sitzzahl im Stadtrat ergeben, obgleich die Zensuszahl niedriger war.
Woher kommen aber nun die niedrigeren Zahlen? Die Erklärung gestaltet sich ein wenig schwierig und ist zudem noch eine Mutmaßung, wenngleich eine schlüssige. Demografen stellten für ganz Deutschland eine niedrigere Bevölkerungszahl fest als bislang wegen der vielen Zuzüge aufgrund der verstärkten Migration seit 2015 angenommen - 82,7 statt 84,1 Millionen. Will heißen: Insgesamt sind es zwar über die Jahre hinweg absolut mehr Menschen in Deutschland geworden, aber weniger als bis dato vermutet. Erklärt wird dieses Phänomen damit, dass vor allem zahlreiche Migranten nicht dauerhaft im Land bleiben, sondern entweder zurückgehen in die Heimatregion oder weiterziehen. Abgemeldet wird sich dabei nicht immer. Auch viele deutsche Auswanderer hielten am Wohnsitz hierzulande oft noch eine Zeit lang fest. Seitens des Landesamtes für Statistik in Fürth heißt es dazu ergänzend: „Die amtliche Statistik wird zusammen mit den Gemeinden analysieren, inwieweit ein hoher Einsatz von Saisonarbeitskräften oder nur nominelle Erstwohnsitzanmeldungen zu den Abweichungen beiträgt.“ Fakt ist, dass Deutschland nicht nur Einwanderungs- sondern auch Auswanderungsland ist. Alleine 2022 wanderten beispielsweise 1,4 Millionen Menschen aus. Trotzdem bleiben die Zahlen des Zensus in gewissem Sinne eine Annahme, ein hochgerechneter statistischer Wert, der nicht zu hundert Prozent korrekt sein kann. Nur wenige Haushalte werden befragt, vor allem werden die bestehenden Register abgeglichen.
Stadt Donauwörth: Für kommende Wahlen noch nicht relevant
Für die kommenden Kommunalwahlen spiele die Zahl aus dem Zensus 2022 indes keine Rolle, sagt Zeitler. Es bleibt also vorerst bei den 30 Sitzen im Donauwörther Stadtrat. In Nördlingen gibt es hierbei ohnehin keine Gefährdung. Anders könnte es bei den übernächsten Kommunalwahlen in Donauwörth aussehen. Doch es müsste viel passieren, damit sich die Zahl der Sitze im Rat verringert, denn die Stadt erschließt aktuell sukzessive das 30 Hektar große Alfred-Delp-Quartier. Die ersten Grundstücke werden bereits bebaut. Wenn das Quartier fertig ist, rechnet man im Rathaus mit über 2000 Neubürgern. Dann dürfte das bange Schielen auf den Zensus zumindest hier der Vergangenheit angehören.
Es geht letztlich aber nicht nur um die Zahl der Repräsentanten in den Kommunalparlamenten, sondern auch um Geld. Die Kommunen fürchten nun ab 2025 Rückgänge bei den Zuweisungen aus dem Finanzausgleich. Grund dafür sind ebenfalls jene Ergebnisse des Zensus 2022. Die neuen Zahlen fließen ab dem Jahr 2025 erstmals teilweise in die Berechnungen zum Finanzausgleich ein. Ab 2026 bilden sie dann die alleinige Grundlage. Übrigens: Auch die Zahl der Einwohner im Gesamt-Landkreis Donau-Ries ist gesunken. Der Kreis hatte beim Zensus 2011 noch 136.902 Einwohner, jetzt wurden 133.399 festgestellt, gut 2,6 Prozent weniger. Tatsache ist aber auch, dass die demografischen Kernprobleme, die kürzlich im Kreisausschuss analysiert wurden, dieselben bleiben: Wohnraummangel in allen Altersgruppen, Überalterung und Fachkräftemangel.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden