Frau Hofmann, Sie gehen mit einem Thema an die Öffentlichkeit, das Sie „Glücklich sterben“ nennen. Wie kann denn ein derart mit Angst besetztes Thema mit Glück in Verbindung gebracht werden? Gibt es das denn - glücklich sterben?
SONJA HOFMANN: Ja, das gibt es. Aber das ist nicht für jeden selbstverständlich. Die meisten sagen: Sterben ist doch kein Glück! Dann sage ich: Es ist die Sichtweise jedes einzelnen. Und Diese Sichtweise kann man verändern. Die Frage ist: Wie können wir uns mit dem Tod auseinandersetzen, um uns das Thema leichter zu machen? Das Nachdenken über den Tod hilft mir zu einem lebenswerteren und erfüllterem Leben. Reden wir also über den Tod, anstatt ihn zum Tabuthema zu machen! Als Trauerrednerin darf ich immer wieder die Erfahrung machen, durch die Kraft der Worte und Gedanken Hoffnung und Trost zu spenden und dabei zu helfen, das Andenken an die Verstorbenen lebendig zu halten und das eigene Leben zu reflektieren.
Haben Sie denn keine Angst vor Tod und Sterben?
HOFMANN: Ich habe keine Angst davor! Ich folge meiner Intuition und begegne dem Tod und dem Leben mit Respekt. Weil ich mein Leben so lebe, dass ich es mit all seinen Widrigkeiten als Glück empfinde - und eben auch mit dem Wissen um den Tod. Loslassen und annehmen sind hier hilfreich. Vielleicht ist das Einzige, was wir tun können, um die Furcht, die in uns lauert, zu besiegen, sich so ausführlich wie möglich mit dem Tod zu beschäftigen und sich der Angst zu stellen. Wenn wir lernen, den Tod zu verstehen, dann können wir vielleicht gut mit der Gewissheit leben, dass wir sterben müssen. Das Bewusstsein über den Tod verschafft ein größeres Bewusstsein über unser Leben. Und so gelingt es uns vielleicht, den Tod als natürlichen Teil des Daseins anzunehmen, damit wir am Ende das Leben mit einem Lächeln loslassen können.
Aber der Tod macht doch Angst, weil er etwas Entscheidendes nimmt. Er nimmt uns das Leben. Muss das nicht zwangsläufig Angst machen?
HOFMANN: Er macht deshalb Angst, weil er etwas ist, was der Mensch nicht kontrollieren kann. Der Tod übernimmt in diesem Moment das Kommando. Aber das ist uns im Grunde unser Leben lang bewusst. Ab dem Moment, in dem wir geboren werden, ist er an unserer Seite. Es liegt an uns, unser Leben so zu gestalten, dass wir mit uns im Reinen sind. Es geht um das Gefühl, nichts Wesentliches zu bereuen. Das zu bewerkstelligen, sollte unsere tägliche Aufgabe sein. Herauszufinden, was braucht man denn im Leben? Brauche ich das alles, was ich lebe, oder ist Veränderung notwendig? Es ist legitim, ein Leben zu führen, in dem es uns gut geht, aber wenn es so weit ist, ist es erfüllend und befreiend, sagen zu können: Ich kann loslassen.
Bei Ihnen hört sich das alles so leicht an. Dennoch bleibt das alles ein Stück weit eben Theorie. Oder sind Sie schon einmal gestorben?
HOFMANN: Ich war 2018 dem Tod näher als dem Leben. Nach längerer Vorerkrankung konnte ich - inzwischen waren es sieben Tage - weder essen, noch trinken. Der Arzt hat zu meinem Mann gesagt: Es ist ernst. Mein einziger Gedanke war: Bin ich mit mir im Reinen? Irgendwie fühlte ich in diesem Moment, dass ich noch nicht an der Reihe war. Und ich durfte tatsächlich weiterleben und hab mir selbst gesagt: Schau doch mal, was soll jetzt deine Lebensaufgabe sein. Seitdem mache ich das, was ich schon immer wollte: Ich begleite Menschen, auch in ihrem Verlust. Mir ist auch bewusst, dass die Kraft der Trauer die Liebe ist, und das trägt mich.
Haben Sie denn nie erlebt, dass der Verlust durch Tod tiefen Schmerz und Leid verursachen kann? Dass er eben auch die Menschen, die zurückbleiben in tiefe Trauer versetzt?
HOFMANN: Ich habe meine Mama beim Sterben begleitet. Von der Diagnose ihrer Krankheit bis zum Tod - vier Wochen lang. Natürlich hat es Momente gegeben, in denen ich Rotz und Wasser geheult habe, als sie tot war. Ich habe ihren Tod nicht willkommen geheißen. Aber ich bin nicht einen Moment in Trauer verfallen, denn meine Gefühle waren von Liebe getragen. Mein Weinen war Erleichterung. Darin konnte sich der angestaute Druck entladen. Ich wusste, dass meine Mutter ein glückliches Leben hatte. Meine Dankbarkeit hat den Schmerz überlagert. Und als sie gehen musste, war alles besprochen.
Warum ist der Tod für die meisten Menschen noch immer ein Tabuthema?
HOFMANN: Weil er eben für viele mit Schmerz, Leid und Kontrollverlust verbunden ist. Der Tod ist eines der größten Mysterien unseres Lebens. Niemand weiß wirklich, was nach dem Tod passiert, Und diese Ungewissheit kann beängstigend sein. Menschen haben oft Angst vor den Dingen, die sie nicht kontrollieren oder verstehen können. Und der Tod ist das ultimativ Unbekannte. Und der Tod wirft existenzielle Fragen auf: Was ist der Sinn des Lebens? Was bleibt von uns, wenn wir sterben? Wer sich mit dem Tod auseinander setzt, wird auch mit den Grundfragen des Daseins konfrontiert, was viele Menschen als belastend empfinden.
Gibt es ein einfaches Instrument, das in Momenten der Trauer, der Verzweiflung oder des Haderns helfen kann?
HOFMANN: Dankbarkeit! Sie kann der Schlüssel sein, um sowohl das Leben, als auch den Tod zu akzeptieren. Dankbarkeit für das Leben bedeutet, die kleinen Momente wertzuschätzen, die Erfahrungen, die man gemacht hat, und die Menschen, die einem nahe waren. Gleichzeitig kann man auch eine Art Dankbarkeit für den Tod entwickeln, indem man ihn als Möglichkeit sieht, das Leben bewusst zu leben und zu schätzen.
Zur Person
Sonja Hofmann (59) ist freie Trauerrednerin und Psychologischer Coach. Die Donauwörtherin hat ihrem Leben in entscheidenden Phasen immer wieder beruflich oder privat eine neue Wende gegeben. Am Sonntag, 10. November, 15 Uhr, lädt sie zum interaktiven Vortrag „Glücklich sterben?! - Rendezvous mit dem Tod“ ein. Er findet in der Aussegnungshalle des städtischen Friedhofs Donauwörth (Kappeneck 7) statt. Eintritt frei, es wird ein Wertschätzungsbeitrag für die Palliativstation in Nördlingen erbeten.
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