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Fußball: Rudolf Gast: „Franz Beckenbauer musste warten“

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Rudolf Gast: „Franz Beckenbauer musste warten“

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    Ganz klein steht die Mitgliedsnummer 78 auf dem Vereinsausweis von Rudolf Gast. Seit 60 Jahren ist er Mitglied beim FC Bayern München. In der Amateurmannschaft des FCB schnürte Gast bereits selbst die Fußballschuhe.
    Ganz klein steht die Mitgliedsnummer 78 auf dem Vereinsausweis von Rudolf Gast. Seit 60 Jahren ist er Mitglied beim FC Bayern München. In der Amateurmannschaft des FCB schnürte Gast bereits selbst die Fußballschuhe. Foto: Stephanie Anton

    Beim Blick auf Rudolf Gasts Mitgliederausweis des FC Bayern München dürfte so mancher Fan vor Neid erblassen. Die Mitgliedsnummer 78 prangt darauf – eine solch niedrige Nummer öffnet bekanntermaßen den Weg zu vielen Vergünstigungen, vor allem was Tickets fürs Stadion betrifft. So könnte der 78-Jährige zwei- bis viermal im Jahr in den Genuss von Spitzenplätzen kommen und würde dazu in einer Loge in der Allianz Arena verköstigt. Doch obwohl er seit 1959 Mitglied beim FC Bayern ist, war er erst zweimal im Stadion. Der Grund: Gast ist taub, er verlor als Dreijähriger bei einem Bombenangriff in Remagen (Rhein) sein Gehör. „Ich bekomme ja von der Stimmung im Stadion nichts mit“, sagt der Bäumenheimer, der sich durch Lippenlesen und eine hervorragende Sprachausbildung sehr gut verständigen kann. Lieber verfolge er die Spiele der Münchner am Fernseher mit Übertiteln oder im Liveticker.

    Das Rot des FC Bayern gefiel Gast besser als das Blau der Löwen

    Mit dem FC Bayern ist Gast nun schon seit sechs Jahrzehnten verbunden. Als Jugendlicher kickte er beim FC Falke Markt Schwaben, bevor er 1958 nach München umzog und sich dort einen neuen Verein suchte. Der FCB war damals jedoch noch keine große Nummer, nicht so groß jedenfalls wie der TSV 1860 München. Warum also ging Gast nicht zu den Löwen? „Das habe ich mich selbst auch schon gefragt. Ich glaube, die Farbe Rot hat mir besser gefallen“, lacht er. Bei den Bayern spielte Gast sich dann von der 3. bis zur 1. Amateurmannschaft hoch, bevor eine Verletzung ihn zwang, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. „1966 hatte ich einen Achillessehnenriss. Man sagte mir, ich könne zwar weiterspielen, wenn alles verheilt ist. Aber wenn die Sehne noch einmal an dieser Stelle reißt, müsse ich am Stock gehen und das wollte ich nicht“, erklärt er.

    Während seiner Zeit als aktiver Fußballer bemerkte er bereits, wie professionell es bei den Münchnern zuging. Zum Beispiel war regelmäßiges Fitnesstraining neben dem Kicken für die Spieler Pflicht. Auch seine Fußballschuhe wurden speziell für Gast angepasst, denn der FCB hatte einen eigenen Schuster. „Als ich meine Fußballschuhe bekam, kam zehn Minuten nach mir Franz Beckenbauer rein mit seiner Freundin, die dann später auch seine Frau wurde. Doch ich war noch dran und er musste warten, bis ich fertig war“, erinnert sich Gast schmunzelnd.

    Respektbekundung in der Allianz Arena

    Etwa 30 Jahre später gab es ein Wiedersehen, als ihm der „Kaiser“ zum 40. Mitgliedsjahr persönlich gratulierte. Und nun blickt Gast sogar auf 60 Jahre Mitgliedschaft zurück, wozu er – gemeinsam mit anderen Jubilaren – in die Allianz Arena eingeladen wurde. Dort wurde er zum Ehrenmitglied ernannt und FCB-Präsident Uli Hoeneß sowie die beiden Vize-Präsidenten Walter Mennekes und Dieter Mayer überreichten Gast eine Urkunde. Für den 78-Jährigen ein ganz besonderes Erlebnis. Auch deshalb, weil bei der Verleihung Mennekes in Gebärden-Sprache klatschte (fliegende Hände). „Das war für mich eine Respektsbekundung und ich war sehr überrascht“, sagt er.

    Rudolf Gast wurde von (von links) 2. Vize-Präsident Walter Mennekes, Präsident Uli Hoeneß und 1. Vizepräsident Prof. Dr. Dieter Mayer zum Ehrenmitglied ernannt.
    Rudolf Gast wurde von (von links) 2. Vize-Präsident Walter Mennekes, Präsident Uli Hoeneß und 1. Vizepräsident Prof. Dr. Dieter Mayer zum Ehrenmitglied ernannt. Foto: FC Bayern

    Für Gast war es auch deshalb erst der zweite Besuch im Stadion, da er sich sehr für gehörlose Menschen ehrenamtlich engagiert und deshalb vor allem am Wochenende wenig Zeit hat. Von 1982 bis 2013 war Gast Vorsitzender im bayerischen Landesverband der Gehörlosen. Zudem übte er jahrelang verschiedene Funktionärstätigkeiten im Deutschen Gehörlosen-Sportverband aus, war unter anderem dort Vize-Präsident. In dieser Position setzte er sich für die Rechte der Gehörlosen ein. „Es war ein langer Kampf, bis wir zu allen TV-Sendungen Untertitel bekamen“, sagt der Bäumenheimer. Und auch heute fährt er noch jede Woche nach München, denn er ist dort als Vorsitzender des Bezirksverbandes der Hörgeschädigten Oberbayern ehrenamtlich tätig und setzt sich unter anderem für die Finanzierung der Gehörlosen-Dolmetscher ein: „Zum Beispiel zu Beratungsgesprächen in der Bank müssen Gehörlose ihren Dolmetscher bislang selbst bezahlen und das ist sehr teuer.“

    Neben seinem großen sozialen Engagement hielt Gast dem FC Bayern die Treue. Dabei hatte er schon mehrmals aus dem Verein austreten wollen, verpasste aber jedes Mal die Kündigungsfrist, woraufhin sich seine Mitgliedschaft wieder um ein Jahr verlängerte, wie er lachend erzählt. Heute bleibt er gerne Mitglied, auch wenn er nun nicht mehr in Grünwald, sondern mit seiner Frau Sigrid in Bäumenheim wohnt.

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