Ärger bei Anwohnern und Bauern: Ein Polder ohne Effekt in Riedlingen?
Der geplante "Mini-Polder" in Riedlingen verärgert und irritiert zahlreiche Anwohner. Bauern und Baggersee-Anlieger wollen sich jetzt gegen die Pläne wehren.
Wenn es wenigstens einen Effekt gäbe, sagt Ulrike Wagner, dann könnte man ja zumindest über einiges reden. Den Sinn und Zweck des geplanten Rückhalteraums in Riedlingen für mittlere Hochwasserlagen kann aber niemand hier erkennen. Zumindest keiner der am Dienstagabend im Riedlinger Schützenheim versammelten Landwirte und Besitzer der Wochenendhäuser am Baggersee.
Der gemeinsame Termin des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) und der Interessengemeinschaft (IG) "Rettet die Riedlinger Flur" wurde von den Organisatoren als dringend eingestuft – denn die Regierung von Schwaben hatte das Raumordnungsverfahren für das Vorhaben kürzlich eröffnet. Nur noch bis 1. August können Stellungnahmen der Betroffenen bei der Regierung von Schwaben in Augsburg abgegeben werden. Das war denn auch der erste Aufreger: Es habe keinen gemeinsamen Dialog mit dem Wasserwirtschaftsamt mehr im Vorfeld gegeben. Die Behörde sah das erst für die Zeit nach den Sommerferien vor. Zu spät, wie IG und BBV betonten.
IG und BBV: Diese Rückhalteräume machen in Riedlingen und Tapfheim keinen Sinn
In den Augen der Planer des Rückhalteraums Riedlingen sowie der Rückhalteräume auf Tapfheimer Flur hat das Projekt indes freilich einen Sinn: Die Retensionsflächen – faktisch handelt es sich um kleinere Flutpolder-Areale – sind Teil des Aktionsprogramms Schwäbische Donau zur Verbesserung des gesamten Hochwasser-Schutzes entlang des hiesigen Donauraumes. Der Freistaat forciert jenes Programm, weil Überflutungen wie in Fischerdorf bei Deggendorf im Jahr 2013 tunlichst verhindert werden sollten. Damals trat die Donau in ungeheurem Ausmaß über die Ufer, Siedlungsgebiete wurden teils massiv geflutet. Nun sollen die kleineren Rückhalteräume wie eine Perlenkette gemeinsam mit größeren Polderbauwerken für Entspannung auch bei größeren Hochwasserlagen sorgen. Soweit die Theorie.
In der Praxis seien jene kleinen Retensionsräume wie der geplante in Riedlingen nicht wirksam, argumentieren Wagner und die IG. Der Effekt fehle, er sei auch nach der Lektüre der 2500 behördlichen Seiten zur Begründung des Raumordnungsverfahrens nicht ersichtlich. Im besten Falle könnten acht Zentimeter des Hochwasserscheitels, gemessen dann am Pegel Donauwörth, gekappt werden – zu wenig nach Meinung der IG, um jenes Projekt, das im Falle Riedlingens bis zu 140 Hektar Ackerland umfassen und bis zu zehn Millionen Euro kosten könnte, zu rechtfertigen; auf Tapfheimer Flur wären es gut 280 Hektar mit Kosten von etwa 23 Millionen Euro, wie BBV und IG erläuterten.
Aufgabe des Riedlinger Klein-Polders: Zeitgewinn vor der Hochwasser-Welle
Der Retensionsraum hat die Aufgabe, dass bei einem Hochwasser durch das Befüllen der Rückhalteräume mit Donauwasser vor Erreichen der Welle Zeit gewonnen werde; relativ sinnlos erscheine ihm das, betonte Donauwörths BBV-Geschäftsführer Michael Stiller vor den 50 anwesenden Landwirten und Baggersee-Häusle-Besitzern aus Riedlingen und Tapfheim: "Warum man dadurch Zeit gewinnen sollte, erschließt sich mir nicht. Die Welle würde ja ohnehin folgen." Wagner fügte hinzu, dass aus den fachlichen Unterlagen zu lesen sei, dass jene Retensionsräume erst bei einem Volumen von fünf Millionen Kubikmetern Sinn machten, der in Riedlingen aber nur höchstens 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser fassen könnte. Der Kleinpolder würde im Notfall, welcher ab einem Hochwasser mittlerer Größe (HQ80) eintreten könnte, durch Aufschaufeln mit einem Radbagger geöffnet werden ("Reißdeich").
Wagner kritisiert indessen, dass sie bislang keine Simulation oder Kartenmaterial gesehen habe, die das Geschehen im Einstaufall und die Wasserspiegellagen bei HQ80 mit dem Einsatz des Rückhalteraums im Vergleich zur Situation ohne darstellt. Effekt und Risiken des Rückhalteraums stünden in keinem Verhältnis, so die Kritiker des Vorhabens: Die Baggersee-Häusle-Besitzer mahnten wiederholt die Gefahren des eingestauten Hochwassers für das Grundwasser und damit auch die Qualität des Baggersees an, die Bauern befürchten Ernte- und Qualitätsverluste sowie Wertverluste von Grundstücken und Häusern. Als Alternativen regten sie die verstärkte Einbeziehung und Steuerung der großen Stauwerke sowie der Rückhalteräume an den Donau-Zuflüssen an. Auch Oberbürgermeister Jürgen Sorré positionierte sich ablehnend. Die Stadt habe sich bereits vielfältig in Sachen Hochwasserschutz eingebracht.
Rechtsanwalt Johannes Daseking rief die Anwesenden dazu auf, auch im Raumordnungsverfahren aktiv zu werden und bis 1. August sachliche, begründete Stellungnahmen an die Regierung von Schwaben zu schreiben. "Die Stellungnahmen müssen zur Kenntnis genommen werden", betonte der Jurist.
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