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Rain: Vor 150 Jahren schnaufte das erste Dampfross bei Rain

Rain

Vor 150 Jahren schnaufte das erste Dampfross bei Rain

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    Die erste Eisenbahnbrücke über den Lech bei Rain wurde mit der Bahnstrecke  der Donautalbahn am 15. August 1874 offiziell in Betrieb genommen.
    Die erste Eisenbahnbrücke über den Lech bei Rain wurde mit der Bahnstrecke der Donautalbahn am 15. August 1874 offiziell in Betrieb genommen. Foto: Sammlung Franz Müller

    Es war wohl ein recht schmuckloser Akt an jenem 15. August 1874 in Rain. Eine eher nüchterne Angelegenheit ohne großes Brimborium, die gleichwohl ein denkwürdiges Ereignis markiert. Einen wichtigen Schritt in einer bis dahin 13 Jahre währenden Entwicklung von großer historischer Bedeutung: die Eröffnung der 51 Kilometer langen Bahnlinie zwischen Ingolstadt und Donauwörth, die auch entlang der Stadt Rain und dort über den Lech führt. Sie ist ein Teilstück der Donautalbahn, die sich von Regensburg bis Günzburg erstreckt.

    Ab 1874 waren Dampflokomotiven auf der Trasse der Donautalbahn auch bei Rain unterwegs.
    Ab 1874 waren Dampflokomotiven auf der Trasse der Donautalbahn auch bei Rain unterwegs. Foto: Sammlung Franz Müller

    Das stattliche Bahnhofsgebäude in Rain war rechtzeitig 1872/73 fertiggestellt worden, die zu diesem Anlass neu errichtete Bahnhofswirtschaft (Restauration) des Josef Schleipfer befand sich nur einen Katzensprung davon entfernt - bereit, die zahlreich erwarteten Reisenden zu verköstigen. Ab 1910 hieß die - 1878 noch einmal neu gebaute - Wirtschaft dann „Zum Kettner“. Versuchsweise ratterte der erste Zug bereits am 20. April 1874 von Ingolstadt nach Neuburg, dann ebenfalls als Testfahrt am 28. Mai 1874 bei Rain über die Lechbrücke.

    Das schmucke Bahnhofsgebäude in Rain stammt aus den Jahren 1872/73.
    Das schmucke Bahnhofsgebäude in Rain stammt aus den Jahren 1872/73. Foto: Sammlung Franz Müller

    Und dann ging der Bahnbetrieb am 15. August 1874 richtig los

    Und dann ging der Bahnbetrieb an eben jenem 15. August 1874 offiziell los - sehnsüchtig erwartet und hart erkämpft. Wie der Rainer Historiker Harald Mann später in einem Beitrag schreibt, „schnaufte das erste, mit ein paar grünen Zweigen geschmückte stählerne Dampfroß in den Bahnhof Rain.“ - „Offizielle Feiern“, so seine Recherchen, „fanden nicht statt.“

    Vorausgegangen waren diesem besonderen Tag viele Jahre voll energischer Überzeugungsarbeit, Versammlungen, politischer Debatten, Beschlüsse und Einschalten des Bayerischen Königs Ludwigs II.. 13 Städte zwischen Günzburg und Regensburg fühlten sich vom Bayerischen Landtag verkehrstechnisch benachteiligt und gründete ein „Eisenbahn-Comité“, das am 20. Oktober 1866 nach München reiste und das Projekt Donautalbahn anstieß. Mit Erfolg: Am 29. April 1869 genehmigte der Landtag das Projekt vorläufig, mit einer finanziellen Ausstattung von knapp 16 Millionen Gulden (umgerechnet fast 14 Millionen Euro). Mit den Gesetzen vom April 1872 und Juli 1874 wurde die endgültige Genehmigung erteilt, wie Harald Mann schreibt.

    Wache an der Eisenbahnbrücke bei Rain im Ersten Weltkrieg. Damals kam es im August 1914 zu einem Gefecht, das nur mit viel Glück unblutig ausging.
    Wache an der Eisenbahnbrücke bei Rain im Ersten Weltkrieg. Damals kam es im August 1914 zu einem Gefecht, das nur mit viel Glück unblutig ausging. Foto: Sammlung Franz Müller

    Schwierigkeiten bereitete der Bau der Lechbrücke

    Grundstücksverhandlungen mit Landwirten überall an der Trasse, finanzielle Entschädigungen, die Frage nach Standorten von Bahnhöfen, Millionen Kubikmeter Humus, die von Hand bewegt werden mussten, der Bau von Pumpstationen für die Befüllung der Dampflokomotiven mit Wasser und, und, und standen in den Folgejahren an. „Schwierigkeiten bereitete die Lechbrücke“, hielt Harald Mann fest. „die drei mit Eisen überspannten Brückenfelder zu je 63 Metern erhielt. Die Zwischenpfeiler mussten wegen des elf Meter tief unter Niederwasser liegenden tragfähigen Untergrunds auf pneumatischem Weg fundiert werden.“ Um genügend Hochwasserschutz herzustellen, wurde der zwei Kilometer lange und sechs Meter hohe Bahndamm in der Lechniederung aufgeschüttet, der die Landschaft gewaltig veränderte.

    Gebäude der Brückenwache der Rainer Eisenbahnbrücke im Jahr 1913.
    Gebäude der Brückenwache der Rainer Eisenbahnbrücke im Jahr 1913. Foto: Sammlung Franz Müller

    Der Bau des neuen Bahnhofs Donauwörth stand damals noch nicht fest, deshalb endeten die Arbeiten an der Schienentrasse zunächst in Hamlar. Erst Ende 1874 wurden die Arbeit an der Strecke Hamlar–Donauwörth wieder aufgenommen und der Bahnhof Donauwörth von 1874 bis 1877 an seinem heutigen Standort im Südwesten der Stadt errichtet. Seine Eröffnung fand am 15. November 1877 statt.

    Die erste Eisenbahnbrücke über den Lech existierte 71 Jahre

    Gerne nutzten auch Fußgänger die Eisenbahnbrücke über den Lech bei Rain nachdem sie 1874 eröffnet worden war.
    Gerne nutzten auch Fußgänger die Eisenbahnbrücke über den Lech bei Rain nachdem sie 1874 eröffnet worden war. Foto: Sammlung Franz Müller

    Die erste Eisenbahnbrücke über den Lech bei Rain versah lediglich für die Dauer von 71 Jahren ihren Dienst. In all diesen Jahren rollte, wie der Historiker Jakob Paula in der Donauwörther Zeitung 1995 schrieb, „nicht nur der Eisenbahnverkehr über sie hinweg sondern sie wurde von der Bevölkerung als Fußgängerübergang benutzt - von den Behörden allerdings nicht gern gesehen. Als ‚Abschneider‘ wurde diese Möglichkeit gerne wahrgenommen, weil der Weg über die Straßenbrücke einen großen Umweg bedeutete.“

    Bahnhofsgaststätte zum Kettner Rain. Die erste „Restauration“ an dieser Stelle war aus dem Jahr 1872/73. Der Neubau (hier im Bild) erfolgte dann 1878.
    Bahnhofsgaststätte zum Kettner Rain. Die erste „Restauration“ an dieser Stelle war aus dem Jahr 1872/73. Der Neubau (hier im Bild) erfolgte dann 1878. Foto: Sammlung Franz Müller

    Im Ersten Weltkrieg kam es zu einem skurrilen Gefecht an der Lechbrücke

    1914 wurde die Lechbrücke bei Rain im Ersten Weltkrieg zum Schauplatz einer beinahe schon skurrilen kriegerischen Handlung. Wie der damalige Rainer Stadtpfarrer Karl Rieger in seinen „Chronologischen Notizen über Ereignisse 1914 -1918“ festgehalten hat, herrschte im Sommer 1914 kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine Atmosphäre großen Misstrauens. Man befürchtete feindliche Flieger und Spione im Lechgebiet, wähnte sich von einem Luftschiff überwacht, das bereit sei Bomben abzuwerfen, witterte hinter jedem Fremden, jedem harmlosen Handwerksburschen gefährliche Subjekte. Entdeckt wurde - nichts.

    Brückenwache an der Eisenbahnbrücke über den Lech bei Rain im Jahr 1939.
    Brückenwache an der Eisenbahnbrücke über den Lech bei Rain im Jahr 1939. Foto: Sammlung Franz Müller

    In der Vollmondnacht vom 3. auf den 4. August steigerte sich die Aufregung dann dramatisch, wie aus Riegers Aufzeichnungen hervorgeht. An der Lechbrücke waren militärische Wachen postiert. In den Schatten der sich im Wind bewegenden Bäume erkannten die schussbereiten Soldaten vermeintliche Attentäter und feuerten ihre Waffen ab. Rieger beschreibt: „Die Zivilwache auf der weiter flussabwärts liegenden Lechstraßenbrücke schoss nun auch. Die ziemlich lebhafte Schießerei alarmierte die benachbarten Ortschaften Oberndorf, Feldheim, Genderkingen, in welchen Sturm geläutet wurde und aus welchen eine Anzahl von Männern auf dem vermeintlichen Kampfplatz erschien. Besonders heftig wurde die Schießerei, als der gegen Mitternacht fällige Zug nach Donauwörth die Brücke passierte, da man meinte, der Feind wolle unter dem Gerassel des Zuges vordringen und die Brücke sprengen. Es ist merkwürdig, dass niemand verletzt wurde.“

    Bahnwärter Holzmann am Bahnübergang in Rain in der Niederschönenfelder Straße.
    Bahnwärter Holzmann am Bahnübergang in Rain in der Niederschönenfelder Straße. Foto: Sammlung Franz Müller

    Im weiteren Kriegsverlauf wurde die Bahn zunächst für den Zivilverkehr gesperrt, wie Pfarrer Rieger weiter schreibt. Zahlreiche Militärzüge mit Soldaten und Kriegsmaterial verkehrten. Die durchziehenden Truppen wurden mit reichlich Speis und Trank versorgt. Dann kamen Militärzüge aus den Kriegsgebieten zurück. „Sie brachten teils gefangene feindliche Soldaten, teils verwundete feindliche und deutsche Krieger.“

    Die Ära der ersten Rainer Lechbrücke endete im April 1945

    Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ seine Spuren in der Geschichte der Bahnstrecke bei Rain. Am Bahnhof der Tillystadt fanden in den letzten Kriegstagen fast täglich Tiefflieger- und Artillerie-Angriffe statt. Der schwerste Luftangriff spielte sich am Ostermontag, 2. April 1945, dort ab. Der Rainer Geschichtsforscher Adalbert Riehl schildert in seinem historischen Band „Der April 1945 im östlichen Lech-Donau-Winkel nach den Berichten von Zeitzeugen“, was sich kurz nach 7 Uhr zugetragen hat: „Nur wenige Minuten waren vergangen, als von Osten mehrere feindliche Flugzeuge auftauchten, direkt auf den stehenden Zug zusteuerten und ihn beschossen. Die Maschinen, es waren mindestens vier (ein Zeuge spricht von acht), zogen Schleifen und beschossen aus geringer Höhe den Zivilistenzug noch mehrere Male. In den vorderen Waggons mischte sich in den Lärm der Flugzeuge das Schreien der Schwerverletzten ...“.

    Ein Militärzug im  Kriegsjahr 1914 Militärzug im Bahnhof Rain. Soldaten und Verwundete wurden von der Bevölkerung bewirtet.
    Ein Militärzug im Kriegsjahr 1914 Militärzug im Bahnhof Rain. Soldaten und Verwundete wurden von der Bevölkerung bewirtet. Foto: Sammlung Franz Müller

    Ende April 1945 endete dann die Ära der ersten Rainer Eisenbahnbrücke über den Lech. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs sprengten die Deutschen sie vor den anrückenden Amerikanern. Vom einstmals so stolzen Brückenbauwerk blieben lediglich die gemauerten Brückenpfeiler und die Widerlager an beiden Ufern erhalten. Über diese baute eine Eisenbahnpionierkompagnie im Juli/August 1945 eine Behelfsbrücke aus Stahl. Anfang der 1950er Jahre dann wurde die Behelfsbrücke wieder abgebaut und durch die jetzige, nüchtern gestaltete Vollwandträgerbrücke aus Stahl ersetzt.

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