Die Nachricht war gerade einmal zwei Tage alt, da kam in Rain eine Maschinerie in Gang, die seitdem auf Hochtouren läuft: Seit bekannt ist, dass im Dehner-Blumenhotel Ukraine-Flüchtlinge einquartiert werden, sind Helferinnen und Helfer aktiv. Sie haben inzwischen einen großen Kreis um sich geschart, der für nahezu jedes Problem im Alltag eine Lösung hat. Erst waren es zwei, drei Organisationstalente, dann sechs, sieben Mitglieder im Planungsteam. Sie alle haben sich schon während der Flüchtlingswelle ab 2015 engagiert und können auf ihren Erfahrungsschatz von damals zurückgreifen. Mitglieder der Corona-Hilfe Rain sind ebenfalls dabei, auch der Frauenkreis Rain hat sich angeschlossen, der Jugendpartner-Verein lädt zu einer Aktion ein, die Feuerwehr plant einen Kindertag ... Auf diese Weise gewinnt das Netzwerk ständig an Größe und Effizienz.
Entscheidend trägt dazu nicht zuletzt die WhatsApp-Gruppe bei, der mindestens 80 hilfsbereite Menschen angehören - und es werden täglich mehr. Sie stehen bereit für alle notwendigen Einsätze: Begleitung zu Arztbesuchen, Ausfüllen von Formularen, Dolmetschen, Behördentermine, Sammelaktionen von Sachspenden, Ausgabe von Kleidung, Spielenachmittage, Sprachkurse, Orientierung in der Stadt, Spaziergänge in der Umgebung, Betreuung mitgebrachter Haustiere und, und, und. Keine Frage in dieser Gruppe bleibt unbeantwortet - die Reaktionen sind schnell und immer positiv. So läuft die Ukrainehilfe Rain - und zwar vom frühen Morgen bis spät in die Nacht. Denn die Nöte der Flüchtlinge kennen keine Uhrzeit.
Die Ukrainehilfe in Rain läuft reibungslos und unkompliziert
Mittwochabend, 21.31 Uhr, ein Mitglied aus dem Orgateam schreibt: "Und dann suchen wir noch jemanden, der die Beantragung der Krankenscheine übernimmt. Die Flüchtlinge brauchen einen pro Quartal für Arztbesuche. Den muss man im Landratsamt beantragen ..." - Donnerstagfrüh um 7.58 Uhr steht fest: "Für die Krankenscheine haben wir jemanden gefunden. Danke!"
Ebenfalls am Mittwoch um 7.58 Uhr heißt es: "Bitte gleich einen Zahnarzttermin für Frau P. ausmachen. Ich denke, es ist ein Notfall." Die prompte Reaktion um 8.03 Uhr: "Ich habe um 11 Uhr einen Termin für sie gemacht. Ich komme und hole sie ab."
Am Dienstag um 20.17 geht ein dringender Aufruf in die Gruppe: "Herr T. ist heute Abend mit dem Bus angekommen. Eigentlich hätte er schon jetzt seine Medikamente gebraucht. Könnte jemand kurzfristig helfen?" Um 20.27 Uhr ist alles geregelt: An diesem Abend klappt es zwar nicht mehr, Herr T. kommt aber medizinisch über die Runden. Das Medikament ist in der Apotheke vorrätig und reserviert, es kann anderntags gleich früh abgeholt werden - ohne bürokratische Formalitäten. Ein sprachkundiger Helfer hat sich bereit erklärt, Herrn T. zur Apotheke zu bringen.
Die WhatsApp-Gruppe ist eine unkomplizierte Möglichkeit für den raschen Informationsaustausch. Einmal geht es um gebrauchte Kleidung, Schuhe, Spielsachen, dann wieder um Tage und Uhrzeiten, wann Helfer vor Ort sein sollen. Welche Kleidergrößen fehlen noch? Wird mehr Unterwäsche gebraucht? Wird ein Laufstall benötigt, ein Hochstuhl, ein Maxi Cosi oder ein Rollator? Es werden Kleiderständer gesammelt, Bobbycars, Rollschuhe und vieles mehr. Listen werden erstellt, wann wer als Helfer vor Ort für welche Aufgabe zur Verfügung stehen kann. Auf diese Weise funktioniert alles reibungslos und unaufgeregt.
Seit rund eineinhalb Wochen ist die Schlagzahl für das Orgateam in Rain sehr hoch
Für das Organisationsteam mit - vor allem - Hedwig Rehm, Julia Schmalbach, Sonja Böcker, Helga Harreß, Florian Riehl und Anna Römer läuft seit Tagen all das neben dem eigentlichen Leben. "Seit rund eineinhalb Wochen gibt es kaum mehr, als Arbeit, Ukrainehilfe, Essen und Schlafen", sagen sie mit einem Augenzwinkern. Sie leisten ihr soziales Engagement von Herzen gern und freuen sich an den vielen dankbaren Reaktionen der Flüchtlinge, an jedem Lächeln von Mensch zu Mensch. Mitunter allerdings ist die Schlagzahl an Einsätzen auch erschöpfend.
Ihre Unterstützung für die Schutzsuchenden verstehen sie als "Hilfe zur Selbsthilfe". Alle Hilfestellungen und die Spenden aus der Bevölkerung sind für die ersten Tage gedacht - in der Hoffnung auf wachsende Selbstständigkeit der Flüchtlinge. Sie sollen zunehmend lernen, sich zurechtzufinden. In ständigem Kontakt steht die Ukrainehilfe Rain dabei mit dem Landratsamt, das ja die zuständige Behörde ist. Dort ist man dankbar für jeden ehrenamtlichen Einsatz, erst recht, wenn eine so leistungsfähiges Team dahintersteht wie in Rain. Das Landratsamt sammelt im gesamten Landkreis die Meldungen hilfsbereiter Ehrenamtlicher, die sich per Online-Formularen melden. Oft sind es Einzelpersonen. Die Rainer Ukrainehilfe ist die größte Organisation dieser Art.
Johanna Weidner aus dem Team Migration im Landratsamt freut sich: "Es ist super, dass viele dort schon früher aktiv waren und auf bestehende Kontakte und Strukturen zurückgreifen können. Die Rainer sind sehr engagiert, das bedeutet für uns eine große Erleichterung." Weidner und ihre Kolleginnen und Kollegen erleben, dass inzwischen immer mehr niederschwellige Helferkreise entstehen, beispielsweise in Donauwörth-Riedlingen und in Mertingen.
Bei aller begrüßenswerter Unterstützung für die Menschen aus der Ukraine erinnern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörde freilich auch daran, dass nach wie vor aus anderen Ländern ebenfalls Flüchtlinge eintreffen. "Wir haben andere Schutzsuchende in den dezentralen Unterkünften, die ein wenig in den Hintergrund treten." Und Landrat Stefan Rößle drückt es so aus: "Wir müssen aufpassen, dass keine ungewollte Ungleichbehandlung entsteht. Wir müssen alle im Blick behalten, damit unter den Flüchtlingen keine Zwei-Klassengesellschaft entsteht!"