Startseite
Icon Pfeil nach unten
Donauwörth
Icon Pfeil nach unten

Rain: Ostermontag 1945: 17 Menschen starben beim Luftangriff in Rain

Rain

Ostermontag 1945: 17 Menschen starben beim Luftangriff in Rain

    • |
    Wegen der Corona-Pandemie ist es ruhig rund um den Rainer Bahnhof. Vor genau 75 Jahren starben hier 17 Flüchtlinge aus Ostdeutschland in einem von Flugzeugen beschossenen Zug.
    Wegen der Corona-Pandemie ist es ruhig rund um den Rainer Bahnhof. Vor genau 75 Jahren starben hier 17 Flüchtlinge aus Ostdeutschland in einem von Flugzeugen beschossenen Zug. Foto: Adalbert Riehl

    Die „Operation Clarion“ am 22. und 23. Februar 1945 war die größte und weiträumigste angloamerikanische Luftangriffskampagne im Zweiten Weltkrieg. Bei der Bombardierung von rund 70 Zielen wurden zahlreiche Verkehrsanlagen zerstört und die Luftüberlegenheit der Alliierten demonstriert. Ein Ziel war die Tillystadt Rain.

    Eines der Ziele war Treuchtlingen: 61 Bomber luden 175 Tonnen ihrer todbringenden Last über der Stadt und seinem Rangierbahnhof ab – 586 Menschen starben. Ihre letzte Ruhestätte ist die am 10. September 1961 eingeweihte Kriegsgräberstätte am Nagelberg. Der Krieg war längst verloren. Fünfeinhalb Wochen nach dem „Schwarzen Freitag“ von Treuchtlingen: Die Uhren waren in der Nacht auf den Ostermontag, 2. April 1945, wieder eine Stunde vorgestellt worden.

    undefined

    Flieger bombardieren den Rainer Bahnhof

    Im Rainer Bahnhof machte kurz nach sieben Uhr ein Flüchtlingszug aus Glauchau (Sachsen) einen nicht vorgesehenen Halt. Wenige Minuten später tauchten aus dem Osten Tiefflieger auf. Die Kennzeichnung mit dem Roten Kreuz interessierte in dieser Phase des Krieges offensichtlich nicht mehr. Ob es vier oder bis zu acht Flugzeuge waren, darin widersprechen sich die Wahrnehmungen der Zeitzeugen, jedenfalls flogen sie mehrfach über den Bahnhofsbereich. Im Kugelhagel aus den Bordwaffen alliierter Tiefflieger starben 17 Menschen, die ihre Heimat vor der anrückenden „Roten Armee“ verlassen hatten. Ursprünglich auf dem Rainer Friedhof bestattet, wurden diese 17 Toten des Ostermontag – wie weitere 300 Zivilisten aus dem weiten Umkreis – nach Treuchtlingen umgebettet. „Lasst unser Opfer genug sein, schwört ab der Gewalt und rettet den Menschen im Menschen“ – mit diesem Spruch mahnt diese würdige und gepflegte Gedenkstätte.

    Getöteten war zwischen fünf und 76 Jahren

    Offensichtlich ging es den Angreifern des Ostermontag in erster Linie darum, Transportkapazitäten des Feindes zu vernichten. Die Treffer der Bordwaffen trafen vor allem die Lokomotive und die ersten zwei Waggons. Bahnhofsvorsteher Wolfgang Penzkofer war dies bewusst, nach der ersten Welle ordnete er an, die Lok abzukoppeln und aus dem Bahnhof nach Westen zu fahren. Tatsächlich kehrten die Flugzeuge – gefühlt nach einer halben Stunde, so 1995 die Aussage der Augenzeugen – zurück und schossen die Lokomotive fahruntüchtig.

    Unter den 17 Getöteten waren sechs Kinder unter 14 Jahren, zwei Jugendliche mit 15 und 18 Jahren, drei Senioren über 65 Jahre, außerdem ein 32-jähriger Mann und fünf Frauen. Nur wenige der Zuginsassen leben heute noch, sie waren damals Kinder. Zwei inzwischen gestorbene Zeitzeuginnen, die im zweiten Waggon saßen und mit denen unser Mitarbeiter zum 50. Jahrestag 1995 gesprochen hatte, erinnerten sich an die Minuten des Angriffs: In den Lärm der Flugzeuge mischte sich das Schreien der Schwerverletzten. Die eigenen leichten Splitterverletzungen waren nun Nebensache. Eine der Frauen hatte sich im zweiten Waggon instinktiv über den vierjährigen Neffen und die eineinhalbjährige Nichte geworfen – deren Mutter war mit Scharlach in Glauchau zurückgeblieben. Ihre Mitfahrerin verlor die zehnjährige Schwester, die zweite Schwester und die Mutter waren durch ihre Verletzungen zeitlebens gezeichnet.

    Arzt und Schwestern kümmerten sich um Verletzte

    In erster Linie mussten sich die Evakuierten zunächst selbst um die Erstversorgung der Verletzten kümmern. Die Hilfe war letztlich nicht weit entfernt. Im damaligen Rainer Krankenhaus (heutiger Standort von Wilde & Miller am Westende der Johannes-Bayer-Straße) suchte Dr. Richard Jahrsdörfer selbst Schutz im Keller. Er kümmerte sich nun mit den Mallersdorfer Schwestern, die den Pflegedienst leisteten, um die Verletzten. Zum Rainer Arzt und den Nonnen stieß noch ein im Schloss stationierter Militärarzt. Mit Krankenwagen der Wehrmacht wurden die Schwerstverletzten nach Donauwörth befördert, einige Verwundete kamen ins Wemdinger Spital.

    Die wenigen Minuten am Morgen des Ostermontag spielten für viele Evakuierte Schicksal. Kurzfristig wurde der Rainer Winkel nun ihr Zuhause, manche blieben dauerhaft und gründeten Familien, die längst hier verwurzelt sind. Aber zunächst ging es um das bloße Überleben. Bäcker Müller, Metzger Ferschl, Babette Müller und Damen des Roten Kreuzes sorgten für die erste Essensration. Am Abend waren Bauern aus Bayerdilling, Baar, Pessenburgheim, Holzheim, Münster und anderen Orten in den Gasthof Karrer beordert, um die „Gestrandeten“ aufzunehmen. Rain nahm eine Reihe von Evakuierten auf. Bei den beengten Verhältnissen musste zuweilen eine Mutter mit ihren Kindern ein Zimmer teilen. Doch es gab auch die andere Seite: Mehrere Mitfahrer des Zuges mussten bei der Rückkunft aus dem Krankenhaus feststellen, dass ein Teil ihrer wenigen Habseligkeiten fehlte – gestohlen von eigenen Landsleuten.

    Die Beerdigungen waren am 6. April 1945

    Von den 17 Getöteten waren wohl 16 evangelisch, weshalb Pfarrer Will aus Donauwörth am 6. April nach Rain kam. Im Sterbebuch der katholischen Pfarrei ist lediglich die 18-jährige Aiga Gertrud Golisch vermerkt. Josef Zeitlmeir, katholischer Stadtpfarrer, hat die bizarren Umstände der Beerdigung im mittleren Teil des Friedhofs an der Münchner Straße stichpunktartig festgehalten: „Zuerst Begräbnisfeier durch die nat. soz. Partei Bonzen, B.D.M. mit Ansprachen, Liedern (Ich hatt einen Kameraden –Deutschlandlied – Horst-Wessel-Lied), wobei die Geistlichen fern bleiben mussten! Hernach Begräbnis nach dem Kath. Ritus und zuletzt durch den prot. Geistlichen“.

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden