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Rain: Ausgestorben und vergessen: Heimatforscher stellt alte Berufe in Rain vor

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Ausgestorben und vergessen: Heimatforscher stellt alte Berufe in Rain vor

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    Das Wagnerhandwerk  - also das Fertigen von Wagenrädern, aber auch landwirtschaftlichem Gerät aus Holz - war einstmals in der Stadt Rain gut vertreten.
    Das Wagnerhandwerk - also das Fertigen von Wagenrädern, aber auch landwirtschaftlichem Gerät aus Holz - war einstmals in der Stadt Rain gut vertreten. Foto: Archiv Franz Müller

    Hätte man unseren Vorfahren jene Berufe prophezeit, die es im 21. Jahrhundert geben wird - sie hätten ihren Ohren nicht getraut, geschweige denn den Wahrheitsgehalt für bare Münze genommen: E-Commerce-Manager, Virtueller Assistent oder Social Media-Strategist etwa wären vor 100 Jahren völlig undenkbar gewesen. Die reine Utopie! Damals war man als Schuster tätig, als Kramer, Bader, Hutmacher, Seiler und so weiter. Rasante Entwicklungen hat es seither gegeben! Die Produktionen wurden technisiert, die Gesellschaft hat sich verändert, das Internet wurde erfunden, ja ein genereller stetiger Wandel in allen Bereichen hat es mit sich gebracht, dass die Arbeitswelt von heute oft nicht mehr viel mit der von gestern gemein hat. Über die Jahrzehnte sind manche

    Da ist es Zeit, zurückzuschauen, was anno dazumal war. Einer, der gerne in Erinnerungen schwelgt, um sie lebendig zu erhalten, ist der Rainer Heimatforscher Franz Müller. Er sammelt kontinuierlich historisches Material und fördert es immer wieder aus den Tiefen seines Archivs Material zutage, um damit die Geschichte der Tillystadt auch heute noch nachvollziehbar zu machen. Am kommenden Dienstag, 8. November, gibt

    Schrankenwärter Xaver Holzmann schloss die Bahnschranke noch per Hand

    Wer erinnert sich beispielsweise noch an Xaver Holzmann, der in einer Wellblechhütte am Bahnübergang in der Donauwörther Straße seinen Dienst als Bahnwärter verrichtete. Per Hand schloss und öffnete er die Schranken nach Uhrzeit, ohne zu wissen, ob die Züge wirklich pünktlich waren, oder Verspätung hatten. Franz Müller: "Mir ist erzählt worden, dass er vier Uhren hatte - zwei davon waren Wecker."

    Per Hand schloss oder öffnete Bahnwärter Xaver Holzmann einst die Schranke am Bahnübergang in der Donauwörther Straße.
    Per Hand schloss oder öffnete Bahnwärter Xaver Holzmann einst die Schranke am Bahnübergang in der Donauwörther Straße. Foto: Archiv Franz Müller

    Eine ganze Reihe von Schmieden waren in Rain einstmals ansässig. Es gab viele Pferde zu beschlagen, aber auch Truhenwagen benötigten angepasste Eisen für ihre Räder. Der Schmied Ankermüller in der Hauptstraße 54 - neben der Streitberger Wirtschaft, dem heutigen Gasthaus Lutz - war einer der bekanntesten. Zudem gab es beispielsweise noch Brenner in der Hauptstraße 19, der später auf Landmaschinen umstieg, Schweinböck in der Brachetstraße 9 und die Hammerschmiede beim heutigen Albrecht (Bahnhofstraße).

    Einer der letzten Bader in Rain war Anton Haid senior. Ein Bader war weit mehr, als ein Friseur. Er hatte das Privileg, "niederärztlicher Verrichtungen" wie etwa Wundversorgung, Zahnziehen, Sezierung und manches mehr. Franz Müller erzählt: "Wenn ein Toter seziert werden musste, kam der Bezirksarzt und

    Ein Stück Handwerkskunst war auch die Seilerei - das Verzwirbeln von Garn zu Seilen

    Damen- und Herrenschneider waren in Rain noch bis in die 60er-/70er-Jahre in und um die Hauptstraße mit ihren Geschäften vertreten. Wo heute der Optiker Grueber seinen Laden hat, bot einstmals ein Rainer Original, Ferdinand de Correvont, Herren- und Damenkonfektion an - in getrennten Läden mit zwei separaten Eingangstüren, versteht sich von selbst.

    Die Seilerfamilie Franz Völk in ihrem Anwesen in der Hauptstraße.
    Die Seilerfamilie Franz Völk in ihrem Anwesen in der Hauptstraße. Foto: Archiv Franz Müller

    Ein Stück Handwerkskunst war auch die Seilerei, also das Verzwirbeln von Seilen aus Bindegarnen wie etwa Hanf. Franz Müller erinnert sich an das Seiler-Geschäft von Karl Völk im heutigen Spielwarenladen in der Hauptstraße. Auch die Schuhmacher in Rain sind längst ausgestorben. Hermann Koller galt seinerzeit als einer der wichtigsten Vertreter seiner Zunft in Rain, er stellte sogar selbst Orthopädie-Schuhe her. Die Ausstattung seiner Werkstatt konnte erhalten werden und ist heute im Heimatmuseum Rain zu sehen. Aber auch andere Namen sind den älteren Rainern noch immer ein Begriff: Lachnitt, Hammerl, Hauser, Weindl und Ginal beispielsweise.

    Die "Sauhüter-Mina" trieb einst die Schweine durch die Straßen Rains

    Was war ein Hafner? Womit hatte dieser Beruf zu tun? Womit beschäftigte sich ein Nadler-Silberschmied? Und wer pflegte in Rain einstmals das Sattler-Handwerk? Franz Müller belegt mit Dokumenten aus seinem Fundus ebenso die Existenz dieser Berufszweige in Rain, wie er auch über den Wagnermeister Hans Bock Bescheid weiß, der als Original galt. Im Jahr 1951 veröffentlichte Bock folgende Erklärung: "Allen Gerüchten entgegentretend, gebe ich bekannt, daß ich meine Wagnerei nach wie vor ausübe. Empfehle mich zur Ausführung von sämtlichen Wagnerarbeiten." Das war vor 71 Jahren. Inzwischen ist auch dieser Beruf verschwunden.

    Die "Sauhüter-Mina"  war die letzte Schweinehirtin in Rain. Eigentlich hieß sie Wilhelmine Klöpfer.
    Die "Sauhüter-Mina" war die letzte Schweinehirtin in Rain. Eigentlich hieß sie Wilhelmine Klöpfer. Foto: Archiv Franz Müller

    Eine bekannte Erscheinung war in Rain auch Wilhelmine Klöpfer aus der Burggasse, die als letzte Schweinehirtin der Tillystadt die Tiere durch die Straßen trieb. Noch heute ist sie so manchem als die "Sauhüter-Mina" ein Begriff. Einen Beruf hat es in Rain nach Franz Müllers Recherchen immer nur einmal gegeben: den des Wasenmeisters, auch Schinder oder Abdecker genannt. Er musste Kadaver von Tieren vergraben, die im Zuge von Krankheit oder Seuche verendet waren. Weißgerber und Rotgerber, die Leder bearbeiteten, gab es außerhalb und innerhalb des Schwabtors.

    Neben zahlreichen verschwundenen Berufen, stellt Franz Müller in seinem Vortrag auch interessante Firmen und Gewerbetreibende vor, die ortsansässig waren. Darunter sind etwa die Limonadenfabrik Chabeso, die letzte Brauerei Rains, der erste Supermarkt - eine Gubi-Filiale 1962 -, eine Molkerei, eine Gemeinschafts-Gefrieranlage aus den 50er-Jahren und so manches mehr. Vieles ist in Vergessenheit geraten. Oder wer weiß heute schon noch, dass in Rain zwischen 1925 und 1930 Wohnwagen hergestellt wurden?

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