Mertingen

So kämpft der Brachvogel ums Überleben im Mertinger Ried

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    Der Große Brachvogel ist erkennbar an seinem markant gebogenen Schnabel und den langen Beinen.
    Der Große Brachvogel ist erkennbar an seinem markant gebogenen Schnabel und den langen Beinen. Foto: Hama

    Es ist sechs Uhr morgens, Nebel steigt aus den Wiesen im Mertinger Ried. Drei Männer stehen auf einem Schotterweg, zwei blicken durch Ferngläser, einer steuert eine Drohne. Sie sind auf der Suche nach Brachvögeln. Einer der frühen Vogelbeobachter ist Anton Burnhauser. Lange Zeit hat er für die Regierung von Schwaben in der höheren Naturschutzbehörde gearbeitet und auch nach seiner Pensionierung sorgt er sich um das Überleben der Tiere. „Eigentlich stören wir, wenn wir hier unsere Arbeit machen“, sagt der Rentner.

    In Echtzeit überträgt die Drohne den Blick der Wärmebildkamera. Über den Bildschirm kann Michael Oblinger den Flug verfolgen und nach Nestern Ausschau halten.
    In Echtzeit überträgt die Drohne den Blick der Wärmebildkamera. Über den Bildschirm kann Michael Oblinger den Flug verfolgen und nach Nestern Ausschau halten. Foto: Helen Geyer

    „Aber wir können die Nester nur schützen, wenn wir wissen, wo sie sind“. Der Brachvogel hat einen markanten, nach unten gebogenen Schnabel, braunes Gefieder und lange Beine. Für den Wiesenbrüter herrschen im Donauried ideale Bedingungen. Das Niedermoor bietet weitläufige, feuchte Wiesen mit viel Platz und Ruhe. Doch die Vögel sind vom Aussterben bedroht. Der Bestand sinkt stetig. Die Tiere benötigen die Feuchtgebiete für ihre Nahrungsaufnahme und Brut. Immer wärmere Jahre mit weniger Niederschlag gefährden das natürliche Umfeld. Zwar werden die Vögel verhältnismäßig alt – bis zu 25 Jahre – aber es kommen zu wenige Jungtiere nach. Deswegen betreiben die Tierschützer diesen Aufwand.

    Tierschützer suchen mit Drohne und Wärmebildkamera im Mertinger Ried

    Ebenfalls vor Ort ist Michael Oblinger. Er arbeitet als Gebietsbetreuer im östlichen Donauried beim Bund Naturschutz. Seit Beginn der Brutzeit Ende März ist er fast jeden Tag um vier Uhr auf den Beinen und sucht die Wiesen nach Neuankömmlingen ab. „Mit der Wärmebildkamera an meiner Drohne kann ich die Nester finden, ohne durch das Gras zu laufen. Damit stören wir den Vogel nicht so sehr.“ Neben ihm steht Alexander Helber, Vorsitzender der Kreisgruppe Donau-Ries des Bund Naturschutz. Er hat die Vögel im Vorfeld beobachtet, nun soll Oblinger das Nest ausfindig machen. An diesem Tag haben die Tierschützer aber kein Glück, sie können den Brutort nicht finden. Der Boden ist schon zu warm, um auf der Kamera einen Unterschied zu erkennen.

    Kreisgruppenvorsitzender des Bund Naturschutz, Alexander Helber, sucht mit seinem Fernglas das Mertinger Ried nach Brachvögeln ab.
    Kreisgruppenvorsitzender des Bund Naturschutz, Alexander Helber, sucht mit seinem Fernglas das Mertinger Ried nach Brachvögeln ab. Foto: Helen Geyer

    Sein Nest baut der Brachvogel in einfache Mulden im Boden. In der Brutzeit, die Ende März beginnt und bis Juni dauert, legt er innerhalb weniger Tage meist vier gefleckte Eier. Zwischen dem hohen Gras sind sowohl Tier als auch Nachwuchs nur mit geschultem Auge zu erkennen. Trotzdem sind sie ständig in Bedrohung. Bodenräuber, wie Füchse, Marder, Wiesel sowie Krähen überfallen die Nester und fressen entweder die Eier oder die Jungtiere. Die Jagd auf die Raubtiere ist ein strittiges Thema.

    Brachvogel: Jagd auf Fressfeinde hat Befürworter und Gegner

    Brachvogel-Schützer plädieren dafür, das Überleben dieser besonderen Art zu priorisieren. Eine Ausrottung etwa von Füchsen sei nicht das Ziel, betont Oblinger. Vielmehr solle die Dichte niedrig gehalten werden, damit sowohl die Vögel als auch andere Jungtiere wie Hasen oder Rehe sich entwickeln können. Die Gegenseite lehnt einen solchen Eingriff in die Natur ab und sieht damit etwa den Fuchs selbst in Gefahr. Oblinger und Burnhauser kennen den Zwiespalt. „Wir müssen so gut es geht offen kommunizieren, warum wir das machen, was wir machen“, sagt der Gebietsbetreuer.

    Auch die Landwirtschaft bedroht den Lebensraum des Großen Brachvogels. Wenn die Wiesen zu früh gemäht werden, können die Tiere den Maschinen zum Opfer fallen. Deshalb sprechen sich die Tierschützer mit den Landwirten ab und fahren während der Mahd mit, um auf Jungvögel aufmerksam zu machen. Burnhauser zufolge zeigen sich die Bauern verständnisvoll für die Maßnahmen: „Wir arbeiten sehr gut mit den Landwirten hier in der Gegend zusammen. Wenn sie Brachvögel auf ihrem Acker haben, sprechen manche mittlerweile sogar von ‚ihren‘ Vögeln.“

    Anton Burnhauser, Michael Burnhauser und Alexander Helber (von links) sind aktiv beim Brachvogel-Schutz.
    Anton Burnhauser, Michael Burnhauser und Alexander Helber (von links) sind aktiv beim Brachvogel-Schutz. Foto: Helen Geyer

    Auch der Mensch ist eine Gefahr für den Brachvogel

    Spaziergänger und Hunde können ebenfalls zur Gefahr für den Brachvogel werden. „Sobald zu viel Unruhe in der Nähe des Brutplatzes ist, gibt der Brachvogel sein Nest auf“, sagt Burnhauser. „Diese Unruhestifter können neben landwirtschaftlichen Aktivitäten eben auch Spaziergänger mit Hunden oder auch wir vom Bund Naturschutz sein.“ Deshalb müssten sie besonders vorsichtig sein, wenn sie die Nester suchen und schützen wollten. Die Regierung von Schwaben und der Landkreis Donau-Ries haben an den betroffenen Gebieten Schilder angebracht, um auf die lärmempfindlichen Tiere hinzuweisen.

    Sobald die Tierschützer ein neues Gelege finden, bauen sie rundherum einen Zaun auf. Dieser misst 50 auf 50 Meter. Ist das Nest identifiziert, dauert es meist keine 24 Stunden, bis die Schutzvorrichtung steht. „Wir wissen, dass es ein großer Eingriff in die Natur ist, aber mittlerweile geht es nicht mehr anders“, sagt Oblinger. 

    Seinen Angaben nach überleben 90 Prozent aller nicht eingezäunten Gelege nicht. Im Vergleich: etwa 90 Prozent der Brachvögel in eingezäunten Nestern können Schlüpfen. Wer dem Gebietsbetreuer zuhört, weiß, dass das Überleben auch danach noch nicht gesichert ist.

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