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Landkreis Donau-Ries: Kreis Donau-Ries: Wohnungslosigkeit - ein verdrängtes Problem

Landkreis Donau-Ries

Kreis Donau-Ries: Wohnungslosigkeit - ein verdrängtes Problem

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    Ein Bild, das einem eher aus Großstädten bekannt ist: Ein Obdachloser, der im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße lebt. Im ländlichen Raum ist diese Form der Wohnungslosigkeit zwar eher selten, aber dennoch gibt es sie, wie Gabriele Wawrok von der Caritas Donau-Ries berichtet. Tendenz: steigend.
    Ein Bild, das einem eher aus Großstädten bekannt ist: Ein Obdachloser, der im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße lebt. Im ländlichen Raum ist diese Form der Wohnungslosigkeit zwar eher selten, aber dennoch gibt es sie, wie Gabriele Wawrok von der Caritas Donau-Ries berichtet. Tendenz: steigend.

    Die Schicksale, mit denen es Gabriele Wawrok zu tun hat, laufen oft „unter dem Radar“. Das heißt, sie sind nicht offensichtlich, meistens werden sie es auch nicht. Trotzdem sind sie da. Wawrok kümmert sich bei der Caritas in Donauwörth um die Obdachlosen – bislang hauptsächlich um jene im Stadtgebiet, doch bald soll die Arbeit landkreisweit laufen. Das erscheint nur konsequent, denn bereits jetzt sind die Grenzen fließend, Obdachlosigkeit macht nicht an Stadtgrenzen halt. Klar ist derweil: Das Problem der Obdachlosigkeit ist größer als bislang angenommen. Und es ist eines, das laut Caritas offenbar zu stark ausgeblendet wird in einigen Kommunen.

    Einer von 1000 Bewohnern im Landkreis Donau-Ries ist obdachlos

    Gefragt, wie viele Menschen ohne festen Wohnsitz es im Landkreis Donau-Ries gibt, hat Wawrok ohne Umschweife eine sehr klare Antwort parat: „Einer von 1000 Einwohnern ist obdachlos in der Region.“ Das sei ihr Analyseergebnis bezogen auf die offiziellen Meldedaten. Die jüngst veröffentlichten Angaben musste sie aber erst auf Vordermann bringen, die Zahl von 67 Obdachlosen im Jahr 2019 hatten die Caritas-Mitarbeiterin, deren Schwerpunkt die Obdachlosenarbeit ist, stutzig gemacht. Sie kam nach eigener Zählung sodann auf 138 Personen; mitsamt all jenen, die völlig „unter dem Radar“ lebten, betrage die Zahl gut 300. Unter dem Radar laufe vieles im Bereich der Obdachlosigkeit erklärt Wawrok: Viele Menschen, die bei Freunden und Verwandten unterkämen, seien längst nicht mehr bei den Behörden gemeldet. Sie existieren, aber irgendwie nicht offiziell. Dazu trage ein Phänomen bei, das besonders im Kreis Donau-Ries wegen seines stark angespannten Wohnungsmarktes ausgeprägt sei.

    Zwangsräumungen nach Mietrückständen

    „Es gibt fast keine Wohnungen. Menschen, die nach einem Schicksalsschlag oder nach Jobverlust wegen Mietrückständen zwangsgeräumt werden, haben oft keine Chance auf dem Markt“, berichtet Wawrok. Lediglich drei Wohnungen konnte sie voriges Jahr vermitteln. Ein junges Paar lebte den Sommer über in einem Zelt am Donauspitz in Donauwörth; sie konnten in eine Wohnung des Wohnbau-Selbsthilfewerks aufgenommen werden. Andere warten länger.

    Wie eine ältere Rentnerin, die vor Weihnachten ihre Wohnung in der Parkstadt verlassen musste und seitdem im Obdachlosenheim in der Dillinger Straße in Donauwörth lebt (wir berichteten). Ihre Situation sei wie die anderer Wohnungsloser „schwierig“. Die Menschen trügen durchweg schwer an Schicksalen, es gehe dabei sehr oft um Verluste nahe stehender Menschen oder des Arbeitsplatzes, es sind sogenannte klassische Abstürze. Die Kommunen wüssten oftmals nicht, wohin mit den Obdachlosen oder obdachlos Gewordenen – obwohl sie per Gesetz für deren Unterbringung zuständig seien, wie Wawrok betont.

    Die Verwaltungen stellen sich oftmals auf die Hinterbeine beim Thema Obdachlosigkeit

    Oft stellten sich die Gemeinden nach ihrer Erfahrung so auf die Hinterbeine, dass man die Verwaltungsgerichte anrufen müsse, sagt Wawrok, die viel lieber gemeinsam mit den Verwaltungen nach allseits tragbaren Lösungen schauen würde.

    Hierfür wird ihr Aufgabenbereich auch geografisch ab dem 1. Oktober erweitert. Bis dato gibt es jeweils eine Stelle für die Obdachlosenhilfe in Donauwörth (Caritas) und Nördlingen (Diakonie).

    Die Obdachlosenhilfe der katholischen Caritas wird nun, mit Unterstützung des Freistaates Bayern, auf den gesamten Landkreis Donau-Ries ausgeweitet. Will heißen: Wenn etwa Obdachlosigkeit in Tagmersheim, Rain oder sonst wo droht, hilft Gabriele Wawrok jetzt auch ganz offiziell dort bei der Problemlösung.

    Obdachlosenunterkünfte im Landkreis Donau-Ries: Der Zustand ist unterschiedlich, aber oft ziemlich unwürdig

    Die Lage in den Obdachlosenunterkünften sei indes unterschiedlich. In Nördlingen sei, so Wawrok, die Unterbringung Obdachloser beispielsweise würdevoller als in Donauwörth. Dort gibt es Einzelzimmer und Waschgelegenheiten auf den Zimmern. Das Heim in Donauwörth müsse eigentlich – wie auch jenes in Rain, wo bereits Ratten gesehen worden seien und der Schimmel sprieße – dringend saniert beziehungsweise modernisiert werden. Auch müsste die Einrichtung an der Dillinger Straße für die Unterstützung durch freiwillige Helfer zugänglicher gemacht werden, es bedürfe einer „Strukturänderung“ im Sinne der Menschen.

    In Rain, so der neue Bürgermeister Karl Rehm gegenüber unserer Zeitung, wisse man um den Handlungsbedarf in Sachen Obdachlosenheim. Es brauche eigentlich eine Ersatzlösung, was bei dem angespannten Arbeitsmarkt allerdings enorm schwierig sei. Mittlerweile müsse man sogar über Container nachdenken. Doch diese Lösung sei nicht in trockenen Tüchern. Rehm betont, er wisse um die Problematik.

    Händeringend sucht Caritas-Mitarbeiterin Wawrok unterdessen nach Ehrenamtlichen im Landkreis, die ein Herz für Obdachlose haben; man könne ganz vielfältige, wertvolle Arbeit für die Mitmenschen leisten, je nach Zeit und persönlichen Stärken. Es gebe zahlreiche Baustellen, resümiert Wawrok.

    Die Verhandlungen mit einigen der Behörden seien derweil mitunter zäh – und wie sie Wawrok beschreibt: manchmal auch würdelos.

    Problem: Der kommunale Wohnungsbau in Deutschland wurde über die Jahre zurückgefahren

    Dass der kommunale Wohnungsbau in Deutschland über Jahre zurückgefahren wurde, trage indessen zu der angespannten Lage bei.

    Wawrok will sich nun bei allen Verwaltungen vorstellen, damit die von Obdachlosigkeit bedrohten oder schon wohnungslos gewordenen Menschen nicht einfach abgewiesen werden – oder von Behörde zu Behörde weitergeschickt werden. Auch in den Pfarreien und Kirchengemeinden möchte sie sich als Ansprechpartnerin vorstellen.

    Ziel sei im Landkreis „ein Haus für alle“, ein Heim nach dem Muster des betreuten Wohnens und nicht des sich selbst Überlassenseins. Aktuell agiere schier jedes Ordnungsamt irgendwie anders – mit mehr oder weniger Engagement, wie es Wawrok aus ihrem Alltag berichtet. Unterdessen prognostiziert sie, dass das Thema Obdachlosigkeit regional wahrscheinlich noch zunehmen werde, auch wegen wirtschaftlicher Konsequenzen, die auf der Corona-Krise fußen. Die Fälle, bei denen Mietrückstände nach einem Jobverlust oder Kurzarbeit nicht getilgt werden könnten, landeten nun sukzessive auf den Schreibtischen der Sozialarbeiter.

    Das Thema Obdachlosigkeit verdiene wesentlich mehr Aufmerksamkeit, ist die Caritas-Mitarbeiterin überzeugt: Ein Mindestmaß an Würde stehe jedem Menschen zu.

    Wer als Ehrenamtlicher freiwillig in der Obdachlosenhilfe der Caritas Donau-Ries mitarbeiten will, kann sich bei Gabriele Wawrok melden: Telefon 0906/70920724 oder via E-Mail fachstelle@caritas-donau-ries.de

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