Was kann vor Ort getan werden, damit die Welt die Klimakrise bewältigen kann? Viel - das ist zumindest das Selbstverständnis, das der Landkreis Donau-Ries in Zukunft leben will. Einsparung von Treibhausgasen vor Ort, Müll und lange Lieferketten vermeiden, öffentliche Gebäude klimaneutral machen - es sind nur einige Ziele, die der Landkreis in einer neuen Strategie entwickelt hat. Auftakt dazu war Anfang 2020 unter dem Titel "Donau-Ries macht Zukunft" und auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Donau-Ries dazu eine Videobotschaft gesendet.
"Wir wollen bis 2030 nachhaltiger werden und einen messbaren Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten", fasst es Heike Burkhardt, Leiterin der Stabstelle für Kreisentwicklung und Nachhaltigkeit zusammen, jetzt wo die Strategie nach neun Monaten konkreter Arbeit steht. Bekanntermaßen ist das Thema Herzensangelegenheit von Landrat Stefan Rößle (CSU). "Auch die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, dass das Bewusstsein für dieses Thema zugenommen hat", ist sich Rößle sicher.
"Donau-Ries 2030 global nachhaltig" ist der Titel der neuen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Kreistag jetzt verabschiedet hat. Die umfangreiche Dokumentation wurde über neun Monate von der Stabsstelle Kreisentwicklung und Nachhaltigkeit zusammen mit über hundert Akteuren aus dem Landkreis erarbeitet. "Das soll kein Dokument für die Schublade sein, sondern eine Strategie mit Wirkung", erklärt Heike Burkhardt, Leiterin der Stabstelle. Veröffentlicht werden und für jedermann nachlesbar sein soll das Heft zeitnah 2022.
Fünf Handlungsfelder werden für die ersten Schritte definiert
Fünf zentrale Handlungsfelder sind zusammen mit der Beratungsfirma Stratum Consult in einem aufwendigen Prozess mit Workshops und Bürgerbefragung erstellt worden. Bei "Klima & Energie" möchte der Landkreis sich auf den Weg zur Klimaneutralität machen. Unter dem Begriff "globale Verantwortung" hat man sich vorgenommen, zehn Projekte aus "1000 Schulen für die Welt" zu vertiefen. Bei "Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung" soll es darum gehen, jedem in Sachen Nachhaltigkeit Wissen zu vermitteln. Beim Handlungsfeld "Konsum – Bauen – Beschaffung" geht es unter anderem um nachhaltigen Einkauf vonseiten der öffentlichen Hand. Den Aspekt "lokale Produktion" will man unter anderem durch die Einführung einer weiteren Regionalmarke vorantreiben – also beispielsweise ein Label, das vor Ort produzierte Ware kennzeichnet.
Auf der Agenda stehen ganz greifbare Vorschläge wie dieser: Der Landkreis will anstoßen, dass überall im Landkreis weitere Transition-Town-Vereine gegründet werden. In Donauwörth gibt es bereits die Initiative, die sich für eine nachhaltige Lebensart und die Vermittlung von Wissen darüber engagiert. Auch das in Donauwörth erfolgreich angelaufene Projekt des Reparaturcafés soll flächendeckend im Landkreis umgesetzt werden.
Wie wird der Landkreis klimaneutral?
Doch dann wird es schon komplexer. "Auf den Weg zum klimaneutralen Landkreis machen" steht zwar an erster Position der acht Schlüsselprojekte. Wie genau das aber funktionieren soll, ist offen oder zumindest bei der Vorstellung der Nachhaltigkeitsstrategie nicht konkret benannt worden. Was genau ist auch "der Landkreis" – die geografische Grenze oder die Kreisverwaltung? Oder wird das Ziel auf alle Kommunen erweitert, was allerdings vor Ort enorme Diskussionen auslösen könnte. Auch die Vorschläge, wie die Städte und Gemeinden in Zukunft ausschließlich nachhaltig und fair einkaufen, dürfte in den Rathäusern für Gesprächsstoff sorgen.
Offen ist auch die Frage, was eigentlich klimaneutral dann bedeuten soll: kein Ausstoß von Treibhausgasen beim Betrieb der kreiseigenen Gebäude? Oder gehören auch die Emissionen bei der Stromerzeugung und bei den Lieferketten dazu?
Heike Burkhardt macht klar, dass hier noch viel zu entscheiden ist, will aber betonen: "Das ist kein Leitbild für die Landkreisverwaltung, sondern eines für sämtliche Akteure in diesem Landkreis." Will heißen: Nicht das Landratsamt denkt sich Projekte aus und setzt sie um: Alle Bewohner, Unternehmer, Kommunalpolitiker, Ehrenamtliche und viele mehr sollen die Ziele gemeinsam erreichen. "Wir haben die Akteure für die einzelnen Projekte schriftlich benannt und sicher wird es spannend, wie sich die Beteiligten jetzt selbst auf den Weg machen", so Burkhardt. Deshalb habe man ja für die Strategie auch umfangreiche Vorarbeiten geleistet und sehr viele Menschen mit ins Boot geholt, die sich ja auch selbst Ziele gesetzt haben.
Die konkreten Maßnahmen konnten Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis bei einer Onlinebefragung bewerten. Weniger als 300 Personen haben sich beteiligt. Diese sehen klar die Prioritäten darin, regionale Lieferketten zu stärken, und wünschen sich, dass die öffentliche Hand fair und nachhaltig ihre Waren beschafft. Kommunale Entwicklungspolitik schnitt deutlich schlechter ab.
Die Reaktionen der Kreisräte auf das vorgestellte Ergebnis war positiv. Sie segneten die Nachhaltigkeitsstrategie bis auf drei Gegenstimmen der AfD ab. Diese hatten von einer "Themaverfehlung" gesprochen. Dass sich nur 300 Leute bei der Onlinebefragung beteiligt hätten, würde das beweisen. Man solle sich lieber um die Menschen vor Ort kümmern, die in Armut leben.
Kritik: Nicht nur schöne Worte, auch Taten müssten folgen
Ulrich Lange, Sprecher der Fraktion CSU und JB, mahnte aber auch mit Blick auf die Projekte in Afrika, "nicht immer internationale Aspekte" zu betonen. Er forderte angesichts der umfangreichen Präsentation: "Es ist schön, wenn oben Schlagworte und Ziele formuliert werden, dann muss aber an der Basis auch was passieren." Die Strategie sei ein Ansatz, jetzt aber gehe es vor Ort um die konkrete Umsetzung. In die gleiche Kerbe schlug Helmut Beyschlag für die Fraktion der PWG/FDP/ÖDP: "Wir sollten erreichbare Ziele anstreben und nicht viele wohlklingende Worte formulieren." Florian Riehl von den Freien Wählern forderte ebenfalls, konkrete Schritte zu planen. Ein Zehn-Jahres-Plan müsse aufgestellt werden.
Albert Riedelsheimer (Grüne/Frauenliste/Linke) nannte die Strategie "einen wichtigen Zwischenschritt". Jetzt könne man beginnen, die Kreisverwaltung CO2-neutral zu stellen, den Fuhrpark auf Elektro umzurüsten und von Schulen bis ins Landratsamt die Gebäude klimaneutral zu machen. "Der Ehrgeiz, erster CO2-freier Landkreis zu sein, könnte unser Markenzeichen werden."