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Landkreis Donau-Ries: Gab es einen Ansturm auf das Bürgergeld in der Region?

Landkreis Donau-Ries

Gab es einen Ansturm auf das Bürgergeld in der Region?

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    Ukrainer bei der Ankunft im Landratsamt in Donauwörth. Die Kriegsflüchtlinge erhalten Bürgergeld, was mitunter umstritten ist.
    Ukrainer bei der Ankunft im Landratsamt in Donauwörth. Die Kriegsflüchtlinge erhalten Bürgergeld, was mitunter umstritten ist. Foto: Thomas Hilgendorf

    Lohnt es sich noch, arbeiten zu gehen? Hat die vor einem Jahr eingeführte Nachfolgeregelung von Hartz IV zu einem Ansturm auf das Jobcenter Donau-Ries geführt? Die Debatten um das Bürgergeld sind dieser Tage in vollem Gange. In der Region bewerten die Vertreter von

    Als vor über einem Jahr die ersten Fakten zum Bürgergeld bekannt wurden, da kamen auch in den wirtschaftlich nach wie vor prosperierenden Regionen rund um Donauwörth und Nördlingen die Befürchtungen auf, dass das Projekt vielleicht gut gemeint sei – aber letztlich doch kontraproduktiv sein könnte. Denn die Sätze der staatlichen Hilfszahlungen stiegen im Vergleich zu den Hartz-IV-Leistungen, parallel sanken die Sanktionierungsmöglichkeiten der Jobcenter gegenüber sogenannten Verweigerern. Noch dazu rutschten Hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer von Hartz IV in das neue System Bürgergeld.

    Menschen im Kreis Donau-Ries schmeißen ihre Jobs nicht einfach hin

    So weit die Ausgangslage. Heute sagt Monika Holzmann: "Zu einem Ansturm auf das Bürgergeld ist es in der Region nicht gekommen." Die Geschäftsführerin des Jobcenters Donau-Ries in Donauwörth erklärt, dass es bei den Beantragungen der staatlichen Grundsicherung ein Plus von "fünf bis zehn Prozent" im Vergleich zu den letzten Hartz-IV-Zahlen gegeben habe – die ukrainischen Flüchtlinge nicht eingerechnet. Doch klar sei auch, dass "die Menschen ihre Arbeit nicht wegen des Bürgergeldes aufgeben". Das könnten sie und ihre Mitarbeiter nicht feststellen für den Kreis Donau-Ries.

    Das hiesige Jobcenter betreute im September 2023 – das sind die neuesten statistischen Zahlen – insgesamt 1450 Bedarfsgemeinschaften, also Familien. Es wurden zuletzt insgesamt 1937 erwerbsfähige Leistungsberechtigte (das sind Personen im arbeitsfähigen Alter) durch das Donauwörther Jobcenter betreut. Bürgergeld erhielten im September insgesamt 2720 Personen (erwerbsfähige und nicht erwerbsfähige Personen, wie etwa Kinder). 

    Hoher Anteil von ukrainischen Bürgergeldbeziehern im Kreis Donau-Ries

    Deutlich erkennt man bei genauerer Betrachtung der Zahlen den relativ und absolut gesehen hohen Anteil an ukrainischen Bürgergeldbeziehern. 621 erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind aus der Ukraine, das sind 32 Prozent des Gesamtbestandes im Jobcenter Donau-Ries. Davon sind die allermeisten, nämlich 65 Prozent, Frauen. 292 der ukrainischen Bezieher sind nicht erwerbsfähige Personen, beispielsweise Kinder unter 15 Jahren. Insgesamt also verzeichnet das Jobcenter 913 ukrainische Bezieher von Bürgergeld, die in 433 Bedarfsgemeinschaften leben. Davon, so teilt die Behörde auf Nachfrage weiter mit, seien 33 Prozent Alleinerziehende. Die Zahlen zeigen, dass sowohl die Zahl der

    Allerdings verzerrten die Zahlen das Bild ein wenig hinsichtlich der Ukrainer, wie der Chef der Arbeitsagentur in Donauwörth, Richard Paul, im Gespräch mit der Redaktion erklärt: "Ein Problem ist, dass viele Ukrainer entweder aktuell noch in Sprachkursen sind oder auf einen Platz in einem solchen Kurs warten." Die Wartezeit betrage aktuell gut sechs Monate – zuletzt war sie merklich länger gewesen. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse seien auch Jobs im Helferbereich kaum denkbar, so der Donau-Rieser Agenturchef. Bei dem hohen Anteil von geflüchteten Frauen und Kindern käme auch die Problematik der Kinderbetreuung hinzu. Ein weiterer Aspekt ist, wie Paul ausführt: Viele ukrainische Flüchtlinge wollen unbedingt zeitnah zurück in die Heimat, wenn dies wieder möglich ist. "Wir bemerken tatsächlich immer wieder auch einige Abmeldungen seitens der Ukrainer", berichtet Holzmann hierzu. Die Unsicherheit darüber, wie lange man hierbleiben müsse, wann wieder Sicherheit herrsche in der Heimatregion, sei in Verbindung mit der Spracherwerbsproblematik augenfällig. Eine weitere Schwierigkeit ist auch, wie Paul erläutert, ein Phänomen, das auch hinsichtlich des Fachkräftemangels zu einem Standortnachteil werden könnte: der eklatante Wohnraummangel in der Region. Die hier Ankommenden bleiben auch deshalb nicht unbedingt. Sie gehen aus Notunterkünften und weiteren Übergangslösungen dorthin, wo sie Wohnungen finden. Dies sei dann auch nicht gerade förderlich für den Spracherwerb – denn dann heißt es wiederum warten auf den neuen Platz im Sprachkurs. 

    Mehr Ukrainer kämen auf den Arbeitsmarkt, sagt Agenturchef Paul

    Doch langsam kämen nach und nach mehr Ukrainer auf den Arbeitsmarkt, sagt Paul. Laut Beschäftigtenstatistik vom Juni 2023 – aktuellere Daten liegen bislang nicht vor – sind im Landkreis Donau-Ries 163 ukrainische Staatsangehörige sozialversicherungspflichtig und 41 geringfügig beschäftigt. Das sei nicht zu vernachlässigen, denn bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten komme man aus einem zweistelligen Bereich. Kurzum: Es bewege sich etwas, wenn auch nicht rasant.

    Die Debatte um die Sozialzahlungen ist indessen in den vergangenen Wochen regelrecht hochgekocht. Richard Paul blickt differenziert auf das Bürgergeld und dessen jüngste Erhöhung um zwölf Prozent. Einerseits müsse es gegenüber völligen Verweigerern in der Tat effiziente, aber faire Sanktionierungsinstrumente geben, andererseits ließe sich auch die Frage stellen, warum diverse Tätigkeiten im Niedriglohnsektor eben weiterhin schlecht entlohnt würden. Monika Holzmann erklärt, dass das Jobcenter bis zur Bürgergeld-Einführung zwischen ein und zwei Prozent der Bezieher im Landkreis habe sanktionieren müssen, aktuell seien es – wohl aufgrund der eingeschränkteren Möglichkeiten für die Behörde – "deutlich unter einem Prozent". Beide sind sich einig: Es müsse für die Arbeitsbehörden eine Option zum Reagieren geben. Es müsse stets das Motto "fördern und fordern" gelten. 

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