Am 26. März blieben die Türen der meisten Geschäfte und Dienstleister im Landkreis Donau-Ries geschlossen. Die steigende Inzidenz ist der Grund dafür, dass faktisch ein dritter Lockdown beginnt. Viele Geschäftsleute im Landkreis sind wütend und können die Maßnahmen nicht mehr nachvollziehen. Offen sprechen Sie über ihre Lage am Limit.
Josef Albert Schmidt organisiert Messen in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries: "Es ist Zeit neu zu denken"
Seit über 30 Jahren organisiert Josef Albert Schmid regionale Messen. Drei bis fünf solcher Ausstellungen organisiert er pro Jahr. Auch die Donau-Ries-Ausstellung muss 2021 ausfallen. „Ich fühle mich wie kaltgestellt und das ist ein sehr kritisches Lebensgefühl.“
Der Unternehmer aus Mördingen hat kein Verständnis dafür, dass die Branchen so ungleich behandelt werden. „Ich kann in meinen Messen ein funktionierendes Hygienekonzept mit Belüftung, maximaler Besucherzahl, FFP2-Masken, Schnelltests und Handhygiene und so weiter umsetzen. Wenn das jeder Baumarkt und jeder Supermarkt darf, warum dürfen wir Messeaussteller das nicht?“, fragt er. Landräte und Bürgermeister, sogar Markus Söder haben seine Messen bereits eröffnet und kennen das Konzept. „Aber wir werden einfach wie ein Rockkonzert als Massenveranstaltung gesehen.“
Die Politik sei an vielen Stellen unlogisch. „Privat darf ich eine Person treffen, aber ein privates Shopping ist nicht erlaubt. Das ist Frust pur.“ Schmid meint, die Politik müsse sich endlich trauen, neu zu denken und nicht weiter nur alles herunterfahren. „Es passt nichts mehr zusammen.“
Anja Fischer-Mayer führt ein Modegeschäft in Wemding und würde sogar Klopapier verkaufen: "Handeln statt warten"
Das Auf und Zu für den Handel treibt Anja Fischer-Mayer den Blutdruck nach oben. „Ich bin einfach so sauer“, sagt sie offen. Auch sie fühlt sich ungerecht behandelt, ärgert sich, dass jeder Discounter Mode verkaufen darf und sich dabei viel mehr Menschen treffen, als beim Shopping in ihrem Laden „Anjas Lust auf Mode“ in Wemding. Sie nimmt es mit dem Hygienekonzept sehr genau, würde ihre Öffnungszeiten von 8 bis 20 Uhr erweitern, um mehr Terminshopping zu ermöglichen. 12 Kunden könnten bei ihr gleichzeitig ins Geschäft. „Das wäre für mich okay.“ Doch auch das geht jetzt nicht mehr. Deshalb hat sie jetzt gehandelt und ihr Gewerbe erweitert. “Ich verkaufe Klopapier, dann mache ich meinen Laden wieder auf“, sagt sie und meint damit, dass sie ihre Verkaufsfläche zu 60 Prozent für Drogerieartikel nutzen will. Doch das Landratsamt verweigerte ihr die Zustimmung.
Ob sich das gerechnet hätte? „Es geht mir nicht um den Umsatz. Ich will ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergeht“, sagt die tatkräftige Geschäftsfrau. „Ich will meinen Lebensunterhalt wieder selbst verdienen, meine Kunden empfangen, etwas tun statt abwarten.“
Anna Flak ist Inhaberin des Piercing- und Tattoo-Studios "Deine Schmerzgrenze" in Rain: "Es fühlt sich an wie eine Ohnmacht"
Seit fünf Monaten hat Anna Flak in ihrem Tattoo-Studio „Deine Schmerzgrenze“ in Rain nicht mehr aufgesperrt. Immer wieder hat sie gehofft, auch sie dürfte – wie die Friseure, Kosmetiker und Fußpfleger, wieder aufmachen. „Ich habe sogar Schnelltests besorgt“, sagt Flak. Doch sie wurde wieder enttäuscht. „Alle Hoffnung ist im Keim erstickt.“
Sie verstehe den Sinn hinter diesen dauernd sich ändernden Maßnahmen nicht mehr, gibt die Soloselbstständige zu. Seit 2013 hat sie ihr Studio in der Rainer Hauptstraße. Hygiene ist für sie immer schon Teil ihres Berufs gewesen. Sie empfange immer nur einzelne Kunden in ihrem kleinen Studio, dort arbeite nur sie alleine. Die Überbrückungshilfe vom Staat sei weniger als ihre monatlichen Fixkosten von 1500 Euro.“ Und wenn ich im Mai wieder aufmache, muss ich noch was zurückzahlen.“ Ihr Glück sei, dass ihre Familie im eigenen Haus lebt, denn auch ihr Mann ist in Kurzarbeit. „Es ist wie eine Ohnmacht.“
Eine Perspektive wäre wichtig, sagt Falk. „Ich finde, die Regelungen stehen in keinem Verhältnis mehr zu dem, was wir dafür alles aufgeben.“
Nicole Wermuth ist Reifenhändlerin in Donauwörth: "Es herrscht Verunsicherung"
In der Werkstatt von Reifen Lebedew ist es heiß. Eine Corona-Maßnahme: Die Kunden können mit ihren Fahrzeugen nicht mehr an die Rampe fahren. Sie müssen draußen bleiben, damit die Monteure ohne Mundschutz arbeiten können. „Wir haben ein umfangreiches Hygienekonzept eingeführt“, berichtet Nicole Wermuth von Reifen Lebedew in Donauwörth. Schilder habe man aufgestellt, Absperrungen angebracht. „Manchmal verstehen das unsere Kunden nicht, aber es sei notwendig“, um die Abläufe möglichst kontaktlos abwickeln zu können. In diesen Tagen beginnt die Reifenwechsel-Frühjahrssaison. Dass sich etliche Autofahrer neue Reifen zulegen, glaubt Nicole Wermuth nicht. Es werde weniger gefahren in Corona-Zeiten und vielfach höre sie: „Die gehen schon noch eine Saison.“ Den Felgenreiniger darf man bei Lebedew derzeit nicht verkaufen, einen Termin zum Reifenwechsel aber vereinbaren. „Wir sind systemrelevant, müssen uns aber an alle geltenden Hygieneregeln halten“, sagt Nicole Wermuth. Sie stellt fest, „dass die Leute alle sehr verunsichert sind“.
Jürgen Karmann von der gleichnamigen Möbelhaus-Kette: "Wir müssen wieder leben"
„Wir sind sehr unglücklich, dass wir wieder zu haben“, erklärt Jürgen Karmann, Geschäftsführer des gleichnamigen Möbelhauses in Wemding. Er fände es wichtig, an einem Konzept zu arbeiten, dass es ermöglicht, die Läden offen zu lassen, ähnlich wie in Tübingen. Leben müsse wieder stattfinden. Aber das gehe nur mit testen. „In den Regelungen der Politik fehlt der Praxisbezug. Warum soll ich nicht einkaufen können, wenn ich Corona-negativ bin?“, fragt sich Karmann. Die Mehrheit sei gesund und nur, weil ein kleiner Teil der Bürger erkrankt sei, müssen alle daheim bleiben. Außerdem stört ihn die Ungleichbehandlung. „Buchläden dürfen öffnen, aber wir nicht, obwohl man Bücher auch online kaufen kann“, ärgert sich Karmann. Man müsse den Menschen mehr Verantwortung übertragen. In Karmanns Möbelhaus in Weißenburg, das noch geöffnet ist, kommen durch die steigende Inzidenz weniger Besucher. Die Kunden seien vernünftig und verschieben nicht dringende Einkäufe. „Wir brauchen ein vernünftiges Öffnungs- und kein Schließungskonzept“.
Friserumeisterin Piroska Schneider: "Es ist alles so anstrengend"
„Im Prinzip ist die Stimmung gut“, sagt Piroska Schneider, die in Monheim einen Friseursalon betreibt. Sie sei einfach nur froh, dass Friseure offen haben dürften. Die aufgestauten Termine habe sie mit ihrem Team inzwischen abgearbeitet. Natürlich kreisten die Gespräche mit den Kunden um Corona. Sie habe bemerkt, dass die Akzeptanz der Maßnahmen abnehme. Die Gründonnerstag-Termine hatte sie schon verlegt, als die Rolle rückwärts der Kanzlerin kam. Nach einem monatelangen Lockdown verspürt „Piri“ eine Entspannung, wenn sie auch wisse, dass die Zahlen eine andere Sprache sprechen. Noch einmal ein totaler Lockdown? Das könne sie sich wirklich nicht vorstellen. Die Friseurmeisterin sehnt sich ein Ende der „Maskenzeit“ herbei. Es sei furchtbar anstrengend, sie den ganzen Tag tragen zu müssen. „Unsere Kunden vermissen die Normalität“, sagt Schneider: in einer Zeitschrift blättern zu können, den Friseurtermin mit dem Kaffeegenuss zu verbinden. Wann diese Zeit des „Wohlfühlens“ zurückkomme, sei mehr als ungewiss. „Hoffentlich bald!“
Susanne Böswald, Inhaberin eines Wäschegeschäfts: "Es ist zermürbend"
Susanne Böswald hat viel ausprobiert, um ihren Laden am Laufen zu halten. Sie verkauft in der Reichsstraße im „Haus der Wäsche“ vor allem Damenunterwäsche und Dessous – nicht, was man schnell im Netz bestellt, sondern Feines, was gut passen soll.
Shoppen nach Termin war für Sie ein gangbarer Weg durch die Pandemie. Vier Kunden in ihrem Geschäft, das sich auf zwei Stockwerke erstreckt. Abstand, FFP2-Maske, Desinfektion – alles ist vorbereitet. „Im Kaufland drängeln sich die Kunden mehr als bei mir“, sagt die junge Geschäftsfrau. Auch ein Optiker dürfe einzelne Kunden empfangen, sie nicht. Dabei seien die Kunden vernünftig, halten sich an die Regeln. „Es weiß doch jeder worauf es ankommt“, sagt Böswald. Sie hat kein Verständnis mehr, dass ungleiche Regeln für den Handel gelten.
Sie wünscht sich von der Politik klares Handeln. „Wenn das Virus so gefährlich ist, warum wird dann nicht schnell und hart reagiert anstatt sich weiter in komplizierten Regeln zu verheddern?“ Jetzt muss sie wieder warten, was in ab dem 12. April möglich sein kann. „Es ist einfach zermürbend“, sagt Böswald.
Jürgen Hirsch vom gleichnamigen Fachhändler für Boden- und Wandbeläge: "Wir werden ständig neu gefordert"
Seine Mitarbeiter, seine Kunden und er selbst seien verunsichert, sagt Jürgen Hirsch von Hirsch-Boden-Decke-Wand in Donauwörth-Nordheim. „Wir sind ständig neu gefordert“, sagt Hirsch. Das sei für niemand sehr erfreulich. Im Moment hat er das Problem, dass seine Lieferanten in einen zeitlichen Verzug geraten. Die Pandemie führe dazu, dass er bis zu vier Monate auf die bestellte Ware warten müsse, was die Kunden natürlich auch nicht erfreue. Hamsterkäufe habe es schon einige Male gegeben, als sich die Verordnungen veränderten. Und gerade vor dem Jahreswechsel habe Hochbetrieb geherrscht, denn die abgesenkte Mehrwertsteuer hätten zahlreiche seiner Kunden nutzen wollen. Und jetzt? Hirsch zuckt mit der Schulter. Er verweist auf sein Online-Angebot und überlegt jeden Tag aufs Neue, wen er von seinen 35 Mitarbeitern aktuell benötige. Dass er sein Ladengeschäft nun Gründonnerstag und Karsamstag offen halten darf, begrüßt er, werde die Kundenfrequenz dadurch doch entzerrt und schließlich sei der Karsamstag immer ein „sehr guter Tag“ gewesen. An ein schnelles Ende des Corona-Spuks glaubt er nicht, „weil das Impfen zu langsam geht“.
Christine Reichherzer, Gastgeberin aus Fünfstetten: "Wir brauchen eine Perspektive"
Seit dem 2. November 2020 ist der Landgasthof Sonne von Christine Reichherzer in Fünfstetten geschlossen. Ihren Betrieb führe sie zusammen mit ihrer Familie mit viel Herzblut und verstehe die Schließung nicht, da sie ein funktionierendes Abstands- und Hygienekonzept hätten. Die staatlichen Hilfen, die zwar relativ zügig ausbezahlt wurden, seien bezogen auf die Länge der Schließung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Was uns auf jeden Fall fehlt, ist eine Perspektive für die Zeit nach Ostern, um auch unseren Gästen gegenüber eine klare Aussage treffen zu können, was in der näheren Zukunft möglich ist und was nicht“, sagt Christine Reichherzer. Gerade auch im Bezug auf Feiern, wie Kommunion und Hochzeit, würde sie ihren Gästen gerne mehr sagen können. „Uns fehlt die Planungssicherheit.“ Wenn Geschäftsreisen möglich seinen, dann könnte man doch private Reisen in kleinem Rahmen auch wieder ermöglichen. „Bitter aufgestoßen habe ihr zudem die Absage eines kontaktfreien Urlaubs innerhalb Deutschlands, obwohl es ihrer Meinung nach sicher nicht riskanter sei, als eine Flugreise zu buchen. Die Politik sei leider realitätsfern. (vig)