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Landkreis Donau-Ries: Diskussion im Kreis Donau-Ries: Wofür bekommen Flüchtlinge 2538 Euro Bürgergeld?

Landkreis Donau-Ries

Diskussion im Kreis Donau-Ries: Wofür bekommen Flüchtlinge 2538 Euro Bürgergeld?

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    Geflüchtete aus der Ukraine bekommen Bürgergeld. Dessen Höhe sorgt im Landkreis für Gesprächsstoff.
    Geflüchtete aus der Ukraine bekommen Bürgergeld. Dessen Höhe sorgt im Landkreis für Gesprächsstoff. Foto: Zacharie Scheurer, dpa (Symbolbild)

    Warum bekommen Schutzsuchende aus der Ukraine Bürgergeld? Wie setzen sich die 2538 Euro zusammen, die eine durchschnittliche vierköpfige Flüchtlingsfamilie von dort in Deutschland für ihren Lebensunterhalt bekommen kann? Und weshalb ist diese Summe so hoch? Fragen wie diese beschäftigen unsere Leserinnen und Leser seit unserem Artikel über die angespannte Flüchtlingslage im Landkreis und über deren finanzielle Unterstützung. Unverständnis herrscht mitunter in der Bevölkerung über diese Summe, damit auch Erklärungsbedarf. Das Thema sorgt für Gesprächsstoff und die Gefahr einer Neiddebatte besteht.

    Das Bürgergeld gibt es seit Januar; es hat das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) abgelöst. Die darin vorgesehenen Leistungen können von allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland beantragt werden, wenn sie nicht genug Geld zum Leben verdienen. Dass auch Menschen aus der Ukraine Anspruch darauf haben, liegt an einer Entscheidung der EU, die ihnen sehr rasch den Aufenthaltsstatus zubilligt. Sie müssen – im Unterschied zu anderen Flüchtlingen – kein Asylverfahren durchlaufen, sondern werden in Deutschland gleich als anerkannte Asylbewerber behandelt. Ab diesem Zeitpunkt steht ihnen Bürgergeld zu.

    Geflüchtete aus der Ukraine haben sofort Aufenthaltsstatus

    Für eine vierköpfige Durchschnittsfamilie – egal, ob deutsch oder ukrainisch – wurde ein monatlicher Lebensbedarf in Höhe von 2538 Euro ermittelt, der sich folgendermaßen zusammensetzt: Die beiden Erwachsenen erhalten jeweils 451 Euro, die beiden Kinder je 318 Euro. Von diesem Geld sollen, wie Monika Holzmann, Geschäftsführerin des Jobcenters in Donauwörth, sagt, Nahrung, Kleidung, gesundheitliche Belange, Strom und anderes mehr bezahlt werden. Für eine Wohnung bekommen sie weitere 1000 Euro maximal für Miete, Heizung und Nebenkosten. Kindergeld ist nicht Bestandteil des Bürgergelds. Es wird von der Familienkasse bezahlt. Bei zwei Kindern macht das 500 Euro aus. 

    Sprechen wir nicht von einer Familie, sondern von Einzelpersonen, gelten folgende Sätze beim Bürgergeld: 502 Euro (Alleinerziehende oder Alleinstehende), 402 Euro (Erwachsene unter 25 Jahren im Haushalt ihrer Eltern), 420 Euro (Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren), 348 Euro (Kinder zwischen sechs und 13 Jahren). Dazu können noch weitere Leistungen kommen wie beispielsweise jährlich 174 Euro für Schulbedarf. 

    Geschäftsführerin des Jobcenters Donau-Ries erklärt die Bürgergeld-Summe

    "Alles in allem kann man davon schon leben", sagt Monika Holzmann. "Es gibt Menschen bei uns mit geringerem Einkommen." Die Leiterin des Jobcenters weiß aus ihrem Arbeitsalltag, wie eng es in manchen Familien wird und dass es oft auch Senioren gibt, die Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben, weil die Rente zu mager ausfällt.

    Ein Rechenbeispiel von Monika Holzmann: "Verdient bei einer vierköpfigen Familie ein Partner des Elternpaares 12 Euro Mindestlohn mal 40 Wochenstunden, dann kommt er netto auf 1660 Euro. Als Freibetrag stehen ihm 348 Euro zu. Somit hat er Anspruch auf Bürgergeld in Höhe von 726 Euro." Viele aber würden ihre Ansprüche gar nicht wahrnehmen, sagt Monika Holzmann. Die sagen sich eher: Wir schauen, wie wir auch so zurechtkommen.

    Quartiersmanager Jörg Fischer erlebt viel Dankbarkeit von den Flüchtlingen

    Anders als bei den Ukrainerinnen und Ukrainern verhält es sich mit den Flüchtlingen anderer Herkunftsländer. Sie werden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bewertet und haben Anspruch auf folgende Sätze: 410 Euro (Alleinstehende oder Alleinerziehende), 369 Euro (je Partner eines Paares), 328 Euro (Erwachsene unter 25 Jahren im Haushalt der Eltern), 364 Euro (Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren), 304 Euro (Kinder zwischen sechs und 13 Jahren) und 278 Euro (Kinder unter fünf Jahren). Dazu gibt es noch Geld für Unterkunft und Heizung.

    Quartiersmanager Jörg Fischer, der im Rahmen des Projekts "Soziale Stadt" in Donauwörth viel mit Flüchtlingen zu tun hat, erlebt bei ihnen viel Verbundenheit gegenüber dem Gastland, das sie aufgenommen hat. "Ich spüre eine unendliche Dankbarkeit, denn diese Menschen schätzen es, wie sehr ihnen hier in Deutschland geholfen wird", sagt er. "Alle, mit denen wir hier in der Parkstadt zu tun haben, sind durch Krieg und Flucht traumatisiert, das nimmt man deutlich wahr." Umso wichtiger seien die Angebote an die Schutzsuchenden, nicht nur finanziell, sondern auch durch die verschiedenen Projekte, wie sie unter anderem in der "Sozialen Stadt" initiiert werden. Eine Neiddebatte ist laut Fischer nicht von der Hand zu weisen. Allerdings nimmt der Quartiersmanager sie mehr unter den Flüchtlingen wahr. "Vermitteln Sie einmal einem Betroffenen die Diskrepanz zwischen Bürgergeld und Leistung nach dem Asylgesetz."

    Einen Rucksack, vielleicht eine Plastiktüte – mehr hatten die Flüchtlinge aus der Ukraine nicht dabei, die Kinga Putschögl getroffen hat. Die Unternehmerin aus Kirchheim am Ries gehörte zu denen, die an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine kurz nach Kriegsausbruch ihre Hilfe anboten, die die erschöpften Flüchtlinge aufnahmen. „Die waren total traumatisiert. Sie hatten meist nur ein bisschen Wechselkleidung dabei.“ 

    Viele Ukrainer hätten bei der Ankunft im Donau-Ries keine Schuhe angehabt

    Viele Ukrainerinnen und Ukrainer hätten durchgelaufene Schuhe angehabt – kein Wunder nach 60, 70 Kilometer langen Märschen auf der Flucht vor Putins Angriffskrieg. „Erst später, als ich Busse organisiert habe, habe ich auch mal eine Reisetasche gesehen.“ Von den Sozialleistungen in Deutschland hätten diese Menschen nichts gewusst, da ist sich Kinga Putschögl sicher. Und viele von denen, die sie damals in Sicherheit gebracht habe, seien auch schon längst wieder in die Ukraine zurückgegangen: „Die Ukrainer lieben ihr Land.“ Nicht überall fänden Kämpfe statt, die Menschen hätten gelernt, mit dem Krieg zu leben: „Die gehen ins Büro, in die Disko.“ Doch selbst die Kinder würden schon auf bestimmte Geräusche sensibel reagieren, den Weg in Keller oder Bunker kennen.

    Offen und sachlich über diese Fakten sprechen, sagt Landrat Rößle

    Landrat Stefan Rößle, der in der Kreistagssitzung am Donnerstag viel Kritik aus den politischen Lagern einstecken musste, weil er die Höhe der Leistungen für Flüchtlinge über unsere Zeitung zur Debatte gemacht hatte, bekommt von anderen Seiten viel Zuspruch, wie er sagt. "Natürlich ist das Thema sehr emotional", nahm er am Freitag im Gespräch mit der Redaktion Stellung. "Aber ich bin froh, dass wir nun offen darüber reden, denn ich merke oft, dass Unmut über die Höhe der Gelder herrscht. Es ist mir ein Anliegen, sachlich über die Fakten zu sprechen, ohne dass man gleich in eine ausländerfeindliche Ecke gestellt wird." 

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