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Landkreis Donau-Ries: Die Akten zum Thema Migration türmen sich im Landratsamt Donau-Ries

Landkreis Donau-Ries

Die Akten zum Thema Migration türmen sich im Landratsamt Donau-Ries

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    Ein Bus mit 45 Ukrainern ist am Freitag vor dem Landratsamt in der Donauwörther Pflegstraße angekommen. Die Kriegsflüchtlinge werden registriert und auf die knappen Notunterkünfte im Landkreis Donau-Ries verteilt.
    Ein Bus mit 45 Ukrainern ist am Freitag vor dem Landratsamt in der Donauwörther Pflegstraße angekommen. Die Kriegsflüchtlinge werden registriert und auf die knappen Notunterkünfte im Landkreis Donau-Ries verteilt. Foto: Thomas Hilgendorf

    Von neuem durchleben Mutter und Sohn jetzt eine Tragödie. Diesmal am Tresen der Ausländerbehörde in der Donauwörther Pflegstraße. Es mag gegen das bis dahin Erlebte klein erscheinen, aber dramatisch wird es auch hier, nachdem die beiden die Flucht aus dem ukrainischen Charkiw endlich geschafft haben: Die Katze muss ins Tierheim nach Hamlar. In der Notunterkunft ist sie nicht gestattet. Statt zehn Minuten dauert der "Vorgang", wie es auf Amtsdeutsch heißt, nun schon eine halbe Stunde, Tränen fließen. 45 Ukrainerinnen und Ukrainer sind soeben mit dem Bus aus dem Augsburger Ankerzentrum angekommen - zur Registrierung, zur Weiterverteilung in eine der raren Notunterkünfte im Landkreis Donau-Ries. Die Fluchtbewegung aus dem Kriegsgebiet ist nur eine Facette dessen, was das Landratsamt stemmen muss in Sachen Migration. Johann Stark, der Leiter der hiesigen Ausländerbehörde, befürchtet, dass das System irgendwann kollabieren könnte, sollten die Ämter nicht bald entlastet werden.

    In der Ausländerbehörde im Landratsamt Donau-Ries türmen sich die Akten.
    In der Ausländerbehörde im Landratsamt Donau-Ries türmen sich die Akten. Foto: Thomas Hilgendorf

    "Man sieht es den Menschen an, was sie erlebt haben", sagt Michael Dinkelmeier, einer der Mitarbeiter der Ausländerbehörde, bei dem sich - wie bei allen anderen Kolleginnen und Kollegen auch in der Abteilung Asyl/ Migration - die Akten inzwischen türmen. In der Tat sehen die Eltern und Kinder, die Alten und die Jungen, mitgenommen, kraftlos aus. Suchende Blicke in den Gesichtern, große Ikea-Beutel auf dem Boden, darüber Decken, die Kinder klammern sich an Stofftiere und an Mama oder Papa. Die werden der Reihenfolge auf einer Liste nach aufgerufen, sie gehen an die Tresen, sämtlich in freundlichem Buche-Dekor gehalten, Mitarbeiter und Dolmetscherinnen warten bereits. 

    Die Aktenberge wachsen mit den Aufgaben in der Ausländerbehörde im Kreis Donau-Ries

    "Alles andere rückt an solchen Tagen erst einmal wieder nach hinten", sagt Dinkelmeier und sein Chef, Johann Stark, erklärt beim Blick auf mehrere Stapel Papier auf dem Boden: "Die Akten, die sich hier stapeln, betreffen nur das Chancen-Aufenthaltsrecht." Weitere Ordner füllen die Schränke. Die Chancen-Aufenthaltsrechts-Akten haben die Runde und einiges an Kilometern gemacht; eigentlich waren sie abgeschlossen, waren zur Zentralen Ausländerbehörde nach Augsburg verschickt worden, jetzt sind die sandfarbenen Pappordner wieder in Donauwörth. Jenes neue Recht soll Menschen mit einer Duldung die Möglichkeit geben, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, wenn sie sich am Stichtag 31. Oktober 2022 seit mindestens fünf Jahren in Deutschland befinden. Es mag ein Sinn dahinter stecken, schließlich geht es ja um Menschen, sicher - aber es ist wiederum viel zu tun für wenige Menschen, die sich hier kümmern müssen in diesem Teil der Kreisbehörde. Asyl, Kriegsflüchtlinge, Ablehnungen, Unterkunftssuche und, und, und. Die Aufgaben sind mit den Aktenbergen gewachsen, oder umgekehrt.

    Ein Bus mit 45 Ukrainern ist am Freitag vor dem Landratsamt in der Donauwörther Pflegstraße angekommen. Die Kriegsflüchtlinge werden registriert und auf die knappen Notunterkünfte im Landkreis Donau-Ries verteilt.
    Ein Bus mit 45 Ukrainern ist am Freitag vor dem Landratsamt in der Donauwörther Pflegstraße angekommen. Die Kriegsflüchtlinge werden registriert und auf die knappen Notunterkünfte im Landkreis Donau-Ries verteilt. Foto: Thomas Hilgendorf

    Seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, hat sich die ohnehin angespannte Lage im Bereich Migration zugespitzt. Es sei kaum zu schaffen, sagt Johann Stark, der seit Jahrzehnten in der Ausländerbehörde tätig ist. Sein Vorgesetzter gibt ihm uneingeschränkt recht. Landrat Stefan Rößle arbeitet ein Stockwerk über den hölzernen Tresen der Ausländerbehörde. Er blickt auf Balkendiagramme und Tabellen. Das Gesicht ist besorgt, Rößle will dennoch sachlich bleiben: "Der Zuzug muss auf ein leistbares Maß gebracht werden", betont er. 

    Dabei sieht Rößle allem voran die Bundesregierung und insbesondere Kanzler Olaf Scholz in der Pflicht. Rößle fühlt sich und seine Mitarbeiter ein Stück weit allein gelassen, und das in einer dramatischen Lage. Seit 1. Januar dieses Jahres sind dem Kreis Donau-Ries zum Stichtag Donnerstag 287 ukrainische Flüchtlinge und Asylbewerber zugewiesen worden. Die Zahl ist nun, am Freitagvormittag, schon nicht mehr aktuell, denn während Rößle oben die Zahlen vorlegt, stehen die Menschen aus der Ukraine unten im Erdgeschoss im Wartebereich.

    Eines der Kernprobleme: der Mangel an Wohnraum im Landkreis Donau-Ries

    Abteilungsleiter Stark bereitet der Mangel an Notunterkünften und generell der hart umkämpfte Immobilienmarkt in der Region Sorge. "Heute wird die Notunterkunft im Rainer Blumenhotel voll", sagt er zähneknirschend. Er muss jonglieren. Bis Ende Mai dient das Hotel noch als Herberge für Kriegsflüchtlinge, danach kann zumindest ein Großteil der 184 dort Untergebrachten - nämlich 150 - in einer vormaligen Gewerbehalle in Riedlingen unterkommen. Und dann? Stark weiß es nicht, es ist ein mühsames Unterfangen - Aufrufe an Immobilienbesitzer, Mietverhandlungen, Telefonate, Besichtigungen, Überprüfungen,... Bislang sei es in diesem Jahr gelungen, keine Turnhallen als Notunterkünfte heranzuziehen. Doch ob das so bleibt, darüber möchte hier niemand spekulieren. Die Beschaffung von Containern steht ebenfalls auf der langen Liste der Optionen. Womöglich könnte bald darauf zurückgegriffen werden. 

    Ein Bus mit 45 Ukrainern ist am Freitag vor dem Landratsamt in der Donauwörther Pflegstraße angekommen. Die Kriegsflüchtlinge werden registriert und auf die knappen Notunterkünfte im Landkreis Donau-Ries verteilt.
    Ein Bus mit 45 Ukrainern ist am Freitag vor dem Landratsamt in der Donauwörther Pflegstraße angekommen. Die Kriegsflüchtlinge werden registriert und auf die knappen Notunterkünfte im Landkreis Donau-Ries verteilt. Foto: Thomas Hilgendorf

    300 Ukrainer muss der Landkreis Donau-Ries in nächster Zeit aufnehmen, um den bayernweit geltenden Schlüssel zu erfüllen. Landrat Rößle betrachtet den nahenden Frühling indes zwiegespalten: Einerseits habe man den Winter überstanden und allen Menschen ein Dach über dem Kopf bieten können, Gott sei Dank. Andererseits: Es wird wämer, mehr Menschen aus Afrika und Nahost wagen wieder den Weg über das Mittelmeer. Andere Krisenherde gibt es auch noch. Doch das steht auf einem anderen Blatt Papier, in mindestens einem der sich stapelnden Ordner, unten im Erdgeschoss in der Pflegstraße.

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