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Foto: Thomas Hilgendorf
Foto: Thomas Hilgendorf

Sebastian Stadali und Anna-Lena Hauber von der Caritas in Donauwörth beraten Menschen, die in ganz unterschiedlichen Lebenslagen Hilfe brauchen.

Landkreis Donau-Ries
09.04.2022

Corona, Krieg und private Krisen: Viele Menschen brauchen die Hilfe der Caritas

Von Thomas Hilgendorf

Die Zahl der Krisen häuft sich, auch bei den Menschen selbst. Dafür gibt es den Sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas in Donauwörth. Dessen Aufgaben sind gewachsen.

Viele Menschen scheuen davor zurück, sich Hilfe zu holen - obwohl sie dringend Unterstützung bräuchten. Zumal dann, wenn auf dem Türschild der Helfer "Sozialpsychiatrischer Dienst" steht. Doch bei dieser Einrichtung der Caritas Donau-Ries in Donauwörth geht es längst nicht mehr darum, dass nur Menschen mit einer diagnostizierten psychischen Erkrankung Hilfe bekommen - das Angebot ist breit und wendet sich an alle Menschen, die in schwierigen Lagen jedweder Art stecken. Während der Corona-Zeit ist die Arbeit für die Berater Sebastian Stadali und Anna-Lena Hauber noch komplexer geworden.

Sozialpädagogin Hauber versteht sie manchmal nicht, diese falsche Scheu vieler Menschen. "Wenn man ein gebrochenes Bein hat, holt man sich auch Hilfe. Bei einer gebrochenen Seele ist das aber meist nicht der Fall", sagt sie. Dabei seien Krisen "menschlich, sie gehören zum Leben dazu". Die meisten Herausforderungen könne der Mensch Gott sei Dank ja auch meistern, aber eben oftmals nicht alleine, ganz nur auf sich gestellt. Es sei dann nur folgerichtig und "gut", sich Hilfe zu holen.

Das Spektrum der Caritas-Beratung in Donauwörth ist breit

Das Spektrum des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas in Donauwörth sei bewusst breit aufgestellt, weil Krisen verschiedene Gesichter haben können und Menschen unterschiedlich mit unterschiedlichen Lagen umgehen können. Den einen wirft Trauer schier vollends aus der Bahn, die andere kommt nicht über den Verlust der Arbeitsstelle hinweg, wieder ein anderer hat mit Erkrankungen zu kämpfen oder steht womöglich kurz vor der Obdachlosigkeit. Ein weiterer weiß plötzlich einfach nicht, warum er so angespannt und reizbar ist. Die Herausforderungen des Lebens seien mitunter vielgestaltig. Doch es sei eben auch die Möglichkeit der Unterstützung, der Mitmenschlichkeit da. Das will die katholische Sozial-Institution Caritas bieten. Dabei sei es letztlich "egal, welches Einkommen jemand hat", jeder dürfe kommen und sich beraten lassen, erklärt Sozialwissenschaftler Stadali.

Das Image der Beratung sei ein wenig geprägt von der Arbeit in der Vergangenheit, erklären die beiden Berater. Früher seien die Klientinnen und Klienten tatsächlich meist ausschließlich diagnostizierte psychisch kranke Menschen gewesen. Dies habe sich allerdings in der heutigen Zeit grundlegend geändert: "Die Bandbreite ist größer geworden", sagt Stadali. Und auch in der Öffentlichkeit habe sich einiges geändert in den vergangenen Jahren; und ja, in diesem Bereich mitunter auch zum Besseren: Es sei öfter als früher nicht mehr ganz so stigmatisierend, wenn psychische Erkrankungen bekannt werden. Aber dennoch: Die Scheu bleibe, auch Vorurteile hielten sich noch wacker in der Gesellschaft. Es sei für viele schwer, zuzugeben, dass man nicht alles und jede Krise im Leben alleine meistern könne; dass die Kontrolle über das Leben nicht vollends in den eigenen Händen liegt.

Auch vermeintlich "harmlose" Ereignisse können Krisen auslösen

Eine Krise könne in frühen Jahren beginnen, auch durch vermeintlich "harmlose" Ereignisse wie einen Schulwechsel. Die Symptomatik bei den Hilfesuchenden könne sehr unterschiedlich sein, doch des Öfteren gebe es Überschneidungen: Schlaflosigkeit, ein seltsames Engegefühl, das sich auch direkt körperlich auswirken könne, Ängste, Appetitlosigkeit, viele Facetten einer "klassischen Stresssymptomatik". Und manchmal auch das direkte Gefühl: "Ich glaube, ich habe eine Depression." Für all diese Fälle stehen die Berater in der Donauwörther Reichsstraße bereit.

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Gerade in dieser Zeit häufe sich der Beratungsbedarf, berichten Stadali und Hauber. "Gerade jetzt merken viele, dass ihr Akku leer ist", sagt Hauber. Erst die lange, auch kräftezehrende Ungewissheit durch die Corona-Pandemie, nun weitere Erschütterungen durch die Bilder des Krieges im Osten Europas. "Das ist natürlich nun eine Zusatzbelastung für Menschen in Krisensituationen."

"Das Klientel ist jünger geworden", sagt die Donauwörther Caritas-Beraterin

Insgesamt sei das Klientel in der Beratungsstelle etwas jünger geworden, sagt die Sozialpädagogin. Gerade Corona sei vor allem auch bei den Jüngeren mitunter eine enorme Belastung gewesen. "Sie sagen durchaus, sie hätten einen Teil ihrer Jugend nicht erleben können", erklärt Hauber, das Gefühl sei bei vielen Jungen das einer "nicht aufholbaren Zeit". Feiern, rausgehen, Freunde treffen. Vieles davon viel schlichtweg flach. Vermeintlich fehlende Perspektiven schwingen dann zudem in diesen Zeiten mit, "der Anker in der Zukunft fehlt".

Was raten dann die Mitarbeiter der Caritas? Das lasse sich pauschal nicht kurz und knapp erklären. Enorm helfe erst einmal das Zuhören. Dann suche man nach "kleinen Ankern", setze gemeinsam kleine, realistische Ziele fest und arbeite daran. Auch Erinnerungen, was einem früher guttat, könne helfen, sagt Hauber - vieles lasse sich ermöglichen, eröffne wieder Perspektiven. Inseln. Es sind oft kleine Lichtblicke, die aber helfen können.

Die Beratungen sind für die Kilienten kostenfrei, die Kosten übernimmt der Bezirk. Die Zahl der Sitzungen sei nicht begrenzt. Oftmals sind die Berater der Caritas Mittler. Sie zeigen, wenn es nötig ist, weitere Hilfsangebote verschiedener Träger und Behörden auf. Dabei ist es den Caritas-Mitarbeitern wichtig, festzuhalten, dass die Gespräche der Schweigepflicht unterliegen und sämtliche Daten anonymisiert werden. Keiner müsse Angst haben, sich Hilfe zu holen.

Info: Interessierte können sich telefonisch an die Beratungsstelle der Caritas in Donauwörth (0906/70920718) wenden. Auch in Nördlingen gibt es eine solche Stelle (Telefon: 09081/805150).

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