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Kirchenaustritte häufen sich. Leider, meint DW-Redakteur Thomas Hilgendorf. Denn Austritte verhindern auch Veränderungen.
Keine Frage: Es gibt gewichtige Gründe für die aktuelle Kritik an der Kirche. Die wirklich beschämenden, ja teuflischen Fälle von Missbrauch sind hierbei zuvorderst zu nennen. Doch man sollte fairerweise auch deutlich konstatieren: Es ist beileibe nicht die Masse der hunderttausenden Mitarbeiter, schon gar nicht die der Millionen Christinnen und Christen, die hier in unbeschreiblicher Form übergriffig und kriminell geworden wäre. Nein, ganz im Gegenteil: Überzeugten, aufrichtigen Christinnen und Christen geht es zutiefst um das gelebte Evangelium Christi - Heilung, Rettung, Mitmenschlichkeit, Demut, Achtung vor Gott und den Mitmenschen, Glaube, Liebe, Hoffnung.
Es gab schreckliche Übergriffe, Verbrechen durch kirchliche Mitarbeiter. Und ja, es wurde zu lange geschwiegen, Betroffenen zu wenig oder - wie wohl oftmals in den vergangenen Jahrzehnten - kein Gehör geschenkt, an vielen Orten im Lande. Das alles ist schlimm, und die Kirche muss sich um wirkliche Wiedergutmachung bemühen und authentisch Achtung zeigen. Doch sämtlichen kirchlichen Mitarbeitenden von heute eine Art Kollektivschuld aufzubürden, ist nun auch alles andere als gerecht. Hier braucht es eine ehrliche Aufarbeitung (die vielerorts geschieht oder geschehen ist) und bessere Strukturen, sodass sich jene Verbrechen nicht ohne Weiteres wiederholen können.
Man kann nichts mehr ändern, wenn man erst einmal weg ist
Derweil bleibt die Frage der Austritte. In der Tat wäre gerade für Kritiker ein An-Bord-Bleiben die konstruktivere Alternative. Ein Verlassen, ein Schlussstrich hat stets auch etwas Destruktives. Die Kirche ist die ganze Gemeinschaft der Christen - und eben nicht allein die "amtliche Organisation". Und diese Gemeinschaft, die es im Sinne Jesu auch geben muss, sie ist etwas Größeres, Tieferes Weitergehendes. Und: Sie hat enorme Bedeutung für die geistige Prägung und die Werteorientierung der Gesellschaft. Gäbe es sie nicht mehr, würde deren Fundament wegbrechen.
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