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Klagen von Eltern aus dem Landkreis Donau-Ries: Verwaltungsgericht befasst sich mit Impfpflicht gegen Masern

Landkreis Donau-Ries/Augsburg

Prozesse um Masernimpfungen: „Wollen keine Kinder zwangsimpfen“

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    Das Verwaltungsgericht in Augsburg
    Das Verwaltungsgericht in Augsburg Foto: Wolfgang Widemann

    Es ist seit mehreren Jahren vor allem in vielen jungen Familien ein heiß diskutiertes Thema: Die Impfung gegen Masern. Seit 2020 sind Personen, die sich in einer Gemeinschaftseinrichtung befinden, per Gesetz dazu aufgefordert, sich gegen die hochansteckende Infektionskrankheit immunisieren zu lassen. Dies trifft damit auch im Landkreis Donau-Ries alle Mädchen und Buben, die eine Kindertagesstätte oder eine Schule besuchen, ebenso medizinisches Personal und Bewohner von Asylunterkünften. Doch längst nicht alle Eltern wollen ihren Nachwuchs impfen lassen. Wie groß die rechtliche Problematik rund um das Masernschutzgesetz ist, zeigte sich am Montag am Verwaltungsgericht Augsburg. Dieses hatte über die Klagen mehrerer Eltern gegen Bescheide des Landratsamts Donau-Ries zu entscheiden.

    Von einer solchen Impfung abgesehen werden kann nur dann, wenn aus medizinischer Sicht eine erhöhte individuelle gesundheitliche Gefahr besteht oder bereits eine Immunisierung vorliegt. Beides ist durch entsprechende Atteste beziehungsweise Laboruntersuchungen zu bestätigen. Seit das Gesetz in Kraft ist, meldeten die Verantwortlichen aller Gemeinschaftseinrichtungen im Donau-Ries-Kreis der Behörde insgesamt rund 2800 Menschen, für die kein oder kein plausibler Impfnachweis vorlag. Dem Amt zufolge ist die Bandbreite groß. Manche Eltern könnten plausibel erklären, warum sie eine Impfung ihres Kindes ablehnen. Andere reagierten überhaupt nicht und akzeptierten kommentarlos Bußgeldbescheide von einigen hundert Euro.

    68 Masern-Atteste für Kinder aus Landkreis Donau-Ries von Arzt aus Raum Ingolstadt

    In etwa 590 Fällen wurden der Kreisbehörde bislang Atteste zugeleitet, wonach aus medizinischen Gründen keine Impfung empfohlen werde. Mit einem Teil dieser Bescheinigungen kann sich das Amt nicht anfreunden. Allein ein Arzt aus dem Raum Ingolstadt stellte 68 Atteste aus. Nach Angaben von Harald Hegen, Jurist und Abteilungsleiter im Landratsamt, seien die Argumentation und der Wortlaut stets fast identisch. Es werde Bezug auf einen Angehörigen der zu impfenden Person genommen, der nach einer Impfung Probleme bekommen oder eine Allergie habe.

    Die Behörde hält die Atteste für nicht plausibel und forderte die Eltern, welche die Bescheinigungen eingereicht haben, per Bescheid dazu auf, einen neuerlichen, ausreichenden Nachweis zu erbringen, dass die Kinder nicht gegen Masern geimpft werden können. Die Mütter und Väter reichten vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Bescheide ein. Damit beschäftigte sich nun die 9. Kammer des Gerichts in Augsburg unter Vorsitz von Verena Hueck. Schnell wurde deutlich, dass sich das Landratsamt in einer schwierigen Position befindet. Dies liegt auch an den schwammigen rechtlichen Formulierungen. „Das Gesetz macht keine Vorgaben, wie ein solcher Nachweis auszusehen hat“, erklärte Verena Hueck.

    In den Attesten des Arztes sehe man „keinen Ansatzpunkt für eine Blankobescheinigung“. Eine der Mütter - sie hat drei Kinder - berichtete, zunächst habe sie ein im Donau-Ries-Kreis ansässiger Kinderarzt über die Risiken einer Nicht-Impfung aufgeklärt. Später habe sie Vorträge des Mediziners aus der Ingolstädter Gegend zum Thema Impfkomplikationen besucht. Bei einem Termin in seiner Praxis habe der Allgemeinarzt und Heilpraktiker, bei dem sie sich „gut aufgehoben gefühlt“ habe, die Kinder untersucht und sich „die Vorgeschichte in der Familie angehört“. Eine Verwandte sei als Baby nach einer Masernimpfung schwer erkrankt. Die Frau fing kurz zu weinen an, als die Vorsitzende Richterin nachhakte. Erst Wochen später habe der Arzt die Atteste geschickt.

    Die Richter machten klar, dass sie die Bescheide des Landratsamts für nicht rechtskonform halten. Den Eltern sei kein böser Wille zu unterstellen. Das Amt hätte nach Eingang der Bescheinigungen erst einmal mit den Betroffenen Kontakt aufnehmen und jeweils „eine ergebnisoffene Anhörung durchführen“ müssen. Ein solches Vorgehen sei durch Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und das Bundesverwaltungsgerichts angezeigt.

    Richterin in Augsburg: „Wir wollen keine Kinder zwangsimpfen“

    Die Vorsitzende der 9. Kammer in Augsburg machte zudem deutlich: „Wir wollen keine Kinder zwangsimpfen.“ Man wisse, dass sich die Behörde hier in einem „Dilemma“ befinde. Verena Hueck kam zu dem Schluss: „Irgendwann ist das Gesetz ausgespielt und man kann nur noch mit Überzeugungsarbeit agieren.“ Auf Bußgeldbescheide hatte das Amt in den vorliegenden Fällen schon im Vorfeld verzichtet. In einem der Verfahren hob das Amt den Bescheid jetzt auf, in dem Fall mit der Familie mit den drei Kindern soll es nach dem Willen der Beteiligten ein Urteil geben, damit das Amt die Sichtweise des Gerichts auch Schwarz auf Weiß hat.

    Welche weiteren Maßnahmen die Behörde ergreift, ist offen. Die Kinder könnten zu einer amtsärztlichen Untersuchung vorgeladen werden. Während in Kindertagesstätten ohne eine Immunisierung ein Betretungsverbot ausgesprochen werden kann, geht bei Schülern die Schulpflicht vor. Allerdings können Ungeimpfte von bestimmten schulischen Aktivitäten (zum Beispiel Klassenfahrten) ausgeschlossen werden.

    Arzt: Masern-Impfberatungen nur noch für „Stamm-Patienten“

    Die Vertreter des Landratsamts überlegen laut Abteilungsleiter Hegen derzeit auch, den Mediziner, von dem die Atteste stammen, bei der „ärztlichen Aufsicht“ zu melden, um „dem nachzugehen“. Was die Behördenvertreter wurmt: Mit ihren Bescheinigungen könnten „drei oder vier Ärzte ein Gesetz aushebeln“, beklagte Hegen. Ob der Mediziner aus Oberbayern weitere Atteste gegen Masernimpfungen für Kinder aus dem Landkreis Donau-Ries ausstellen wird, bleibt abzuwarten. Auf der Internetseite seiner Praxis ist zu lesen, die Nachfrage nach Beratungen für Masernimpfpflicht sei so groß, dass diese nur noch für „Stamm-Patienten“ erfolgen könnten.

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